Gastronomie

Zur Exzellenz verdammt

Caroline Goldschmid – 20. September 2017
Hunderte Branchenvertreter haben sich letzte Woche versammelt, um über die Zukunft der Ernährung zu sprechen.

Am 11. September trafen sich Köche, Gastronomen und gastgewerbliche Angestellte zur ersten Fachtagung des Schweizer Kochverbands in der Westschweiz. Im Auditorium des Universitätsspitals (CHUV) in Lausanne reichten sich Marketing-Spezialisten und Köche das Mikrofon, darunter Spitzenkoch Franck Giovannini vom Restaurant Hôtel de Ville in Crissier, um sich über künftige Entwicklungen in der Gastronomie auszutauschen. Josée Bélanger ergriff als erste das Wort. Die Marketing-Spezialistin, die ihre eigene Agentur «Toutmorrow» gegründet hat, konnte das Publikum mit ihrer Dynamik und ihrem Humor sofort für sich einnehmen. Bevor sie die Frage «Wer ist der Kunde von morgen?» (Titel ihres Vortrags) beantwortete, unterschied die gebürtige Kanadierin zunächst die verschiedenen Trends: Es gibt den Mikro-Trend, den Makro-Trend und den «schweren Trend». Der erstgenannte Trend ist ungewiss, latent und impliziert, dass die Erwartungen der Gäste bekannt sind. Der zweite Trend ist glaubwürdiger in Bezug auf seinen Einfluss auf die Gesundheit und kann zwischen drei und zehn Jahre dauern. Ein Beispiel dafür ist die Ernährungsform der Flexitarier. Der dritte Trend tritt ein, wenn sich die Kaufkraft verändert, eine neue Technologie entsteht oder sich eine Änderung im Klima abzeichnet. «Es ist sehr wichtig, die Erwartungen der Gäste nicht mit der Nachfrage zu verwechseln. Wenn der Kunde eine Erwartung hat, bedeutet dies, dass er auf der Suche nach einem Angebot oder einem Produkt ist, dass sein Leben vereinfachen wird. Hinter der Nachfrage steckt hingegen eine wirtschaftliche Kraft, die mit einer Frustration oder einer Motivation gekoppelt ist.» Die Expertin legte den Fokus anschliessend auf zwei Gäste-Typen, die Gastronomen auf keinen Fall vernachlässigen dürfen: die Millennials (oder Generation Y) und die Frauen. Tatsächlich achten Gäste, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurden, besonders auf ihre Ernährung: Sie verpflegen sich häufig auswärts, erwarten dabei eine schnelle Bedienung sowie ein Erlebnis und empfehlen das Restaurant, sofern sie zufrieden waren, auf den sozialen Netzwerken weiter. Josée Bélanger erinnerte zudem daran, dass es meist Frauen sind, die rund 70 Prozent der Haushaltsausgaben verwalten (somit auch die Besuche in Restaurants) und das entsprechende Lokal auswählen. Wie sollten Gastronomen nun auf all diese Trends, Erwartungen, neuen Verhaltensweisen und nicht zuletzt auf die sich ändernde Nachfrage reagieren? «Wir sind alle dazu verdammt, einwandfrei zu sein», sagte Josée Bélanger. Ihren Vortrag schloss sie mit drei Empfehlungen an das Publikum, das hauptsächlich aus Köchen bestand: Wieder ein Zeitgefühl entwickeln, sich klar positionieren und eine digitale Strategie ausarbeiten. Ihr zufolge sei es unnötig, allen Trends zu folgen, da die Gäste dies bereits tun. Gastronomen sollen vielmehr zurück zu den Grundlagen finden: dem Genuss und dem guten Geschmack. Über die wichtige Bedeutung von Genuss waren sich alle Teilnehmer der Fachtagung einig. Ob es um die Leidenschaft des Kochs für seinen Beruf geht oder um das Gefühl, das der Gast bei seinem Besuch verspürt – der Genuss ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg. Das beste Beispiel dafür ist Spitzenkoch Franck Giovannini: Seit 22 Jahren arbeitet er für das Restaurant Hôtel de Ville in Crissier, welches drei Sterne im Guide Michelin sowie 19 Punkte im Gault Millau besitzt. Laut Giovannini ist es «Sache des Kochs, seinen eigenen Trend zu entwickeln», während er gleichzeitig das im Auge behalten sollte, was um ihn herum geschieht. «Man muss der Zeit folgen und sich an die Bedürfnisse der Gäste anpassen.» Auch Giovannini ist davon überzeugt, dass die Millennials die Gäste von morgen sind und dass das Produkt, um allen Generationen gerecht zu werden, weiterhin im Mittelpunkt stehen sollte.