Basel. Schifflände. Drei König-Weglein. Grand Hotel Les Trois Rois. Wer das historische Grand Hotel betritt, betritt nicht nur ein Hotel, sondern begibt sich auf Zeitreise. Eine Reise in eine Welt, in der es Positionen wie diejenige des Liftboys noch gibt. Liftboy? Ja, Liftboy. Auch wenn der «Boy» sich am Ende als erwachsener dreifacher Familienvater entpuppt und schweizweit der letzte seiner Art ist. «Wie geht’s? Schön sind Sie da!», sagt Oldemar Zurita am Eingang des Grand Hotel und nimmt den Gast mit seiner offenen südamerikanischen Art sofort für sich ein. Wen wundert es da, fährt der Gast gerne mit Zurita Lift – selbst wenn es nur in den ersten Stock geht. Das Erlebnis, der kurze zwischenmenschliche Austausch zählt. Und Letzterer kann schon mal länger dauern, denn weder die Geschichten der Gäste des Grand Hotels, noch jene von Zurita sind alltäglich.
«Mit 12 Jahren sah ich das erste Mal ein Auto»Denn Oldemar Zurita ist fern des 5-Sterne-Luxus, ja fern jeglicher Zivilisation aufgewachsen: im Urwald, in Ecuador. «Erst mit 12 Jahren, als ich mit meiner Mutter in die Stadt zog, sah ich das erste Mal ein Auto.» Fern vom Urwald, urban zu leben, sich «normal» zu kleiden et cetera sei anfänglich «too much» für ihn gewesen. Erst mit der Zeit habe er sich an dieses Leben gewöhnt, erinnert er sich. Und ausgerechnet diesen Jungen sollte es später in ein 5-Sterne-Luxushotel verschlagen. Doch zurück nach Südamerika. Oldemar Zurita beendete die Schule und begann mit 16 Jahren für seinen Stiefvater zu arbeiten, der ein Reisebüro besass. «Ich war Rucksack- und Kofferträger und Reiseführer im Urwald – und habe durch diese Tätigkeit dann auch Englisch gelernt.» So vergingen gut drei Jahre, bevor er mit 20 Jahren seine Frau Silvia kennenlernte, eine Schweizerin und studierte Botanikerin. «Ich habe sie gefragt, ob sie sich für den Urwald, die Pflanzen und Tiere interessiere und mit mir auf eine Tour kommen wolle. Sie wollte und so haben wir uns kennengelernt», erzählt er. Botanik und Pflanzen, ein Gebiet, das Oldemar Zurita bis heute nicht losgelassen hat. Da drückt wohl das Blut seines Grossvaters durch, eines Schamanen, der sein Wissen an ihn weitergegeben hat. Wegen Silvia, mit der er heute noch glücklich verheiratet ist, kam Zurita dann 2001 erstmals in die Schweiz. «Das war für mich nochmals eine ganz neue Welt. Wir in Südamerika sind alle so offen, allen gegenüber, und ich dachte, die Europäer ticken gleich.» Ein Irrtum. Inzwischen habe er sich an das Leben und die Menschen hier gewöhnt. In den ersten Jahren in der Schweiz hat Oldemar Zurita dann noch eine Ausbildung zum «International Wildnisführer» absolviert und leitete Survival Trainings in Deutschland, Österreich und Schweden. Weiter war er für Schulklassen im Botanischen Garten in Basel zuständig sowie in anderen Jobs tätig, bevor es ihn am Ende ins Grand Hotel verschlug.
«Wir in Südamerika sind alle so offen, allen gegenüber»Vom Urwald ins Trois Rois, überspitzt gesagt. Also ehrlich, wieso ausgerechnet ein Luxushotel? «Ganz einfach», sagt er mit seinem verschmitzten Lachen, «wir haben damals direkt um die Ecke gewohnt.» So simpel können manchmal die Gründe sein. Und so begann Oldemar Zurita vor dem grossen zweijährigen Umbau im Trois Rois als Tellerwäscher. Als das Haus nach dem Umbau wiedereröffnet wurde, fragte er beim Personaldienst an, ob er wiederkommen dürfe. Er durfte und sein Leben als Liftboy begann. Was er am Beruf schätze? «Den Kontakt zu den Menschen. Ich bin neugierig und liebe es, Leute zu sehen und mit ihnen in Kontakt zu treten», sagt Zurita. Und im Luxushotel sei das im Gegensatz zu einem normalen Hotel sehr interessant, weil es hier viele berühmte Persönlichkeiten gebe. «Zudem kenne ich inzwischen die Vorlieben der Stammgäste und wir sind hier am Ende so etwas wie eine Familie.» Ob er je etwas anderes im Hotel machen möchte? «Nein, ich bin zufrieden mit meinem Leben.»
«Mit meinem Leben bin ich heute zufrieden»Der Dienst von Oldemar Zurita beginnt um 6 Uhr und endet um 15:30. Wenn er Feierabend hat, dann begibt er sich häufig noch in den Botanischen Garten, zu den Pflanzen, zu den vertrauten Geräuschen von früher. Heimweh? «Ein wenig vielleicht.» Ja, er könnte sich schon vorstellen dereinst zurückzugehen, ein Reisebüro zu führen … aber vorerst fahre er noch mit dem Lift rauf und runter. «Runter?» Ja, runter. «Auf Wiedersehen.» Ja, auf Wiedersehen.