Hotellerie

«Alle reden darüber, keiner tut es»

Christine Bachmann – 26. Juli 2017
Seit über zwei Jahren existiert die ­Hotelkooperation Frutigland. Zeit, Bilanz zu ziehen und nach vorne zu schauen.

Der Präsident der Hotelkoope­ration Frutigland, Chris Rosser, ist im familieneigenen Hotel Kreuz in Adelboden aufgewachsen. Rosser hat nicht nur eine Matura, sondern auch eine Bank- sowie Kochlehre in der Tasche und ist Absolvent der Hotelfachschule Thun. Nach gastgewerblichen Stationen unter anderem in Dubai, Bern und Interlaken führt Rosser als Direktor nun seit gut zwei Jahren die Gasthof Schützen Steffisburg AG.

GastroJournal: Sie sind fasziniert vom Kooperationsgedanken. Warum soll ein Hotelier kooperieren?
Chris Rosser:
Weil kooperieren die bessere Lösung ist, als alleine ­dahinzuserbeln und am Ende womöglich seinen Betrieb, der bachab gegangen ist, an ausländische ­Investoren zu verkaufen, wie das im Berner Oberland gang und gäbe ist. Das Faszinierende ist ja, dass zwar alle von Kooperation reden, aber niemand tut es.

«Wir würden unser ­Wissen gratis und franko ­weitergeben»
Und wenn sie es tun, dann halbherzig, beispielsweise als reine Einkaufsgemeinschaft oder Marketinggruppe. Aber das sind ja nur zwei Bereiche in einem Hotel. Dabei haben wir so viele Management­bereiche, und in jedem sollten wir Bescheid wissen. Das kann heute einer alleine gar nicht mehr stemmen. Da ist es doch besser, man schliesst sich zusammen und schaut, wer was kann, und dann hilft man sich gegenseitig aus oder engagiert gemeinsam einen Profi. Es wäre so einfach, und dennoch macht es niemand.

Wieso?
Weil man als Hotelier die Hosen herunterlassen muss. Denn wenn man eine Kooperation aufbauen will, muss jeder seine Bilanz, seine Erfolgsrechnung auf den Tisch legen, und das geht für viele gar nicht. Man gönnt dem Vis-à-vis die guten Geschäfte nicht. Dabei müsste doch jedem bewusst sein: Je mehr Betriebe rundherum erfolgreich sind, ­desto mehr hilft es auch mir.

Die Hotelkooperation Frutigland besteht nun seit Februar 2015. Wie sieht eine erste Bilanz aus?

Gestartet sind wir ziemlich gut. So haben wir relativ rasch «Quick wins» verbuchen können, beispielsweise in den Bereichen Kreditkarten, Versicherungen, Einkauf etcetera, und konnten damit allen Beteiligten aufzeigen, dass Einsparungen möglich sind. Danach wurde unser Masterplan jedoch ein wenig ausgebremst, da wir feststellen mussten, dass der Professionalisierungsgrad in den Betrieben sehr unterschiedlich ist. Dennoch haben wir in den letzten zwei Jahren einiges erreicht. So wurde zwischenzeitlich eine Genossenschaft gegründet, wir haben einen fixfertigen Franchisevertrag, der die Zusammenarbeit nach den ersten drei Jahren regelt, und wir haben einen Namen für den gemeinsamen Auftritt definiert. Und nun geht es in einem weiteren Schritt darum, dass wir nicht nur gemeinsam sparen, sondern auch einmalige Angebote kreieren.

Wo sehen Sie in den nächsten Jahren die grössten Chancen für die Kooperation?

Am meisten glaube ich an das Talübergreifende, das wird für uns der Schlüssel sein. Einen Gast zwei, drei Jahre in den gleichen Betrieb zu bringen, ist heute unglaublich schwierig. Deshalb muss die Idee sein: Anstatt dass der jetzt nach Graubünden, ins Wallis oder gar nach Österreich fährt, behalten wir ihn in unserer Region, und er wechselt zwischen Kandersteg, Frutigen, Adelboden und der Lenk hin und her. Und dann sehe ich noch grosses Potenzial in den Bereichen Mitarbeitermanagement, Immobilienbewirtschaftung und gemeinsame Strukturen und Prozesse.

