Hotellerie

Mehr über unsere Stärken sprechen

Christine Bachmann – 26. April 2017
Was ihn ­an- und umtreibt, was er für die Branche erreichen will und wo er Chancen sieht: Guido Zöllick im Gespräch.

Guido Zöllick stammt aus der Hansestadt Rostock, ist gelernter Restaurationsfachmann und führt als Gastgeber seit 2007 das Hotel Neptun in Warnemünde. Im November hat er die Nachfolge von Ernst Fischer angetreten und präsidiert den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bundesverband). GastroJournal: Seit November 2016 sind Sie im Amt. Was treibt und was streben Sie als neuer Präsident des Dehoga Bundesverbandes an?
Guido Zöllick: Aus Überzeugung und mit Dankbarkeit versuche ich, der Branche durch mein ehrenamtliches Engagement etwas zurückzugeben, was mir Gastronomie und Hotellerie ermöglicht haben. Berufliche Erfüllung, persönliche Weiterentwicklung, herausragende Perspektiven. In meinem Amt sehe ich mich als Dienstleister für eine der schönsten, abwechslungsreichsten und spannendsten Branche sowie als Anwalt für Millionen Gastgeber aus Leidenschaft, die tagtäglich ihr Bestes geben. Die Begeisterung für und mit Menschen zu arbeiten und die große Lust, Verantwortung zu übernehmen und zu gestalten, treiben mich an. In diesem Sinne freue ich mich auf ein intensives, hochpolitisches Jahr 2017 mit zwei ausstehenden Landtagswahlen und der Bundestagswahl im September. Jetzt gilt es, unsere Branchenanliegen besonders wirkungsvoll zu vermitteln. Wir werden uns in die politische Diskussion prominent einbringen und sind gespannt auf die Lösungsangebote der Parteien für nachhaltiges Wachstum im Gastgewerbe. Inwiefern ist es eine Herausforderung, in die Fusstapfen eines Schwergewichtes wie Ernst Fischer zu treten?
Ernst Fischer war ein Glücksfall für die Branche, daher haben wir ihn auch zum Ehrenpräsidenten gewählt. Seine Verdienste sind riesig, ich nenne beispielhaft nur die Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung oder die reduzierte Mehrwertsteuer für die Hotellerie. Seine Fußstapfen bleiben sichtbar. In diese trete ich und will den erfolgreichen Weg fortsetzen – dem Amt aber auch eigene Akzente geben. Dabei bin ich nicht auf unbekanntem Terrain unterwegs, ich kenne das Geschäft und seine Themen nach elf Jahren an der Spitze des DEHOGA Mecklenburg-Vorpommern und nach vier Jahren als stellvertretender Präsident des Bundesverbandes. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, wenn man konsequent, ehrlich und verlässlich auftritt, wenn man bei den Entscheidern mit guten Argumenten am Ball bleibt, dann kann man die Brancheninteressen am effektivsten vertreten.

