Am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship (SIFE) der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur ist Sebastian Früh Projektleiter am Kompetenz-Schwerpunkt «Digitale Strategien».
GastroJournal: Es existieren verschiedene Arten von Crowdfunding. Welche Art wird wann eingesetzt?
Sebastian Früh: Geht es rein um die Beschaffung von finanziellen Mitteln, spielen die Formen Crowdinvesting und Crowdlending sicher eine übergeordnete Rolle. Die Gegenleistungen für die Geldgeber sind monetär. Dies bedeutet beim Crowdinvesting, dass der Investor Anteile oder Gewinnbeteiligungen an einem Unternehmen erhält. Beim Crowdlending erhalten die Geldgeber als Gegenleistung Zinszahlungen und über eine festgelegte Laufzeit den zur Verfügung gestellten Betrag zurück. Eine weitere Form ist das reward-based Crowdfunding. Diese Form unterscheidet sich von den beiden vorangegangenen dadurch, dass die Geldgeber keine monetären Gegenleistungen erhalten. Hier sind es meistens Produkte, Dienstleistungen oder symbolische Gegenleistungen, mit welchen die Unterstützer als Gegenleistung rechnen können.
«Crowdfunding ist auch spannend für die Hotellerie»Sebastian Früh
Inwiefern ist Crowdfunding überhaupt etwas für die Hotellerie? Crowdfunding ist in allen seinen Facetten und Formen ein innovatives und mächtiges Instrument. Somit bin ich überzeugt, dass Crowdfunding auch spannend für die Hotellerie ist. Unsere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Crowdfunding in der Tourismus-Branche noch nicht üblich ist. Oft sind es wahrgenommene Risiken und fehlende Detailkenntnisse, welche Tourismusakteure davon abhalten, Kampagnen in Angriff zu nehmen. Es braucht Initianten, welche innovativ denken und die Bereitschaft zum Experimentieren mitbringen. Wieso wird diese Art der Finanzierung noch immer so «stiefmütterlich» von den Hoteliers genutzt? Hier sind Hoteliers nicht alleine. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass Crowdfunding zwar immer bekannter wird, jedoch zurückhaltend von Unternehmen eingesetzt wird. In den vielzähligen Kampagnen, die wir begleitet haben, hat sich herausgestellt, dass Crowdfunding anspruchsvoll ist. Denn wenn man es richtig machen will, ist die Vorbereitung und Betreuung einer Kampagne zeitaufwendig. Hier empfiehlt es sich auf Personen zurückzugreifen, die Erfahrungen in diesem Bereich mitbringen. Auch müssen Initianten dazu bereit sein, mit einem konkreten Vorhaben in die Öffentlichkeit zu treten und die Crowd dafür mit allen Mitteln zu begeistern. Österreich ist in Sachen Crowdfunding solide unterwegs (siehe unten). Inwiefern hinken wir da hinterher?
Der Schweizer Crowdfunding-Markt ist bis anhin ein wenig träger als die Märkte im nahen Ausland. Im Ausland ist es so, dass sich Plattformen
«Die Vorbereitung und Betreuung einer Kampagne sind zeitaufwendig»immer stärker auf Themen oder Zielgruppen spezialisieren. Ein gutes Beispiel für die Schweiz ist die Plattform «ibelieveinyou.ch», welche lediglich Projekte aufschaltet, die einen Zusammenhang mit dem Thema Sport aufweisen. Spezialisierte Plattformen für den Tourismus oder die Hotellerie konnten sich bis anhin in der Schweiz noch nicht etablieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Spezialisierung zukünftig dazu beitragen wird, den Crowdfunding-Markt in der Schweiz transparenter zu gestalten und somit weiter voranzutreiben. Wohin geht die Reise betreffend Crowfunding?
Crowdfunding hat sich im Bereich der Jungunternehmen und Start-ups bereits etabliert. Momentan ist ausserdem zu beobachten, dass ein starkes Wachstum im Crowdlending stattfindet. Dieser Bereich hat momentan grosses Potenzial, da in einem Niedrigzinsumfeld eine Win-win-Situation für Geldgeber und Geldnehmer realisiert werden kann und dadurch klassische Bankprodukte, wie Firmen- oder Privatkredite, ernsthaft konkurrenziert werden können (siehe auch unten). Auch bei reward-based Crowdfunding sehe ich künftig die Chance, dass sich diese Art zusätzlich zum Zweck der Finanzierung als eine neue Form des e-Commerce und Online-Marketings etabliert. Austausch zum Thema via: sebastian.frueh@htwchur.ch
Crowdfunding erfolgreich eingesetzt: Hotel Waldhaus
«Crowdfunding eignet sich sehr für die Hotellerie», ist Gastgeberin Daniela Berchtold vom Hotel Waldhaus auf der Bettmeralp überzeugt. Sie muss es wissen, konnte sie doch mit ihrer Familie mittels Crowdfunding auf dem Portal www.wemakeit.ch die neuen «Holz100 Hotel-Zimmer» mitfinanzieren (siehe GJ39/2016). Weiter hält sie fest: «Eine Crowdfunding-Kampagne ist nicht nur eine tolle Finanzierungsalternative, sondern bringt auch einen immensen Marketingeffekt mit sich.» So habe die mediale Resonanz und das Interesse bei den Stammgästen und der Destination ihnen sehr bei der Verbreitung der Kampagne geholfen. Crowdfunding könne zudem auch überraschende Nebeneffekte mit sich bringen. «Dank dem Crowdfunding ist die Firma www.holzgemacht.de aus Deutschland auf unser Projekt gestossen, und es ist eine lukrative Kooperation entstanden. Wir können Synergien im Marketing nutzen und dürfen in Zukunft potenzielle «holzgemacht»-Kunden bei uns zum Probewohnen begrüssen», freut sich Berchtold. waldhaus-bettmeralp.ch
Wachstumspotenzial für Crowdfinanzierung ist vorhanden
Wolfgang Kleemann hat nach der Matura eine Koch- und Kellnerlehre absolviert, war danach als Geschäftsführer für die Restaurants auf den Bodenseeschiffen zuständig, bevor er an der Wirtschaftsuniversität in Wien studierte – Fachrichtung Banken und Tourismus. Heute ist Kleemann neben diverser anderer Mandate als Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) tätig sowie Initiator der Crowdplattform «we4tourism».
