Hotellerie

Eine Tourismusbank löst vieles

Chritine Bachmann – 16. August 2017
Warum in Österreich in drei bis fünf Jahren die Tourismusfi­nan­zierung ohne die ÖHT nicht mehr stattfinden kann.

Wolfgang Kleemann hat nach der Matura eine Koch- und Kellnerlehre absolviert, war danach als Geschäftsführer für die Restaurants auf den Bodenseeschiffen zuständig, bevor er an der Wirtschaftsuniversität in Wien studierte – Fachrichtung Banken und Tourismus. Heute ist Kleemann neben diverser anderer Mandate als Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) tätig. GastroJournal: Die Österreichische Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) feiert Ihr 70-Jahr-Jubiläum. Eine kurze Bilanz?
Wolfgang Kleemann: Die ÖHT wurde als Treuhänderin für die aus dem Marshall-Plan zur Verfügung gestellten «ERP-Mittel» zum Wiederaufbau der österreichischen Wirtschaft gegründet. Wir halten diese Treuhandschaft bis heute, haben das Portfolio der ÖHT aber deutlich erweitert. Mit den «TOP-Krediten» haben wir unser Volumen vervielfacht. Dabei werden durch Zinsenzuschüsse des Bundes Kreditmittel, welche

«Wir haben frühzeitig die Tourismuswirtschaft ‹BASEL-III-fit› gemacht»
die ÖHT auf dem Kapitalmarkt aufnimmt, weit unter Marktkonditionen an die Betriebe vergeben. Lange Zeit war es die ÖHT, die solche zinsgünstigen Kreditmittel zur Verfügung gestellt hat, die Hausbanken der Tourismusunternehmen mussten aber das Risiko über Haftungen tragen. Da abschätzbar war, dass die Finanzierung von KMUs der Tourismuswirtschaft durch Regulatorien erschwert werden wird, haben wir uns vehement bemüht, von der Republik einen Haftungsrahmen zu bekommen. Wir haben damit bereits frühzeitig die Tourismuswirtschaft «BASEL-III-fit» gemacht und die Kreditklemme vermieden, welche die Hotellerie in ihren Investitionsmöglichkeiten lähmt – beispielsweise auch in der Schweiz. Im Jahresbericht steht, dass die ÖHT «inzwischen für die Tourismusbranche unverzichtbar geworden ist, weil sie seit der Gründung dazu beigetragen hat, dass eine kontinuierliche Neuerung möglich war». Wo stünde die österreichische Tourismusbranche heute ohne ÖHT, und könnte sie ohne deren Unterstützung überhaupt existieren?
Ja, das steht in unserem Jahresbericht – und zu Recht! Österreichische Hotels, Restaurants et cetera investieren jährlich rund eine Milliarde Euro. Wir waren im letzten Jahr bei fast 70 Prozent dieser Investitionen in irgendeiner Form dabei. Vor allem aber sind wir bei den Investitionsinhalten Themenführer. Dass Beschneiungsanlagen nur reines Wasser verwenden, war nicht immer selbstverständlich. In Österreich schon, weil wir Anlagen mit Chemieeinsatz nie gefördert haben. Dass in einem Hotelzimmer Bad und WC räumlich voneinander getrennt sind, schätzt jeder Gast. Wir haben zu diesem Qualitätsplus beigetragen, weil wir seit den späten 80er-Jahren Investitionen nur unter dieser Auflage fördern. Unsere seit 2014 geltenden neuen Förderschwerpunkte tragen ausserdem zur Stärkung der Ressourceneffizienz bei oder dass beispielsweise in Mitarbeiterunterkünfte verstärkt investiert wird. Fakt ist: In der Zukunft wird die ÖHT noch wichtiger. Die Regulatorien um BASEL III und alles, was da noch kommt, werden eine ÖHT unverzichtbar machen. Ich gehe soweit zu sagen, dass in drei bis fünf Jahren Tourismusfinanzierung ohne uns gar nicht mehr stattfinden kann.
«Die ÖHT steht NICHT für Strukturerhaltung»
In der Schweiz spricht man sich explizit gegen eine Tourismusbank aus. Es gibt zwar die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH), aber deren Auftrag spricht sich explizit gegen Strukturerhaltung aus. Warum zieht hier Österreich in eine andere Richtung?