«Ich möchte der Branche durch mein Engagement ­etwas zurückgeben»
Wie bringen Sie Ihre Tätigkeit als Hotelier und Gastgeber (Hotel Neptun, Rostock-Warnemünde) sowie Ihr Engagement für den Verband unter einen Hut?
Dafür bedarf es dreierlei Zutaten: Zuerst sicherlich gutes Zeitmanagement sowie strukturiertes und zielorientiertes Arbeiten. Dazu kommen tolle Mannschaften im heimischen Betrieb und beim Bundesverband in Berlin. Und drittens hat eine solche Doppelposition viel mit eigener Disziplin zu tun. Ich will etwas erreichen, daher hänge ich mich mit viel Energie rein. Bürokratie und Regulierungen bestimmen immer mehr den gastgewerblichen Alltag. Wie kann hier für die Gastgeber Linderung geschaffen werden?
Für unsere Betriebe gibt es auf kommunaler, auf Landes- und Bundesebene mehr als zwanzig Dokumentationspflichten – ob Allergeninformation, kommunale Bettensteuer oder Arbeitszeitdokumentation nach dem Mindestlohngesetz. Trotz anderslautender politischer Versprechen ist in den vergangenen Jahren sogar eine Vielzahl von Dokumentationspflichten noch hinzugekommen. Die Grenze der Belastbarkeit ist für viele mittelständische Betriebe, die unsere Branche prägen, überschritten. Gastwirte und Hoteliers wollen gute Gastgeber sein, am Schreibtisch können sie dieser Rolle nicht gerecht werden. Bürokratieabbau ist daher in unserem ‚DEHOGA-Wahlcheck‘, der an die Parteien und Kandidaten zur Bundestagswahl geht, ein ganz wichtiges Kapitel. Ein Lösungsansatz könnte unserer Meinung nach sein, einen Schwellenwert von zum Beispiel 20 Mitarbeitern zu definieren. Unter diesem Schwellenwert könnte grundsätzlich und in breiter Form auf erkennbar überflüssige und zeitraubende Bürokratie verzichtet werden. Zwei große Themen, die Sie bei Ihrer Amtszeit genannt haben und gegen die Sie vorgehen wollen, sind die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes sowie die steuerliche Gleichbehandlung von Speisen. Inwiefern sind Sie zuversichtlich, diese Ziele zu erreichen?
Zuversicht und noch mehr überzeugende Branchenargumente sind der Kompass, der uns leitet. Ende März haben wir in Berlin unsere Kampagne „Höchste Zeit für Wochenarbeitszeit“ gestartet. Das Arbeitszeitgesetz mit seiner Höchstgrenze von im Regelfall acht, im Höchstfall zehn Stunden widerspricht Gästewünschen, Mitarbeiterwünschen und Unternehmerwünschen. Unser Vorschlag lautet, das Arbeitszeitgesetz von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umzustellen. Einfaches Beispiel: Dauert eine Hochzeit an einem Freitagabend zwei Stunden länger, wird länger gearbeitet – dafür am Montag darauf zwei Stunden kürzer. So flexibel stellen wir uns Dienstleistung und Arbeitszeitpolitik im Jahr 2017 vor. Auch die steuerliche Gleichbehandlung von Speisen ist längst überfällig. Es ist doch niemandem vernünftig zu erklären, warum Essen im Sitzen anders besteuert wird als Essen im Stehen. Warum fallen für einen Fertigsalat mit Dressing sieben Prozent Mehrwertsteuer an, für einen frisch zubereiteten im Restaurant aber 19 Prozent? Hier fördert der Staat die falsche Richtung. Wir alle wünschen uns regionale, frische und gesunde Küche. Folgerichtig wäre also die steuerliche Gleichbehandlung. Übrigens: In 15 von 28 EU-Staaten gibt es genau diese reduzierten Steuersätze. Sieben Prozent wären zudem nur fair, weil die klassische Gastronomie unglaublich arbeitsintensiv ist. Auf den gleichen Umsatz kommen in der Gastronomie sechs Mal mehr Beschäftigte als zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel. Durch sieben Prozent Mehrwertsteuer entstünden also Spielräume für Investitionen, Arbeitsplätze und noch attraktivere Angebote unserer Betriebe. Ob Arbeitszeitgesetz oder steuerliche Gleichbehandlung – beides sind dicke Bretter, die wir da bohren. Aber dafür sind wir als DEHOGA bekannt.
«Die Grenze der ­Belastbarkeit ist für viele Betriebe überschritten»
Digitalisierung, Strukturwandel, fehlende Nachfolge, die Liste der Herausforderungen im Schweizer Gastgewerbe ist und bleibt lang. Wo sehen Sie zurzeit die grössten Herausforderungen für die deutschen Gastronomen und Hoteliers?
