Hotellerie

Digitalisierung: mal Chance, mal Gefahr

Benny Epstein, Caroline Goldschmid – 25. November 2020
1980 bestellte der Koch seine Waren per Fax. Und heute? Immer noch! Nicht alle Köche tun dies so, aber viele. Das führt zu Fehlern. Eine Gratis-App hilft. Ein Blick auf technische Hilfen und Tücken fürs Restaurant und fürs Hotel.

Ein Roboter im Hotel, eine App fürs Restaurant: Die Hotellerie- und Gastronomiebranche wird immer digitaler. Viele Arbeitnehmer befürchten, es brauche immer weniger Menschen, und bangen um ihre Arbeitsplätze. Ein Trugschluss. Denn die moderne Technik wird viel mehr zur Entlastung der Menschen genutzt, zur Verbesserung von Prozessen. Einen warmherzigen Gastgeber mit einem einladenden Lächeln wird ein Automat nie ersetzen können. Es ergibt also durchaus Sinn, sich mal wieder einen Überblick zu verschaffen, was die Welt der Technik mittlerweile zu bieten hat. Das GastroJournal blickt auf sechs Beispiele und zeigt, wo sich Chancen bieten und wo Gefahren lauern. Wo man dank einer digitalen Lösung Zeit sparen und Fehler vermeiden kann. Und welche Angelegenheit juristisch heikel werden könnte.

Keine Bestellungen mehr per Fax und Anrufbeantworter

Rötelifilets aus dem Zugersee, Kalbsgeschnetzeltes nach Zürcher Art, Rösti und Capuns: Im Gilde-Gasthaus Degen in Hü­nenberg ZG gehts traditionell zu und her. Aber eben nicht nur auf dem Teller, sondern bis vor Kurzem auch noch bei der Warenbestellung. Oliver Girstmair, Informatiker und Sohn des Wirts, sah, wie sein Vater Emil via Fax und Anrufbeantworter bestellte. So kam er Ende 2019 auf die Idee, gemeinsam mit seinem Kollegen Swen Koller die App «Bravo» aufzubauen. Mittlerweile arbeiten in der Deutschschweiz mehrere Dutzend Betriebe mit der App. Sie verbindet Betriebe mit Lieferanten und digitalisiert den Bestellprozess. Für Restaurants ist die Nutzung gratis. Das Feedback ist hervorragend. Nicoló Baretti vom Zürcher Restaurant Camino berichtet: «Mit der App geht es schneller. Und ich sehe immer, was mein Souschef bestellt.» Dario Lombardi vom Restaurant Rosaly’s in Zürich lobt: «Mit der App sparen wir bei jeder Bestellung fünf Minuten.» «Bravo» ist simpel zu bedienen und kann abfotografierte Bestellscheine lesen. Unter orderbravo.ch lässt sie sich aufs iPhone oder Android-Gerät herunterladen.

Digital statt Papier bei den Hygienekonzepten

Kürzlich lancierte GastroSuisse HygieneControl, das digitale Hilfsmittel für die Umsetzung von Hygienekonzepten. Es unterstützt die Hotellerie und Gastronomie bei der Entwicklung und dem reibungslosen Ablauf des Hygienekonzeptes im Betrieb. Für diese Webanwendung braucht es nur einen Computer und eine Internetverbindung. Die Lizenz ist in zwei Versionen erhältlich. Die Kompaktversion ist für Einrichtungen der Kategorie C und D vorgesehen, die Vollversion für Einrichtungen der Kategorie A und B. Das Programm verlangt eine Reihe von Angaben wie die Zahl der Gäste und der Beschäftigten und wird daher die Lizenz anbieten, die der Grösse der Einrichtung entspricht. Bis heute haben Gastgeber bereits einige wenige Lizenzen erworben. Die Vorteile der digitalen Version liegen auf der Hand: Es gibt kein Papier mehr, die Gastgeber müssen das Formular nicht jedes Mal wieder ausfüllen, denn wenn die wichtigsten Daten im System eingegeben sind, bleiben sie gespeichert. Es gibt bereits Pläne, das Produkt nächstes Jahr weiterzuentwickeln und mit neuen Funktionen aufzuwerten.

Claude Babey, Direktor Kundentools bei Gastroconsult

Das Gastroconsult-Geschäftsleitungsmitglied Claude Babey gilt als Spezialist für Digitalisierung. Er rät: «Für die Planung und Kontrolle der Arbeitszeit empfehlen wir GastroTime, das sehr funktional, flexibel und für jeden erreichbar ist. Weil die Datenbank zentralisiert ist, können Sie von überall her arbeiten. Für die Lohnverwaltung funktionieren die GastroSocial-­Lohnanwendungen sehr gut. GastroFix wiederum ist eine ­digitale Registrierkasse, die in die mit Abacus geführte Buch­haltung integriert werden kann.» Ein Unternehmer mit nur drei oder vier Mitarbeitenden soll, so Babey, zumindest das Lohn- und Arbeitszeitmanagement sowie die Buchhaltung digitalisieren. Das spare Zeit, die man mit Präsenz bei den Kunden nützen könne, und führe zur Kostenkontrolle. Die Krise habe dazu geführt, dass mehr Betriebe über ihre Website einen starken Auftritt in den sozialen Netzwerken haben und so beispielsweise Take-away-Produkte bewerben.