«Crowdfunding funktioniert nur im Finanzierungsmix»Wolfgang Kleemann GastroJournal: Als Branchenlösung ist «we4tourism» bislang einzigartig.
Wolfgang Kleemann: Stimmt. Für die Initiative stark gemacht haben sich unter der Federführung der ÖHT alle wesentlichen Interessensvertretungen der Hotellerie und Gastronomie in Österreich. Die Plattform ist somit breit abgestützt. Sie ist zudem einzigartig, weil sie durch die Eingliederung in die ÖHT vom wichtigsten Tourismusfinanzierer des Landes getragen wird, dabei aber nicht versucht, eine eigene Crowdfunding-Plattform zu sein. Vielmehr versteht sie sich als «Plattform der Plattformen» und bietet damit allen bestehenden Plattformen die Möglichkeit, Projekte der Tourismus- und Freizeitwirtschaft im Vorfeld durch die Experten der Tourismusbank prüfen zu lassen. Diese Projektprüfung ist wesentlich für das Funktionieren der Plattform. Wieso? Was wird genau geprüft?
Es ist uns wichtig, nur erfolgversprechende Investitionsvorhaben zuzulassen. Durch unsere Marktkenntnis können wir sehr gut «vortesten». Konkret strukturiert die Tourismusbank im Zuge ihrer Projektprüfung die mögliche Finanzierung und stellt für das Projekt alle möglichen Förderungen, Haftungen und zinsgestützten Finanzierungen zusammen. Es werden somit noch vor Beginn der Kampagne die Finanzierungs- und Förderzusagen eingeholt und damit kann den Crowd-Investoren mitgeteilt werden: «Wir haben das Vorhaben geprüft und sind überzeugt, dass es wirtschaftlich Sinn macht.»
«Für Tourismusprojekte ist Crowdfunding grundsätzlich ungeeignet»Die Projekte «harzen» momentan noch. Wieso ist es schwierig Hoteliers und Tourisitiker zu finden, die auf diese Art der Finanzierung zurückgreifen?
Nein, die Projekte «harzen nicht», sondern es liegt im Wesen des Crowdfunding/Crowdinvesting, dass es für Tourismusprojekte grundsätzlich ungeeignet ist. Die Zinsen, die die Investoren erwarten, sind zu hoch. Nur zum Vergleich: Die ÖHT finanziert zurzeit mit Zinssätzen zwischen 0,0 und maximal 0,75 Prozent – da kann kein Nachrangdarlehen von Crowdinvestoren mithalten, die kosten je nach Projekt und Laufzeit zwischen 4 und 6 Prozent. Ausserdem sind die Laufzeiten in aller Regel zu kurz – die Crowd wünscht sich Kapitalbindungen von 2 bis 4 Jahren –, Tourismusfinanzierungen brauchen lange Laufzeiten – 10 bis 15 Jahre sind da meist der Bedarf. Also funktioniert Crowdinvesting im Tourismus nur in einem Finanzierungsmix – eben genau so, wie die Tourismusbank das anbietet. Wäre diese Art der Finanzierung auch für die Schweiz sinnvoll?
Grundsätzlich ja, weil der Schweizer Tourismus eigenkapitalnahe Finanzierungsformen genau so dringend braucht wie österreichische Unternehmen. Funktionieren kann es aber nur, wenn es gelingt, die konventionellen Finanzierungsbestandteile so zu strukturieren, dass Abschichtungserfordernisse für die Nachrangdarlehen der Crowd durch längere, tilgungsfreie Anlaufzeiten der Kreditlinien abgefedert werden. Und wenn die recht teuren Crowdfinanzierungen durch umso günstigere Kreditkonditionen ausgeglichen werden. Diese beiden Komponenten kann die ÖHT im Rahmen ihres Förderauftrages bringen. Ob schweizerische Banken das tun wollen und können, bleibt fraglich.
«Sparer freuen sich über attraktive Anlagemöglichkeiten»Wie wird sich diese Art der Finanzierung noch entwickeln?
Wir sehen für Crowdfinanzierungen ein riesiges Wachstumspotenzial, solange die Zinslandschaft sich nicht wesentlich verändert. Sparer bekommen bei den Banken keine Zinsen und freuen sich über attraktive Anlagemöglichkeiten. Banken indes werden, bedingt durch regulatorische Vorschriften, immer risikoscheuer und senken ihre Besicherungslimite. Sie freuen sich daher, wenn in Projekten ein guter Teil unbesicherter, eigenkapitalähnlicher Finanzierungsbestandteile aufscheinen: eine klassische Win-win-Situation also.