Hotellerie

Die 35 besten Ferienhotels. Was sagt uns das?

Christine Bachmann – 26. Mai 2017
Auch die Schweiz kennt ihre Hotel-Ratings, eines der bekanntesten ist soeben erschienen. Wieso Ratings für den Gast und nicht den Hotelier sind – und was sie nützen.

Ratings hier, Ranglisten da, Auszeichnung der Bewertungsportale da, Prämierungen der Buchungsportale dort. Die Listen sind lang, die weltweit das beste, schönste, funktionalste Hotel in den Himmel loben und meist vor Subjektivität nur so strotzen. Denn ob ein Betrieb den Rating-Olymp erklimmt, hängt von den Erstellern einer solchen Liste ab. Zwar mag fehlende Subjektivität weniger bei breitabgestützten Ratings wie beispielsweise jenen der Online-Portale der Fall sein, dafür umso mehr bei jenen, die von einzelnen Personen geführt werden. Solche Ratings kann man mögen oder auch nicht, man kann sie wahrnehmen oder auch nicht, man kann sie akzeptieren oder auch nicht – und man kann sie hinter­fragen. Letzteres hat GastroJournal mit einer dieser zahlreichen Listen getan. Konkret mit der am letzten Wochenende erschienenen Schweizer Hotel-Rating-Liste «Die 35 besten Ferienhotels»: eine Analyse der Liste sowie ein Gespräch über deren Sinn mit Gastgebern von Familienbetrieben, die darauf zu finden sind. «Die in Ratings als beste Ferienhotels in der Schweiz genannten Betriebe werden praktisch nur von Mäzenen unterstützt. Was sagt uns das?», monierte kürzlich der langjährige Direktor Peter Mennig vom Hotel Beatus in ­Merligen gegenüber GastroJournal. Denn wer einen Millionär im Rücken habe, der könne vergleichsmässig einfach mehr und leichter in seinen Betrieb investieren – und somit auch bei Ratings mehr glänzen. «Wenn diese Ratings auch die Wirtschaftlichkeit berücksichtigen würden, dann gäbe es praktisch kein Haus, das sich mit einer wirtschaftlichen Basis auf einer­ Spitzenposition halten könnte.» Eine Aussage, die ihre Berechtigung hat, wie eine Auswertung der «Die 35 besten Ferienhotels»-Liste zeigt (siehe ­Grafik oben). Denn unter den 35 Betrieben befinden sich gerade einmal 7 Hotels in Familienbesitz (mehrheitlich auf den hinteren Plätzen 6, 18, 19, 21, 24, 32 und 35); Betriebe also, bei welchen die Wirtschaftlichkeit im Zentrum steht, denn nur so können sie langfristig überleben und auch zu Gunsten der Gäste investieren. 15 Betriebe indes befinden sich in Händen eines Mäzens sowie die restlichen 13 in jenen eines oder mehrerer Investoren. Während man bei Letzteren noch sagen kann, dass diesen eine Rendite und infolgedessen die Wirtschaftlichkeit des Hotels am Herzen liegt, kann man bei den Liebhaber-Betrieben durchaus davon ausgehen, dass Wirtschaftlichkeit nicht zwingend ein Ziel ist, oder einfach nur «nice to have». Interessant an diesem Rating ist zudem, dass sich rund die Hälfte der Betriebe in den Hotspots Zermatt (6), Gstaad (5), St. Moritz (5) sowie Ascona (3) befinden. Hinzu kommt, dass ein Grossteil der meist ohnehin sehr bekannten Betriebe mit 5-Sternen klassifiziert ist. Das Rating der «Die 35 besten Ferienhotels» zielt offensichtlich (mehr) auf Glanz jenseits von Wirtschaftlichkeit ab. Aber das stört nicht, jedenfalls nicht die wenigen Gastgeber der im Rating genannten Familienbetriebe: Denn Ratings seien für den Gast da und den interessiere nun mal die Wirtschaftlichkeit eines Betriebs wenig, gibt unter anderem