Welche Daten über den Gast darf man hinterlegen?

Frau Meier: stilles Wasser, allergisch auf Mandeln. Herr Müller: Lieblingstisch ist Nummer 27, nicht nach Dessert fragen. Viele Restaurants führen heute eine Gästekartei, die Daten sind digital hinterlegt. Doch welche Daten darf man denn erfassen? Silvia Böhlen, Sprecherin des Eidgenössischen Daten­schutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, klärt auf: «Im Prinzip braucht es das Einverständnis des Gastes.» Kriegt dieser beim wiederholten Restaurantbesuch ungefragt sein stilles Wasser und scheint diese Aufmerksamkeit zu schätzen, darf dies als stillschweigendes Einverständnis gewertet werden. Böhlen: «Heikel wird es aber, wenn etwa die politische Gesinnung oder die Religion des Gastes notiert wird.» Frau Jenni ist Muslimin, trinkt kein Alkohol und isst kein Schweinefleisch – wenn solche besonders schützenswerte Daten registriert werden, brauche es eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person. «Auf Nachfrage des Gastes müssen ihm auch die über ihn gespeicherten Daten gezeigt und auf Wunsch gelöscht werden.» Ansonsten drohen Zivilklagen. Ob man es mit dem Gast eigentlich nur gut gemeint hat, spielt dann keine Rolle mehr.

Corona spielt der Digitalisierung in die Karten

Vom Roboter, der den Room-Service erledigen, den Gästen Drinks zubereiten und am Piano für die musikalische Unter- haltung sorgen wird, ist seit Jahren die Rede. Im Technik-Mekka Japan werden solche Roboter teils bereits eingesetzt, hierzulande schafften sie es aber noch nicht über den Status als amüsanter Blickfang an Events heraus. Doch auch in der Schweiz werden Hotels digitaler. So setzen gerade Business- und Budget-Hotels vermehrt auf kontaktloses Check-in. Der Betrieb spart Personalkosten, der Gast Zeit. Kann der Gast via App auf seinem Smartphone einchecken, bietet dies den zusätzlichen, gerade während der aktuellen Pandemie nicht zu unterschätzenden Hygienevorteil. «Hotels setzen zunehmend auf kontaktloses Check-in, automatische Türen und verbesserte Hygiene», hält die Handelszeitung fest. Wer kann, investiert jetzt in solche Verbesserungen. Was braucht der Gast, damit er sich wohlfühlt? Mit der neusten Technik kann der Gast sein Hotelzimmer mit seinem eigenen Smartphone öffnen, Spa-Buchungen und ­Restaurantreservationen tätigen und zum Abschluss seines Aufenthalts auschecken. Was vor einem Jahr noch als un­persönlich galt, dürften mittlerweile viele Gäste als komfortable, der Zeit entsprechende Lösung betrachten. Doch auch hierbei gibt es wohl nicht nur die eine, absolute Wahrheit. Während die einen Gäste nun nach der klinisch sauberen Lösung suchen, dürften sich andere Gäste gerade jetzt dort am wohlsten fühlen, wo sie vom gleichen Gastgeber zum wiederholten Mal willkommen geheissen werden. Es braucht eben beides: die Technik und den Mensch.

Die richtigen Kunden aufspüren

In der Deutschschweiz werden die Kundendaten immer noch weitgehend mit einem Kugelschreiber auf Papier erfasst. Diese Methode hat viele Nachteile. Zunächst einmal sind die Daten vertraulich: Jeder kann die eingegebenen Namen und Telefonnummern einsehen. Zweitens besteht das Risiko, dass die vom Kunden eingegebenen Kontaktdaten falsch sind. Schliesslich muss der Gastgeber 14 Tage lang eine bestimmte Menge an Blättern aufbewahren, ein Ablagesystem einrichten und die Blätter zu gegebener Zeit wieder vernichten. In der Westschweiz ist die digitale Nachverfolgung seit diesem Herbst weit verbreitet, und in einigen Kantonen wie im Jura schreibt der Staat eine bestimmte Anwendung vor (in diesem Fall Eat’s me). SocialScan/SocialPass heisst es im Kanton Waadt, Eat’s me ebenfalls in Neuenburg. In Genf wird die CoGa verwendet, in Freiburg ok-resto. Die Tracing-Apps sind die gleichen, und alle funktionieren nach demselben Prinzip – eine Version für den Gastgeber und eine andere für den Kunden. Die Sammlung von Daten auf Papier sollte zur Ausnahme werden, um die Arbeit der Kantonsärzte zu erleichtern. Wann ist eine Ausnahme angebracht? Für Touristen, für ältere Menschen, die kein Smartphone besitzen, oder wenn die Qualität des Netzes schlecht ist. Nur dann sollten Name, Vorname und Telefonnummer auf einem Blatt Papier notiert werden.