Gastronomie

Zugleich richtig gut und günstig

Romain Wanner – 05. April 2017
Bistronomische Betriebe breiten sich in Westschweizer Städten aus. Auch Spitzenköche machen mit, sehr zur Freude der Gäste.

Bistronomie heisst das etwas sonderbare Wort, das im französischen Sprachgebrauch bereits etabliert ist und nun in den deutschsprachigen Raum vordringt. Neu eröffnete ­Restaurants definieren sich oftmals – insbesondere in Städten – als ­«bistronomische» Betriebe. Und auch bekannteste Spitzen­köche ­positionieren sich je länger je mehr in dieser Marktnische. Doch obwohl heute der Ausdruck «Bistronomie» immer häufiger verwendet wird, ist nicht ganz einfach zu verstehen, was mit diesem Wort genau gemeint ist. Das Wort «Bistronomie» ergibt sich natürlich aus einer Verschmelzung der beiden Wörter «Bistro» und «Gastronomie». «Unter Bistronomie versteht man ein vereinfachtes gastronomisches Angebot, also kreative und originelle Gerichte, die aber unkomplizierter und weniger ausgearbeitet daherkommen», erklärt Christine Demen Meier, Vorsteherin des Saviva F&B Lehrstuhls an der Hotelfachschule Lausanne (EHL). So wird ein bistronomischer Betrieb durch ein Bistro-Ambiente geprägt, das ohne Tischwäsche und mit einem eher lockeren und reduzierten Servicepersonal auskommt. Die Gerichte sind oftmals sehr ­gelungen und schön angerichtet, aber unkompliziert, und sie zeichnen sich durch angepasste Portionen und frische, aber nicht unbedingt edle Produkte aus. «Bistronomie ist Gastronomie zu erschwinglichen Kosten und Preisen», sagt Christophe Dubois, Professor an der Hotelfachschule Genf (EHG). Die Gastronomie macht bekanntlich eine schwierige Zeit durch. Die Essgewohnheiten sind nicht mehr dieselben, und auch wenn die Leute dazu tendieren, häufiger auszugehen, achten sie doch vermehrt auf ihr Portemonnaie und wollen nicht mehr zu viel Zeit in einem Restaurant verbringen. In diesem Zusammenhang bekommt der Bistronomie eine wichtige Rolle. «Die Bistronomie befriedigt die Gästebedürfnisse nach einem weniger durchstrukturierten Essen. Sie bietet einen einfacheren Ansatz und trotzdem viel Originalität», erklärt Christine Demen Meier. Und was bringt zahlreiche Spitzenköche dazu, einen bistronomischen Betrieb zu eröffnen? Im Gegensatz zur Gastronomie ist die Bistronomie gewinnbringend, was ein sehr wichtiger Punkt ist. In der Tat ist ein Gourmet-Restaurant alleine kaum rentabel. «Die Gastronomie ist oftmals die Visitenkarte des Chefs», sagt Christophe Dubois. Doch ein Chef kann seinen Betrieb insbesondere mit dem Drumherum wirtschaftlich führen: mit seinem Catering-Service, mit seinem Laden, mit seinen Partnerschaften und selbstverständlich mit seinen gleichnamigen Betrieben, die sich vermehrt auch in der bistronomischen Marktnische positionieren. «Es braucht Zeit und Geduld, um in der Spitzengastronomie Gerichte umzusetzen», erläutert Christine Demen Meier. «Zudem erfordert deren Herstellung während eines Services zahlreiche Mitarbeitende, die präzis und äusserst professionell arbeiten. Ganz zu schweigen von den Angestellten, die sich um das Geschirr und den Service kümmern, um die Kreationen des Chefs zur Geltung zu bringen. All dies zeigt auf, dass es für einen Betrieb der Spitzengastronomie äusserst schwierig ist, eine vernünftige Rentabilität zu erzielen.» Auch heute noch glauben viele ­Köche, die aus grossen Häusern kommen und über viel Erfahrung verfügen, ihr eigenes Gourmet-­Restaurant eröffnen zu können, indem sie es besser machen und insbesondere weniger teuer sein wollen als ihre ehemaligen Vorgesetzten. Doch der Traum, die besten Produkte auf die herausragende Art und Weise und zu einer bescheidenen Summe verarbeiten zu können, wird schnell von der wirtschaftlichen Realität eingeholt. Und wenn alle Bestrebungen auf die Kochkunst zielen, kommt die Kundschaft bestimmt nicht auf ihre Kosten. «Heute will der Gast eine ganzheitliche Erfahrung machen», sagt Christophe Dubois. Da sei es unmöglich, die beste Kochkunst in einer wenig ­gepflegten Umgebung und mit einem schlechten Service zu verkaufen – wie es andererseits für den Gast auch schwer vorstellbar ist, einen Abend in einer prächtigen Umgebung zu geniessen, wenn das Essen mit dem Ambiente nicht mitzuhalten vermag. Die «Bistronomie» bringt dabei auch Marketingvorteile. Sie liegt im Trend und kommt gut an. Auch eine ­moderne französische Küche mit ausgereiften Produkten, die in einer eleganten, aber ungezwungenen Umgebung zelebriert wird, kann sich als Bistronomie positionieren, sofern Service und Tischkultur ­einfach gestaltet sind.