Hotellerie

Ratings sind für den Gast da

Christine Bachmann – 30. November 2017
Die einen freuts, die anderen ärgerts: Karl Wilds Hotelrating. Wie er dazu steht, was ihn bewegt und weshalb er noch lange nicht ans Aufhören denkt: Karl Wild im Gespräch.

Karl Wild ist Journalist, Buch­autor und Hoteltester sowie Gründer des Schweizer Hotelratings, das seit 21 Jahren in der «SonntagsZeitung» erscheint. Wild lebt im zürcherischen Langnau, wo er ein Büro für Ghostwriting betreibt. GastroJournal: In Ihren Ratings werden hunderte Hotels getestet. Trifft man Karl Wild irgendwann mal zu Hause an?
Karl Wild: Öfters. Selbst besuche ich zwischen 40 und 50 Hotels pro Jahr. Wobei ich meist mehrere Hotels an einem Tag besuche, wenn sie sich beispielsweise in Genf oder Zürich befinden. Wenn ich allerdings in den Bergen oder im Tessin meiner Tätigkeit nachgehe, dann bin schon mal ein, zwei Tage unterwegs. Aber nie länger, denn sonst heisst es: Der macht Ferien! Da muss man schon aufpassen. Was zeichnet ein «gutes» Hotel aus?
Banal gesagt, ist ein «gutes» Hotel eines, bei dem die Preis-Leistung stimmt und man sich wohlfühlt. Sprich die Anspruchshaltung des Gastes muss einfach erfüllt sein.

