Patrick Marxer wurde 1960 geboren und schon früh mit dem Wursten konfrontiert: Seine Familie hielt Schafe, so dass ab und an eine Notschlachtung nötig war. Dabei fielen grössere Mengen Fleisch an, die seine Familie nicht selber verwerten konnte. Also lernte der damals 17-jährige Marxer von einem Störmetzger, was man mit Fleisch alles machen kann. Fasziniert von den Möglichkeiten, arbeitete Marxer zwei Jahrzehnte lang als Gehilfe bei Störmetzgern. Er hat zudem mehrere Ausbildungen absolviert, unter anderem als Laborant für Mikrobiologie, in der Krankenpflege und als Sozialarbeiter. Als letzteres arbeitete er 27 Jahre lang, bevor er sich mit "DasPure" selbständig machte. GastroJournal hat mit ihm gesprochen.
GastroJournal: Sie werden am 19. März an der Hochgenuss-Fachtagung über Würste referieren. Was haben Sie für Entdeckungen gemacht?
Patrick Marxer: Im Alpenraum wurde das Fleisch früher meist mit einem «billigeren» Nahrungsmittel gemischt, um so die Menge an Wurstmasse zu vergrössern. Das ist durchaus erlaubt und macht die Würste auch spannender für den Konsumenten. Einst hat man sogar Sägemehl beigemischt, aber das wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Reinheitsverordnung für Wurstwaren verboten. Der Alpenraum bietet sehr viele Rohstoffe, aus denen sich vielfältige Kombinationen ergeben. Wursten ist somit vergleichbar mit Farbenmischen.
Aus Liebe zum Wursten und Räuchern haben Sie Ihr eigenes Unternehmen "DasPure" gegründet. Wie kam es dazu?
"DasPure" entstand, als ich vor etwa 15 Jahren einen ökologisch verträglichen und guten, geräucherten Lachs kaufen wollte. Das gab es zu der Zeit noch nicht auf dem Markt. Also habe ich kurzentschlossen 30 Seiten Bio-Zuchtlachs gekauft, gesalzen, gezupft und in einem Zelt über Nacht im Wald geräuchert. Ich habe neben dem Zelt bei -10°C geschlafen und den Hund meiner Schwester dabei gehabt, wegen der Füchse, die ja Fisch lieben. Den Lachs wollte ich für meine Familie und Freunde räuchern. Aus den 30 Seiten wurden aber letztlich 400 Kilogramm Lachs, die ich je an Weihnachten und Ostern räucherte. Damit ich nicht mehr wild räuchern musste, bin ich 2009 in die Räumlichkeiten in Wetzikon gezogen. 2012 habe ich mich dann entschieden, meinen Vollzeit-Beruf als Sozialarbeiter zugunsten von "DasPure" aufzugeben. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen fünf Personen, die einen super Job machen und sich voll mit dem Betrieb identifizieren. Ende März 2018 werden wir ausserdem die Geschäftsform von einer Einzelfirma in eine AG ändern.
«Milchschokolade hat in der Wurst nichts verloren, Gummibärli in einem bestimmten Kontext schon»Sie sind für aussergewöhnliche Würste bekannt. Was inspiriert Sie bei der Entwicklung?
Es gibt mehrere Inspirationszweige. Einerseits sind das bestehende Gerichte, wie zum Beispiel ein Cordon Bleu: Das inspiriert mich zu einer Wurst mit gewürfeltem Bachtelsteinkäse und Pastrami. Andererseits sind es Ideen von Kunden, die eine spezifische Wurst für ihren Betrieb möchten: So wünschte sich ein Gin-Unternehmen eine Gin-Tonic-Wurst. Der Gin stellte als Zutat kein Problem dar, doch das Tonic war umso komplexer: Den Bitteranteil auf angenehme Weise in die Wurst zu integrieren, war eine Herausforderung. Verrückte Kombinationen entstehen ausserdem an meinen Wurstkursen für Familien: Dort stelle ich eine grosse Palette an Ingredienzen zur Verfügung, mit denen experimentiert werden kann. Dabei habe ich herausgefunden, dass eine Milchschokolade in der Wurst nichts verloren hat, Gummibärli in einem bestimmten Kontext aber durchaus Verwendung finden könnten. Letztlich setze ich oft eigene Ideen um, die ich selber gut finde. Diese sind aber häufig der Zeit etwas voraus oder nur für eine kleine Fan-Gemeinde gedacht, wie zum Beispiel unsere Fischwurst. Bei der Produktion achten Sie auf ökologische und tierfreundliche Kriterien. Was ist konkret Ihre Philosophie?
Nebst der schonenden Veredelung und dem Versuch, eine maximale Wertschöpfung mit hoher Qualität zu erreichen, gilt für mich "weniger ist mehr". So sage ich immer wieder, dass eine gute Wurst nebst Salz und Pfeffer nur noch circa vier Ingredienzen enthalten sollte. Wir verzichten auch auf alle Arten von Zusatzstoffen oder Chemikalien. Unsere Würste bestehen aus einem Naturdarm, der Fleisch-Füllung und Gewürzen. Punkt.
«Unsere Würste bestehen aus einem Naturdarm, der Fleisch-Füllung und Gewürzen. Punkt.»Im Unterschied zu vielen anderen Produzenten bevorzugen Sie das Fleisch von ausgewachsenen Schafen, Moren und Kühen. Warum?
Wir verwenden alte Tiere, weil die Zartheit des Fleischs für unsere Zwecke keine Rolle spielt. Die Konsistenz des Fleischs kommt uns sogar entgegen, genauso wie die Aromen der ausgewachsenen Tiere. Im Weiteren sind diese – mit Ausnahme der Kuh – in der Nahrungsmittelindustrie wenig gefragt. In der Gastronomie wird Wurst meist in Form von Bratwurst oder Cervelat-Salat angeboten. Inwiefern besteht hier noch Potenzial?
Ich denke, dass eine gute Wurst mit speziellen Aromen und einer schönen Präsentation immer serviert werden kann – und auch ihre Kundschaft findet. Klar muss die Wurst in der Sterneküche etwas Besonderes sein. Aber als Begleitung zu einem schönen Stück Rindfleisch könnte ich eine 40 Gramm-Rindswurst mit Knochenmark, Pilzen, Rinderjus und einem Schuss Bourbon empfehlen, das kommt immer sehr gut an. Noch eine Frage zur Hochgenuss-Fachtagung: Was können die Teilnehmenden von Ihrem Referat erwarten?
Wenn ich unseren Betrieb Gastronomen beschreibe, verwende ich immer die gleiche Metapher: Wenn der Koch ein Kunstmaler ist und der Teller ein Gemälde, dann können wir die entsprechende Farbe herstellen. Dies unter der Bedingung, dass die Zuhörer sich von der Inspiration und Leidenschaft, die ich für die Wurst habe, mitreissen lassen. Hochgenuss 2018
GastroSuisse hat die Fachtagung «HOCHGENUSS – das Schweizer Gipfeltreffen für Gastronomie und Genusshandwerk» im Jahr 2017 lanciert. Heuer findet bereits die zweite Austragung unter dem Motto «Wild und Fräch» am 19. und 20. März in Emmen statt. Mehr Informationen unter: www.hochgenuss-gastrosuisse.ch