«Zu Weihnachten wünsche ich mir Normalität»

Corinne Nusskern – 24. Dezember 2021
Seit 2013 ist Stéphanie Portmann Inhaberin von Fred Tschanz Gastgewerbe. Das Zürcher Unternehmen steht dank lang­fristigem Denken und neuen Ideen solid da. Portmann spricht über Wachstum, Kopfgeld und ihre Passion für die Branche.

Stéphanie Portmann, wie geht es den Fred Tschanz Betrieben zurzeit?
Stéphanie Portmann: Gut. Schauen Sie sich um, um elf Uhr morgens sind zwei Drittel der Plätze im Café Odeon besetzt! Unsere Stadthotels Walhalla und Walhalla Guest House waren während der letzten zwei Jahre immer geöffnet. Im Sommer waren wir voll, aktuell ist die Belegung schwankend bei rund 60 Prozent. Normalerweise wären es 90 Prozent.

Im Leoneck Swiss Hotel hingegen gehen Sie nun ganz neue Wege.
Wir haben das Haupthaus an TomoDomo vermietet, die dort ein Serviced Apartment Haus nach dem Co-Living-Kon­­zept betreibt. Auch die einstige Haldestube ist verpachtet und wird neu als Ristorante Bocuci geführt. Wir haben die­se Chance genutzt, um etwas Neues auszuprobieren und um uns mehr zu diversifizieren. Wir führen aber die 13 Hotelzimmer (Alpine Rooms) in der Leoneck-Dependance weiter, die wir nun alle digitalisieren.

Haben Sie auch Stornierungen und Absagen hinnehmen müssen?
Das Buchungsverhalten hat sich sehr ver­ändert. Stornierungen haben wir wenige, aber die Buchungen kommen viel kurzfristiger. Es braucht mehr Flexibilität seitens der Mitarbeitenden, und die haben wir. Im Gastrobereich, etwa in unserem Gourmet Pop-up «The5», werden seltener Firmenessen gebucht. Die Gäste kom-
­men lieber im privaten, kleinen Rahmen.

Das Gourmet Pop-up «The5» in Zürich geriet in Kritik, weil die fünf Star­köche nicht live vor Ort kochen.
Die meisten Gäste sind zufrieden. Wir kommunizieren es auch als virtuellen An­lass. Die fünf Starköche haben die Rezep­te konzipiert und am ersten Abend alles vor Ort probiert. Sie waren sehr zufrieden.Ein grösseres Kompliment für die ko­chen­­de Crew von Segantini Catering gibt es nicht. Es ist, als ob die Starköche das Menü kochen – und das ist das Wichtige.

Wie planen Sie eigentlich in diesen unsicheren Zeiten?
Flexibel bleiben und strikt alle Auflagen erfüllen. Das konnten wir in den letzten zwei Jahren üben! Wie schon letztes Jahr müssen wir «The5» wieder im Corona-Peek durchführen. Man muss etwas machen, die Leute wollen etwas erleben. Im Odeon haben wir 2G eingeführt, da durch die Bar nicht alle Gäste sitzen können.

 

 

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Odeon, das Traditionscafé und Bar am Zürcher Bellevue (Foto: allink AG)

Die Fred Tschanz Gastronomie bezeichnet sich als Gastgeber mit Herz und Verstand, für die Menschlichkeit an erster Stelle steht. Wie zeigt sich dies?
Wir haben eine angenehme Grösse, die uns die Chance gibt, nahe bei den Mitarbeitenden zu sein. Die Leute kennen mich. Und wir spenden ein Prozent des Umsatzes. Ein Teil fliesst in die Fred-Tschanz-Stiftung, die körperlich und geis­tig beeinträchtigte Kinder unterstützt, der andere Teil in unseren Nachhaltigkeitsfond. Viele fragen immer nach Wachstum. Wir wachsen, aber es ist uns wichtiger, unsere Firmenkultur zu pflegen und im Kern stabil zu sein. Was wir machen, wollen wir richtig gut machen. Wir sind frei von kurzlebigen Trends und denken langfristig. So haben wir die zwei Krisenjahre gut überstanden. Und: Wir haben viele langjährige Mitarbeitende.