Mir ist wichtig, dass wir neben allen Herausforderungen mehr über unsere Stärke sprechen. Wir blicken auf den siebten Übernachtungsrekord und das siebte Plus in Folge. Der Tourismus befindet sich auf Wachstumskurs. Unser Jobmotor ist unglaublich stark: In den vergangenen zehn Jahren haben unsere Betriebe 285.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen – ein Plus von 38,5 Prozent. In der Gesamtwirtschaft waren es im Vergleich nur 18,3 Prozent. Ich finde, ein wenig mehr Selbstbewusstsein stünde uns gut an. Herausforderungen gibt es dennoch viele, da haben Sie Recht: Wir brauchen ein flexibleres Arbeitszeitgesetz und endlich die steuerliche Gleichbehandlung von Speisen. Wir brauchen weniger Bürokratie, dafür aber mehr fairen Wettbewerb in Zeiten der Digitalisierung. Die größte Herausforderung überhaupt ist es aber, Nachwuchs zu finden, zu binden und langfristig zu begeistern. Neben einer modernen Ausbildung sind die Betriebe unter anderem gefordert, beim Nachwuchsmarketing neue Wege zu gehen und stärker in die Ausbildungsqualität zu investieren. Stichwort Online-Buchungsportale: Die Online-Buchungen werden immer mehr, während im Vergleich dazu die Direktbuchungen sinken, da hilft auch eine Aktion „Direkt Buchen“ wenig. Inwiefern wird sich diese Entwicklung noch zuspitzen bzw. ist sie abwendbar?
In Deutschland wurde das Telefon im Jahr 2015 von den Online-Buchungsportalen als stärkster und damit bedeutendster Buchungskanal abgelöst. Dieser Trend wird anhalten. Und dennoch bringt unsere mit den europäischen Kollegen gestartete „Direkt-Buchen-Kampagne“ viel Rückenwind: Der Anteil der Echtzeit-Reservierungen über die eigene Website des Hotels steigt. Immer mehr Hotels machen mit und bewerben ihre Angebote offensiv. Gäste, Presse und Politik sind zunehmend sensibilisiert für das Thema. Gleichwohl gibt es noch großes Entwicklungspotenzial.
«Ein wenig mehr ­Selbstbewusstsein stünde uns gut an»
Die Marktbedingungen zwischen den verschiedenen Akteuren müssen ausgeglichener werden. Jeder einzelne Hotelier muss die Freiheit haben, die Preise und Bedingungen für seine eigenen Produkte frei bestimmen zu können und jeden von ihm gewünschten Vertriebskanal zu bedienen. Unsere Einschätzung teilen inzwischen immer mehr politische Entscheider. Es ist das Gebot der Stunde, einen rechtlichen Rahmen für die Plattformökonomie zu schaffen, der monopolistische Strukturen verhindert und zugleich Zukunftschancen eröffnet. Ein besonderes Augenmerk muss hier wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Portalökonomie gelten. Dann sind wir durchaus optimistisch, dass die Direktbuchungen in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die Abschaffung der Ratenparität beschäftigt zurzeit das Parlament in der Schweiz (Motion Bischof). In Deutschland ist sie teils bereits beseitigt, teils existiert noch die „enge Ratenparität“. Wie optimistisch sind sie, dass die Ratenparität auch in ganz Deutschland dereinst fällt?
Wir pochen auf fairen Wettbewerb und die Einhaltung von Gesetzen. HRS, Booking.com und Expedia haben mit ihren engen und weiten Meistbegünstigungsklauseln über Jahre gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstoßen und tun dies teilweise noch immer. Dem Hotelverband Deutschland – unserem Fachverband im DEHOGA Bundesverband – gebührt das Verdienst, durch sein Engagement Schaden von der Hotellerie abgewendet zu haben. Die Entscheidung des Bundeskartellamts und das Urteil des OLG Düsseldorf im Fall von HRS haben das Ende des Paritätenregimes für alle Portale eingeläutet. Das war für die Hotellerie ein wichtiger Schritt zur Wiedererlangung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit.
«Jeder einzelne Hotelier muss die Freiheit haben, die Preise frei zu bestimmen»
Auch die Sharing Economy (Airbnb & Co.) beschäftigt die gastgewerbliche Branche. Was sind die nächsten Schritte Ihres Verbandes betreffend dieser Thematik?