Vorweg ganz klar: Die ÖHT steht NICHT für Strukturerhaltung, sondern für Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Wir konservieren keine überalteten Angebote, sondern machen sie international marktfähig. Wir fördern kein «more-of-the-same», sondern helfen Betrieben, ihr Angebot zu diversifizieren und qualitativ und quantitativ zu optimieren. Die Diskussionen in der Schweiz habe ich verfolgt, und es gab ja auch mehrere Gespräche mit uns. Ich persönlich halte die Schweizer Entscheidung für falsch und glaube, dass durch eine Schweizer Tourismusbank viele Probleme der Tourismusbetriebe gelöst oder verringert werden könnten. In der Schweiz ansässige KMU-Hotels haben kaum Chancen, Finanzierungen von Kommerzbanken zu bekommen. Die Konsequenzen sind klar: Entweder veraltet das Angebot oder Investitionen werden aus dem Verkauf von Liegenschaftsteilen quersubventioniert. Schaut man sich die Eigenkapitalsituation der Betriebe an, so sind 14 Prozent bei den 4- und 5-Sterne-Betrieben und 6 Prozent bei den 3-Sterne-Betrieben äusserst tief. Inwiefern kann da von eigenständig die Rede sein?
Grundsätzlich bin ich bei Ihnen: Eigenkapital kann man nie genug haben. Ganz so schlimm, wie Sie das darstellen, geht es den von uns finanzierten Unternehmen aber nicht. Sie verbessern ihre Kennzahlen kontinuierlich – die Eigenkapitalausstattung liegt aktuell (Anmerkung: Bilanzjahr 2016) bei 16 Prozent in der 3-Stern-Kategorie und bei etwas über 14 Prozent in der 4- und 5-Stern-Hotellerie. Beachten muss man dabei, dass es sich um statistische Daten handelt und man leicht dazu neigt, hier der „Durchschnittsfalle aufzusitzen“. Die gehobene österreichische Hotellerie ist eigenkapitalmässig deutlich besser aufgestellt – die besten 25 Prozent aller unserer Kreditnehmer haben Eigenkapital-Quoten deutlich jenseits der 30 Prozent. Wichtiger als der Blick auf bilanzmässiges Eigenkapital (in dem ja oft auch stille Reserven versteckt sind) scheint mir der Blick auf die Entschuldungsdauer, und da liegt die Hotellerie mit 10 bis 14 Jahren durchaus gut drin. Bei wesentlichen Zinsänderungen würde es aber eng, das gebe ich zu. Deshalb ist es ja mein Hauptanliegen, den Unternehmen langfristige Zinsvorteile bereitzustellen. 94,3 Prozent aller Fördermittel der ÖHT kommen Kleinbetrieben zugute und unterstützen somit die klassische Familien- und Ferienhotellerie: Inwiefern liegt das daran, dass dieses Segment die Unterstützung am dringendsten benötigt?
Stimmt. Die Förderpolitik zielt auf klassische Familienunternehmen ab, die zugleich Eigentümer als auch Betreiber eines Betriebes sind und die kaum andere Finanzierungsinstrumente als Kredite ansprechen können. In der Konzernhotellerie ist zumeist das Eigentum am Betriebs- objekt fondsfinanziert, und der touristische Betrieb wird von einer Kette über Pacht oder Management geführt. Diese Strukturen brauchen uns nicht! Sie schütten ERP-Kleinkredit (10 000 bis 500 000 Euro) zu Fixzinskonditionen von 0,5 Prozent an Jungunternehmer aus, die ihre Fähigkeiten in der Regel noch nicht mit erfolgreichen wirtschaftlichen Ergebnissen belegen können, und übernehmen auch die Haftung für diese. Wie viele dieser Kredite werden am Ende zurückbezahlt, beziehungweise wie viele Geschäfte platzen am Ende?
Wir prüfen jedes Engagement sorgfältigst und haben die mit Abstand grösste und bestgewartete Datenbasis über die österreichische Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Daraus sehen wir sehr genau, was tatsächlich erreichbar ist. Dann lernen wir die Unternehmer in Gesprächen kennen und versuchen, Ideen, Fähigkeiten und Visionen zu verstehen. Wir sind bei allen Kreditengagements über 200 000 Euro vor Ort und machen uns aus dem Unternehmensumfeld ein Bild, auf dem wir unsere Kreditentscheidung aufbauen. Die Digitalisierung ist ein grosses Thema. Was tut die ÖHT, um die Digitalisierung zu fördern in der Hotellerie, in der Gas­tronomie und im Tourismus?