Nächstes Jahr, wenn die 3-Jahres-Frist abläuft, können bestehende Betriebe aus der Kooperation aussteigen, aber auch neue integriert werden. Wie sieht es da momentan aus?

Ich gehe davon aus, dass diejenigen Betriebe, die drin sind, auch bleiben werden. Das wäre insofern auch wichtig, weil wir in den letzten Jahren viel Wissen aufgebaut haben, das ich nur ungern verlieren möchte.
«Wir brauchen eine ­gewisse Grösse, um uns ­finanzieren zu können»
Bezüglich neuer Betriebe haben wir Anfragen und Interesse aus allen Talschaften. Insbesondere sind wir auch offen, unser Gebiet in die Lenk zu erweitern, wo bereits Vorgespräche stattgefunden haben. Das wären dann momentan gut 15 zusätzliche Betriebe, aber ob die dann definitiv mitmachen, das wird sich noch zeigen. Wenn es am Ende fünf sind, dann ist es gut. Obwohl diese Zahl weit von dem entfernt ist, was ich mir vorstelle. Denn wir haben ein Potenzial von 100 Betrieben, da müssten doch 40 in unserer Kooperation sein.

Warum so stark wachsen?

Wir brauchen eine gewisse Grösse, damit wir uns finanzieren können. Denn künftig braucht die Kooperation unter anderem einen Geschäftsführer. Das geht langfristig nicht einfach so nebenbei, wie wir es bislang gemacht haben. Das heisst, wir haben einen Lohn, den wir bezahlen müssen, wir haben gewisse Marketingmassnahmen etcetera, und dafür brauchen wir ein Budget von bis zu 200 000 Franken, damit wir schlagkräftig sein können. Und damit wir diesen Betrag auch erreichen können, wäre es schön, wenn 20 bis 25 Betriebe sich diesen Betrag teilen könnten.

Welche Art von Betrieben ist für eure Kooperation interessant?

Betriebe, die eigenständig funktionieren, die das gleiche Gedankengut haben und sich weiterentwickeln sowie positionieren wollen. Für mich sind ganz klar diejenigen Hoteliers, die grundsätzlich sagen, Kooperationen seien ein Blödsinn, ohne sie konkret für den eigenen Betrieb überprüft zu haben, keine Gesprächspartner. Wenn jemand indes sagt, er habe es angeschaut und er habe strategisch ein anderes Ziel, dann ist das für mich völlig okay.

Haben sich die Hoteliers der zehn Betriebe in den letzten Jahren verändert?

Ja, sehr. Der grösste Sinneswandel war, dass sie gemerkt haben, dass wenn sie offen sind, miteinander reden, am meisten voneinander profitieren können. Beispielsweise wenn ich sehe, dass mein Nachbar 18 Prozent Warenkosten hat, dann frage ich ihn doch: Wie machst du das?

Kooperieren ist eine gute Sache. Das zeigt auch das Engagement der Standortförderung 2016–2019, welche die Schaffung von Kooperationen explizit unterstützt. Und dennoch interessiert es noch immer keinen ...
Mich macht das wahnsinnig. Ich weiss auch nicht, auf was meine Kollegen alle warten.
«Wenn man offen ist, dann profitiert man am meisten»
Entweder ist es wirklich so, dass wir zu früh mit diesem Kooperationsgedanken sind, oder es geht ihnen wirklich noch zu gut. Wobei: Letzteres kann ja nicht stimmen, wenn man gesamtschweizerisch die Zahlen betrachtet.

Ich vernehme da keine grosse Zuversicht, dass es ausserhalb von eurer ­Kooperation noch andere geben wird?

Nicht wirklich. Meine Vision ist, dass wir in den nächsten Jahren mit unserer Kooperation ein Vorzeige-Modell schaffen, das in anderen Kantonen vielleicht seinen Absatz findet. Denn wir haben alles aufgegleist und würden all unser Wissen, das wir bis anhin erarbeitet haben, gratis und franko weitergeben. Das müsste man nur nehmen. Aber ich wäre überrascht, wenn jemand das Angebot nutzen würde.