«Bei einem guten Hotel stimmt die Preis-Leistung und man fühlt sich wohl»
Ratings und die Klassifikation von Hotels waren bis vor kurzem rein die Aufgabe von «professionellen» Bewertern. Heute steht das Bewerten durch soziale Medien jedem offen. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?
Ich verfolge das sehr aufmerksam und stelle auch immer wieder fest, dass bei diesen Bewertungen geschummelt wird. Deshalb lasse ich, wenn ich mal auf Tripadvisor bin, bei einem Hotel mit 100 Bewertungen jeweils die 25 besten und die 25 schlechtesten weg – und dann weiss ich in etwa, wie der Betrieb ist. Was unterscheidet Ihrer Meinung nach die Bewertung eines «professionellen» Bewerters von einem privaten?
Dem privaten Bewerter fehlt meist die Vergleichsmöglichkeit, die am Ende essenziell ist. Denn wenn eine Privatperson bisher auf dem Zeltplatz übernachtet hat und bei einem Preisausschreiben eine Übernachtung in einem maroden 5-Sterne-Hotel gewinnt, dann findet sie den Betrieb unter Umständen ganz in Ordnung, im Gegensatz zu einem Gast, der die 5-Sterne-Hotellerie gut kennt. Jemand, der Vergleichsmöglichkeiten hat, kann einfach anders urteilen. Haben das «professionelle» ­Hotelrating wie auch die Hotel-Klassifikation Ihrer Meinung nach eine Zukunft?
Davon bin ich überzeugt. Es wird in Zukunft genauso Platz für die privaten Gäste-Bewertungen haben wie auch für professionelle Bewertungen – beides wird nebeneinander leben. Eine Studie hat erst kürzlich gezeigt, dass rund 80 Prozent der Gäste immer noch auf die Sterne schauen. Und sind wir ehrlich: Wenn ich beispielsweise ein anspruchsvolles Hotel haben will, dann will ich ein 5-Sterne-Haus und kann somit den Rest schon mal weglassen. Die Klassifikation wird immer wichtig sein. Vielleicht sogar noch wichtiger als früher. Ich höre das ja auch bei mir: Braucht es deine Ratings überhaupt noch? Dann sage ich: Eigentlich jetzt erst recht, denn wenn du die Online-Bewertungen nimmst, dann kommst du am Schluss gar nicht mehr draus, weil jeder eine andere Meinung hat. Was soll ich damit anfangen. Bei einem seriösen Rating und bei Sternen habe ich eine gewisse Garantie, und ich kann mich irgendwie orientieren. Nach welchen Kriterien bewerten Sie die Betriebe?
Wir haben 10 fixe Kriterien (siehe Kasten) und lassen am Ende noch den subjektiven Gesamteindruck in das Rating einfliessen – das gibt oft am meisten zu diskutieren, obwohl ich von mir sagen kann, dass ich sehr wohl und jederzeit begründen kann, weshalb ein Betrieb sich auf dem einen oder anderen Platz befindet.
«Wenn man aufgrund von Sympathien ein Rating macht, ist man erledigt.»
Wie viel Platz nimmt am Ende die Subjektivität dennoch ein?
Klar gibt es Hotelbetriebe und auch Hoteliers, die man persönlich lieber hat als andere. Aber wenn man aufgrund von Sympathien ein Hotelrating macht, dann ist man schnell erledigt. Denn man verliert an Glaubwürdigkeit bei den Gästen wie auch an Achtung und Akzeptanz bei den Hoteliers. Wie grenzen Sie sich da emotional ab?
Indem ich mir selbst gegenüber ehrlich bleibe. Wenn ich einen Betrieb gelobt habe und dieser ist irgendwann mal nicht mehr auf der Höhe, dann schreibe ich das auch eiskalt, weil ich ja am nächsten Tag noch in den Spiegel schauen will. Ich mache das jetzt über 20 Jahre. Wenn man sich irgendwo irgendwann mal etwas zu Schulden kommen lässt, Bestechung oder so, und Letzteres hat man ab und an versucht, dann ist man einfach weg vom Fenster. Inwiefern spielt bei Ihrem Rating Wirtschaftlichkeit eine Rolle?
Keine. Unser Kriterium ist die Investitionstätigkeit. Wenn man in seinen Betrieb investiert, dann zählt das, sei das jemand wie ein Schwarzenbach oder ein Kipp… …aber ist das nicht unfair Häusern gegenüber, die nicht von einem Mäzen unterstützt werden?
Nein, das ist nicht unfair. Grundsätzlich müssen wir ja froh sein, dass wir so Leute wie Straumann, Kipp und Co. in der Schweiz haben. Denn ohne solche Leute hätten wir zahlreiche Hotels gar nicht mehr. Und wenn ich von einem Hotelier höre, das sei doch Wettbewerbsverzerrung, dann sage ich zu ihm: Was wäre denn dein Kaff, beispielsweise Arosa, ohne die beiden Hotels von Kipp. Solche Leuchttürme braucht es, denn sie bringen auch Gäste in solche Ortschaften, die am Ende nicht im 5-Sterne-Hotel, sondern in den anderen Häusern übernachten. Es ist doch ein Segen, dass wir solche Mäzene haben. Die Österreicher beneiden uns darum. Die haben einen, und der ist bei uns (Anm. d. Red.: Peter Pühringer). «Ratings sind für den Gast da, nicht für den Hotelier», hat mir gegenüber kürzlich ein Hotelier geäussert (siehe GJ21). Ist das so?
Das ist so. Als ich 1997 in der «Bilanz» mein erstes Rating veröffentlichte, haben mir Hoteliers gedroht, rechtlich gegen mich vorzugehen, weil sie sich von mir nicht klassifizieren lassen wollten. Ich habe dann zu ihnen gesagt, dass ich das Rating nicht für sie mache, sondern für den Gast. Grundsätzlich finde ich es schön, wenn sich ein Hotelier darüber freut, und wenn es ihn ärgert, dann tut es mir leid, aber wie gesagt, das Hotelrating ist für den Gast da.
«Bei einem seriösen Rating oder bei Sternen habe ich eine Garantie»
In den letzten Jahren gab es in Ihrem Hotelrating keine grossen Verschiebungen bei den jeweils ersten drei Plätzen in den diversen Kategorien. Wie lange hat das Karl Wild-Hotelrating noch eine Daseinsberechtigung?
Noch lange. Denn nicht nur bei mir sind diverse Verschiebungen marginal, auch beim Guide Michelin haben seit Jahren 3 Restaurants 3 Sterne. Und obwohl man das weiss, schaut jeder nach dem Erscheinen des Guide Michelin nach, ob sich nicht doch noch was geändert hat. Also, wenn bei mir das Eden Roc oder das Bad Ragaz zum sechsten Mal auf dem ersten Platz liegt, dann zeigt das nur eines: Die sind gut! Mit Blick in die Zukunft der Schweizer Hotellerie. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Als Herausforderung sehe ich, dass wir dem relativ hohen Preis mit unseren Dienstleistungen gerecht werden können. Wir müssen die Gäste also überzeugen, dass wir die Besten sind – und im Bereich Service sind wir das definitiv.

 

Bewertungskriterien
  • Wertung der massgeblichen Hotel- und Restaurantführer
  • Qualitätskontrollen führender ­Hotelvereinigungen
  • Investitionstätigkeit
  • Gastfreundschaft
  • Charisma und Innovationsfreude des Hoteliers
  • Charakter und Originalität des Hauses
  • Lage, Freizeitangebot
  • Preis-Leistungs-Verhältnis
  • kategorienspezifische Angebote
  • Gästebewertungen

Lieblingsrestaurants

«Es ist immer ein Erlebnis, bei Heiko Nieder im The Dolder Grand zu essen, und genauso ein Erlebnis ist es für mich, im schönsten Restaurant in Graubünden zu sein, dem IN LAIN Hotel Cadonau in Brail (Foto) von ­Dario Cadonau», erzählt Karl Wild.