«Wir sind bei den ­Investitionsinhalten ­Themenführer»
Da haben Sie einen wunden Punkt getroffen, den ich nur ganz ehrlich beantworten kann: Wir tun für dieses Thema, das ich für die grösste Herausforderung der Branche «seit Erfindung des Hallenbades» halte, viel zu wenig. Wir haben in den letzten Tagen eine Förderaktion abgeschlossen, die über einen Call besonders innovative Digitalisierungsprojekte ganz intensiv gefördert hat – Barzuschüsse zwischen 50 und 70 Prozent der Projektkosten konnten wir da vergeben, aber die gesamten Mittel waren auf 1 Million Euro beschränkt. Das ist ein erster Leuchtturm, aber viel zu wenig, um wirklich branchenweit Signale setzen zu können. Aber wir arbeiten dran. Sie haben gesagt, dass Sie Crowdfunding vor allem in einem Finanzierungsmix sehen. Inwiefern wird die ÖHT weiter mit diesem Instrument arbeiten?
Unsere Crowdfunding-Aktivität we4tourism.at wurde mit den Partnern Wirtschaftsministerium, Wirtschaftskammer mit der Bundessparte und den Fachverbänden Hotellerie und Gastronomie und der Österreichischen Hoteliervereinigung ins Leben gerufen. Die Liste dieser Stakeholder zeigt ganz klar: Wir meinen es ernst! Wir haben unsere ersten Projekte erfolgreich platziert und sehen, dass unsere Idee, Crowdfunding als Ergänzung zu klassischen Förderungen mit den Instrumenten Zuschuss, zinsgünstiger Kredit und Haftung zu sehen, perfekt zieht. Meine diesbezügliche Schätzung halte ich aufrecht. Ich gehe für die Tourismusbank davon aus, dass innerhalb von drei Jahren jedes zehnte Finanzierungsprojekt auch Crowd-Bestandteile enthalten wird.
  • 2016 haben Sie ein gefördertes Gesamtinvestitionsvolumen von rund 663 Mio. Euro erreicht. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Hotellerie, die rund 58 Prozent der Förderzusagen erhielt. Die grossen Themen sind die Betriebsoptimierung bzw. die Qualitätsverbesserung. Obwohl Sie diese Entwicklung begrüssen, halten Sie fest, dass viele Hotelbetriebe zu klein sind, um wettbewerbsfähig zu sein:
  • Was bedeutet zu klein?
  • Was muss getan werden, damit sich das ändert?
Optimale Betriebsgrösse ist nicht als allgemeingültiger Massstab zu sehen, sondern hängt von der Unternehmens- und Eigentümerstruktur ab, aber auch von der Gästestruktur. Im Schnitt haben österreichische Hotels derzeit 34 Betten, die Kreditnehmer der ÖHT weisen eine Kapazität zwischen 90 und 100 Betten aus – also maximal 50 Zimmer. Jedes zusätzliche Bett beziehungsweise Gästezimmer bringt da – touristische Nachfrage natürlich vorausgesetzt – sehr deutliche Deckungsbeiträge, weil durch eine leichte Kapazitätsaufstockung ja keine zusätzlichen Fixkosten entstehen. Wir versuchen unsere Kunden zu animieren, in überschaubarem Ausmass solche Kapazitätserweiterungen zum Zweck der Ertragsoptimierung vorzunehmen. Besonderes Augenmerk legen wir dabei darauf, dass alternative Beherbergungsprodukte entstehen, die hohen Erlebniswert haben; das Spektrum der möglichen Ideen reicht da von Hotelzimmern auf Baumkronen über Tipis bis hin zu sehr schön designten Bungalow-ähnlichen Einzelgebäuden. Wohin geht die Reise der ÖHT?
Die ÖHT wird immer mehr One-stop-Shop, und wir vernetzen unsere eigenen Förderaktivitäten mit denen der Länder und vor allem auch mit jenen der EU. Ein weiterer Teil der Reise habe ich bereits umrissen: Ohne ÖHT werden Finanzierungen nicht mehr stattfinden können, daher muss unser Haftungsrahmen entsprechend gross sein. Wir stehen in Österreich vor Neuwahlen, dennoch hat die scheidende Regierung eines noch getan: Sie hat in der letzten parlamentarischen Sitzung zusätzliche 125 Millionen Euro Haftungsrahmen beschlossen und uns damit in die Lage versetzt, den Tourimus weiter zu finanzieren. Das zeigt klar und deutlich, dass der enorme Stellenwert der Tourismus- und Freizeitwirtschaft über alle Parteigrenzen hinaus erkannt wird.