Auf ihrer Website steht: 500 Franken Kopfgeld für jede erfolgreiche Mitarbeitervermittlung. Spüren Sie den Fachkräftemangel so stark?
(lacht) Wir hatten dieses Angebot schon vor der Pandemie. Den Fachkräftemangel spüren wir weniger als andere. Es ist ein gutes Zeugnis für uns, wenn ein Mitarbeitender jemandem einen Arbeits­platz bei uns empfiehlt.

Wie ist Ihr Führungsstil?
Ich bin nicht so streng, mein Mann ist strenger (lacht). Er ist mehr im Tagesgeschäft unterwegs und ich strategisch. Wir fahren eine sehr flache Hierarchie und versuchen stets, unseren Mitarbeitenden auf Augenhöhe zu begegnen.

Ende 2018 musste Fred Tschanz Gastgewerbe das Bauschänzli abgeben. Schmerzt der Verlust noch?
Nicht mehr. Es ist ein spezieller Ort, mein Grossvater hat dort 1995 das erste Oktoberfest der Schweiz etabliert. Im Bauschänzli hatte ich zu Studienzeiten meinen ersten Gastrojob im Service. Nach der Hotelfachschule war ich Stellvertreterin, dann Geschäftsführerin.

Hatten Sie einst eine andere Karriere im Sinn oder war die Übernahme der Fred Tschanz Gastgewerbe geplant?
Als ich 2003 im Bauschänzli im Service arbeitete, sagte mir die damalige Geschäftsführerin: «Wärst du zehn Jahre älter, könntest du das Bauschänzli übernehmen.» Ich winkte ab, wollte studieren, wusste aber nie so genau, was ich machen möchte, ausser selbst meinen Weg zu entdecken. Aber die Gastronomie gefiel mir immer. Als sich während meiner Bachelorzeit abzeichnete, dass niemand das Familienunternehmen weiterführt, entschied ich mich bewusst für die Hotel­fachschule. Mein Grossvater starb Ende 2012 und ich übernahm die Firma viel früher als gedacht.

Sie waren damals 27. Was ist das Wich­tigste, das Sie seither gelernt haben?
Die Kommunikation mit den Mitarbeitenden und ein regelmässiger, strukturierter Austausch mit den Führungspersonen, damit sich jeder auf seine Stärken fokussieren kann. Mein Grossvater war ein Patron. Ich musste die ganze Organisation meiner Person, meinem Alter und meiner Ausbildung anpassen – ohne zu vergessen, was mein Grossvater erschaffen hat. Da die Unterschiede zwischen ihm und mir in allen Bereichen zu gross waren, wurde ich nie eins zu eins mit ihm verglichen. Das gab mir die Möglichkeit, un­sere Generation einzubringen und alles umzugraben. Aber es brauchte Zeit – auch für mich persönlich, – trotz der Nä­he eine gesunde Distanz zu entwickeln.

Haben Sie den Einstieg in die Gas­tro­no­­mie während der Pandemie nie bereut?
Nein, nie! Wenn ich einem Paar eine schö­ne Hochzeit ausrichten darf, ist dies etwas ganz anderes, als wenn ich auf einer Bank arbeite und jemandem ein Konto eröffne. Trotz Pandemie ist das Gastgewerbe eine so schöne Branche. Und ich sehe es als Privileg, dieses Unternehmen weiterführen zu dürfen. Nur schon das Odeon, das ist doch der Wahnsinn!

Hätten Sie jetzt für Weihnachten einen Wunsch frei – wie lautete dieser?
Normalität. Es wäre schön, wenn die Masken fallen und man das Lächeln der Mitarbeitenden wieder sehen könnte.

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 ★ Fred Tschanz Gastgewerbe
Stéphanie Portmann (36) ist seit 2013 –nach dem Tod ihres Grossvaters und Gastrokönigs Fred Tschanz – Inhaberin von Fred Tschanz Gastgewerbe. Sie führt das Unternehmen mit rund 60 Mit­arbeitenden mit ihrem Ehemann und CEO Domenic Zembrod. Im Portfolio sind tradi­tionsreiche Zürcher Be­triebe: Walhalla Hotel (48 Zimmer), Walhalla Guest House (33 Zimmer), Leoneck Swiss Hotel (13 Zimmer), Café Bar Odeon, Gourmet Pop-up «The5» sowie das Catering-Mandat für die VBZ Genuss-Linie. Die Zürcherin hat ein Bachelordiplom in Soziologie und Volkswirtschaft und absolvierte die Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich. Portmann und Zembrod haben drei Kinder und leben in Hedingen ZH.

fred-tschanz.ch/