Roland Schegg ist Dozent an der Hochschule für Wirtschaft und Tourismus in Siders und Forscher am Institut für Tourismus der HES-SO Valais-Wallis. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann er an der ETH in Zürich. 1993 folgte die Promotion an der Universität Genf.
GastroJournal: Big Data ist für viele Gastgeber nach wie vor etwas Abstraktes. Wie bricht man Big Data auf die betriebliche Ebene herunter?
Roland Schegg: Ich spreche lieber von Smart Data als von Big Data. Letzteres ist ein wenig zu einem Modebegriff verkommen. Grundsätzlich geht es darum, dass wir mittels Daten, die wir ja alle besitzen (siehe Kasten), fundierte betriebliche Entscheidungen treffen, und uns nicht mehr rein auf das Bauchgefühl verlassen müssen. Bei einem Hotel heisst das beispielsweise, dass wir Daten vom CRM mit jenen der Webseite, jenen der Social-Media-Kanäle, jenen der Hotelstatistik et cetera kombinieren, und daraus für unseren Betrieb Schlüsse fürs Marketing ziehen. Dass wir einfach wissen, woher kommen unsere Gäste, was wollen sie, wie verhalten sie sich. Wobei hier gesagt werden muss, dass viele Betriebe bei weitem noch nicht befähigt sind, mit diesen Daten umzugehen, und hier einfach noch Unterstützung brauchen.
«Ich spreche lieber von Smart Data als von Big Data»Wo erhalten sie diese?
Im Wallis kann das Tourismus Observatorium beispielsweise eine Datengrundlage sowie Werkzeuge bieten, aber den Entscheid, mit den Daten wirklich zu arbeiten, muss jeder Gastgeber für sich selbst fällen. Aber ich denke langfristig gesehen, das Daten in einer digitalen Gesellschaft eine Goldgrube sind, deren Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist. Daten werden produziert – inzwischen schätzt man, dass sich die Datenmenge alle zwei bis drei Jahre verdoppelt. Doch Daten sind nur Rohstoff, solange sie niemand nutzt …
Das stimmt. Aber ich glaube bevor wir jetzt grosse Daten-Strategien erstellen, müssen wir uns erst einmal bewusst werden: Wir haben Daten und wir können etwas damit tun. Und am besten fängt man hier einfach mal ganz klein mit den internen Daten an und entwickelt dafür ein Verständnis. Nehmen wir einen typischen Schweizer Betrieb, der dank der Schweizer Beherbergungsstatistik schon mal weiss, dass der Grossteil der Gäste im Ort aus der Schweiz stammt. Neben diesem Wissen hat aber jeder Gastgeber auch noch die persönlichen Daten seiner Gäste, die Postleitzahlen beispielsweise. Dadurch weiss er auch, aus welchen Kantonen und Orten sie stammen. Die kartographische Auswertung solcher Daten kann helfen, Marketingaktivitäten besser zu fokussieren. Eine der grossen Chancen ist die Vermarktung …
… und das nicht nur bei den Dienstleistungen, sondern auch bei Produkten. Heute genügt es einfach nicht mehr, dass man als Gastgeber operativ tätig ist, man muss mehr strategisch denken und eruieren, beispielsweise mit der Analyse von Daten, wo wir noch Potenzial haben, wie wir Umsätze multiplizieren und Verkäufe stimulieren können. Da muss man einfach proaktiv sein.
«Strategisch denken und schauen, wo wir noch Potenzial haben»Und da hapert es …
Ja. Aber das ist vielleicht ein wenig historisch bedingt, dass viele Leute sich im Rad befinden, und sich nicht die Zeit nehmen können oder wollen. Ich denke, es geht nicht immer darum, dass man noch mehr Dinge tut, sondern dass man Ressourcen richtig einsetzt. Ein Thema hier wäre beispielsweise mit künstlicher Intelligenz wie Chatboots et cetera zu arbeiten. Sprich: Wie kann ich die digitalen Möglichkeiten voll nutzen, um Kosten zu reduzieren und Mehrwert für Gäste zu generieren. Oder Kooperationen: Wieso nicht im Bereich Daten-Nutzung Kooperationen bilden und eine Person anstellen, die dann für die Auswertung der gesamten Daten verantwortlich ist. Ich denke gerade beim Thema Daten muss man auch Kooperations-Modelle andenken. Stichwort Kooperation: Inwiefern sehen Sie hier eine reelle Chance, dass wir die gesammelten Daten dereinst auch gesamtschweizerisch nutzen können?
Hier kämpfen wir halt nach wie vor mit den kleinbetrieblichen Strukturen und vergeben uns gewisse Chancen. Denn während im Ausland Daten-Sharing bereits als eine Win-Win-Situation angesehen wird, ist es bei uns in der Schweiz eher so, dass wir denken: Die Daten behalte ich. Ich habe schon öfters gesagt: Wieso ist es eigentlich nicht möglich, in einer Destination alle Kundendaten zusammenzunehmen? Denn wenn wir das könnten, dann wären Langzeitanalysen möglich. Wir könnten sehen, was die Entwicklungen sind, welche Trends kommen und welche wieder verschwinden. Wir müssen wegkommen vom Blindflug, denn die Hotellerie und der Tourismus brauchen einen Radar! Besteht die Chance, dass wir ein wenig offener werden?
Ich weiss nicht, ob es ein Generationsproblem ist, vielleicht ist die nächste Generation solchen Ansätzen gegenüber offener … Welche gesetzlichen Grundlagen müssen geschaffen werden, dass Big Data genutzt werden kann?
Es braucht grundsätzlich eine Rechtssicherheit und auch eine Zugänglichkeit zu gewissen Daten, die durch Bundesstellen generiert werden. Ein Ausschnitt der vorhandenen Daten. Zielkonflikt Gast: Auf der einen Seite erwartet er, dass er bekommt, was er möchte, auf der anderen Seite hat er Angst betreffend Kontrollverlust – insbesondere bei persönlichen Daten. Wie geht man mit diesem Dilemma um?
Man muss sich sicher gut mit den Themen Datenschutz und -sicherheit beschäftigen. Aber man sollte nicht in den Datenschutzgeschichten gefangen bleiben, vor allem wenn man sieht, wie die globalen Akteure solche Daten systematisch zu ihren Gunsten auswerten.
«Vielleicht ist die nächste Generation ein wenig kooperativer aufgestellt»Apropos grosse Akteure: Haben wir da überhaupt noch eine Chance aufzuholen?
Im kleinen Onlinebuchungs-Bereich haben wir ja eigentlich schon verloren? Wir haben gewisse Daten, die sie (noch) nicht haben, beispielsweise die Daten aus dem CRM. Diese Ressourcen müssen genutzt werden, um Wettbewerbsvorteile zu generieren. Und wohin geht die Reise in Sachen Big Data und CRM?
Mit zunehmender Digitalisierung der Gesellschaft und Wirtschaft werden datengetriebene Managementmodelle in Zukunft noch wichtiger. Auch KMU müssen solche Potenziale nutzen. Werkzeuge dafür gibt es.