Gastgeber Heinz Julen vom Backstage Hotel Vernissage & Luxury Chalet in Zermatt zu bedenken (Anm. d. Red.: Heinz Julens Betrieb war 2016 auf dem 29. Platz der Liste und ist heuer rausgefallen). Er könne zwar den Gedankengang nachvollziehen, dass es schön wäre, wenn bei solchen Ratings auch darauf geschaut würde, ob ein Betrieb auch tatsächlich funktioniere, aber «letztlich entscheidet das Produkt beim Kunden». Dass ein Ranking nach betriebswirtschaftlichen Erfolgen anders aussehen würde, davon ist zwar Gastgeber Daniel F. Lauber vom Cervo in Zermatt überzeugt. «Aber auf der anderen Seite sind diese Betriebe auf dem Markt, und solange sie die Zimmerpreise oben halten, hilft es uns privaten, betriebswirtschaftlich geführten Hotels auch, eine gesunde Preispolitik zu rechtfertigen.» In die gleiche Kerbe schlägt Gast­geber Patrick Dietrich vom Waldhaus in Sils Maria. Er betont, dass es für den Gast nun einmal im Allgemeinen nicht interessant ist, ob ein Betrieb rentiere oder nicht. «Für uns als Familienbetrieb ist es natürlich herausfordernd, im ständigen Vergleich zu sein mit den Häusern von Investoren und Mäzenen.» Aber das seien sie ja nicht nur bei den Ratings, sondern auch im Alltag ganz allgemein. Roland Schegg vom Institut für Tourismus HES-SO Valais-Wallis hält fest: «Generell geht es ja um kommerzielle Produkte, bei denen der wissenschaftliche Ranking-Aspekt schon fast zweitrangig ist. Wichtig sind die Marke und das Vertrauen, das der Endkunde hat. Dass es dabei auch zu unverdienten Begünstigungen kommen kann, ist schon fast natürlich.» Aber was bringen Ratings am Ende – ausser Frust bei den kleineren, unbekannteren Hotelbetrieben? «Wir werden sehr oft von Schweizer Gästen auf das Rating angesprochen», sagt Heinz Julen. Für Gastgeber Daniel F. Lauber bringen Ratings Motivation für das Team sowie etwas Public Relations für den Schweizer Markt. Letzteres kann auch Gastgeberin Tamara Cadonau vom Relais & Châteaux In Lain Hotel Cadonau in Breil bestätigen: «Ratings bringen uns viel. Es wird von uns gesprochen, wir sind in den Medien und haben Ansporn, im kommenden Jahr besser zu werden.» Gerade ein Rating wie das der «Die 35 besten Ferienhotels» sei wichtig, um neue Schweizer Gäste zu gewinnen, gibt weiter Gastgeber René Hürlimann vom Resort Hotel Alex Zermatt an. «Wir werden regelmässig auf unser Rating angesprochen – das freut uns natürlich und motiviert unsere Belegschaft.» Ratings nützen also, zumindest denjenigen, die genannt werden. Nischenhotels bleiben da meist hinten vor. Aber warum eigentlich? «Juroren suchen für solche Rating-Listen oft nicht Nischenhotels, sondern setzen lieber auf die grossen Palaces», kann sich ein Hotelier einen Seitenhieb nicht verkneifen, «denn dort können sie sich nicht nur einen Urlaub gönnen, sondern für ihr Medium auch noch Inserate generieren.» Unrecht hat er nicht, aber am Ende ist es mit Ratings genauso, wie es Roland Schegg auf den Punkt bringt: «Solange solche Rankings von den Kunden genutzt werden und Entscheide beeinflussen, muss man sie ernstnehmen. Man kann lange ­darüber fluchen, wenn der Endkunde den Service nutzt, muss man damit ­leben, wobei natürlich grobfahrlässige Verzerrungen geahndet werden müssten. Man kann also höchstens den Ruf, respektive das Verfahren des Rankings in Frage stellen und gegebenenfalls Transparenz fordern.»