Der Gesetzgeber ist gefordert, für ein level playing field zu sorgen. Gleiche Rechte und Pflichten für alle Marktteilnehmer – ob neu oder etabliert, ob analog oder digital. Gleiches Schutzbedürfnis für alle Gäste. Zusammen mit dem Hotelverband Deutschland sind wir dafür in Berlin und Brüssel an allen relevanten politischen Fronten aktiv. Es kann nicht sein, Hotels mit immer kostenintensiveren Auflagen zu Brandschutz, Hygiene, Sicherheit und Barrierefreiheit zu überziehen, während sich in deren Schatten ein davon fast völlig unbehelligter Markt der Privatvermietung zum Konkurrenten aufschwingen kann. Was hat es mit ‚Sharing‘ zu tun, wenn milliardenschwere US-Plattformen reichlich Geld auf dem Übernachtungsmarkt verdienen, aber vielen Verpflichtungen und Regularien nicht unterliegen. Und für Ausbildung und Beschäftigung sorgen Airbnb und Co. schon gar nicht. Inzwischen regt sich erfreulicherweise immer mehr ziviler und gesetzgeberischer Widerstand. So gibt es eine Reihe positiver Entscheidungen wie die Zweckentfremdungsverbote in Berlin oder München, die Novellierung des hessischen Wohnaufsichtsgesetzes oder die Änderungen im Bauordnungsrecht. Besonders wichtig für uns ist auch das Urteil des Bundesgerichtshofes, wonach Privatvermieter ihre Wohnung nicht ohne Zustimmung des Eigentümers weiter vermieten dürfen. Es gibt viel Bewegung bei dem Thema – in die richtige Richtung. Unter dem Dach unseres europäischen Dachverbandes HOTREC haben wir ein Strategiepapier erstellt für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Entwicklung der sogenannten Sharing Economy. Letztendlich ist es die Aufgabe der Kommunen und Städte, konkrete Lösungen vor Ort herbeizuführen. Wir werden uns hier weiter im Sinne der Branche einbringen. Was wünschen Sie sich für ihre Amtszeit und die gastgewerbliche Branche im Allgemeinen in den nächsten Jahren?
Mein Ziel ist es, den Verband noch schlagkräftiger für die Zukunft aufzustellen. Wir müssen attraktiver für junge Unternehmer werden. Zudem müssen die Strukturen dort, wo es notwendig ist, angepasst werden. Hier gilt es, Synergien noch stärker zu nutzen und mögliche Doppelungen zu vermeiden. Inhaltlich ist es wichtig, sich klare Ziele und Marken zu setzen. Das gilt in einem Unternehmen genauso wie in einem Verband: Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes, steuerliche Gleichbehandlung von Speisen, Bürokratieabbau und fairer Wettbewerb – hier möchten wir im Bundestagswahljahr aktiv, lautstark, öffentlich und mit guten Argumenten punkten und Gehör finden. Politische Erfolge und noch bessere Angebote für die Mitglieder sind jedoch nur möglich, wenn wir auf allen Ebenen wachsen: konkret, mehr Mitglieder gewinnen und unsere Mitglieder mit unserer Arbeit begeistern. Zusatzfrage an Zöllick persönlich: Was ist Ihr Lieblingsrestaurant und weshalb?
Die für mich beste Köchin ist meine Mutter. Bei ihr esse ich auch besonders gerne, denn hier sind neben dem tollen Essen auch das Zusammensein und die Geborgenheit wesentliche Bestandteile des Wohlfühlens und Genusses. Generell bin ich sehr offen für die unterschiedlichsten Gastronomieangebote. Da bin ich bei einem saftigen Steak in einem Steakhaus genauso gern zu Gast wie bei meinem Lieblingsitaliener am Stadthafen der Hansestadt Rostock. Wichtig sind mir ein gepflegtes Ambiente und eine herzliche, aufmerksame Betreuung durch die Mitarbeiter.

Ein Lieblingsrestaurant

 GJ16 Hotel Rostock b

«Die für mich beste Köchin ist meine Mutter», sagt Guido Zöllick. «Bei ihr esse ich besonders gerne, denn hier sind neben dem Essen auch das Zusammensein und die Geborgenheit wesentliche Bestandteile des Wohlfühlens und Genusses. Generell bin ich offen für die unterschiedlichsten Gastronomieangebote. Da bin ich bei einem saftigen Steak in einem Steakhaus genauso gern zu Gast wie bei meinem Lieblingsitaliener am Stadthafen von Rostock (Foto). Wichtig sind mir ein gepflegtes Ambiente und eine herzliche, aufmerksame Betreuung durch die Mitarbeitenden.»