Frau Strachwitz, worüber denken Sie zurzeit am meisten nach?
Aglaë Strachwitz: Wie wir uns stetig einen Schritt weiterentwickeln können, um unseren Gästen ein sicheres Erlebnis zu bieten. Aktuell kann ich zwar kaum von Gästen sprechen, aber wir freuen uns, dass wir sie noch per Take-away, McDrive- und McDelivery bedienen können. Auch privat macht mir die Situation zu schaffen, da meine Familie über drei Grenzen hinweg verstreut ist – von der Romandie über Bayern bis nach Österreich. Vor Corona zählte McDonald’s 300 000 Gäste pro Tag.
Und im 2020?
Es gibt keinen Vergleich, 2020 war ein so ausserordentliches Geschäftsjahr. Während des ersten Lockdowns haben wir selber entschieden, die Restaurants ganz zu schliessen. Wir wollten erst die Prozesse komplett überarbeiten, damit sich in unseren 170 Betrieben sowohl die Gäste wie unsere 8000 Mitarbeitenden in einem sicheren Umfeld bewegen können. Die sechswöchige Totalschliessung sowie die BAG-Massnahmen wirken sich auch bei uns auf die Geschäftszahlen aus. Im Frühjahr kommunizieren wir mehr.
Gibt es dennoch Expansionspläne?
Wir sehen in der Schweiz und Liechtenstein langfristig ein Potenzial für 200 Restaurants. Parallel fokussieren wir auf die Modernisierung bestehender Betriebe. Corona hat alles etwas verlangsamt. Sonstige Neuheiten für die Schweiz?
Wir haben in Genf einen Test gestartet für das kontaktlose Bestellen und Bezahlen mit dem Handy via App. Dies wird hoffentlich bald in der ganzen Schweiz nutzbar sein.
Die Schweiz ist im internationalen McDonald’s-Systems oft das Pilotland. Wenn etwas hier funktioniert, dann ist es einfacher, dies in die grossen Märkte zu skalieren als umgekehrt. Wie sehen Sie aktuell die gesamtschweizerische Gastronomie?
Die Gastronomie ist eine der Branchen, die am längsten von Teil-Restriktionen und Schliessungen betroffen ist. Das macht mir Sorgen, weil sich die Schweizer Gastronomie durch ihre unglaubliche Vielfalt auszeichnet. Heute gehe ich in ein schickes Restaurant und geniesse mehrere Gänge, morgen verpflege ich mich irgendwo am Weg und übermorgen koche ich selber zu Hause. Aktuell komme ich wieder viel mehr dazu (lacht). Wird sich die Gastronomie verändern?
Die Gastronomie ist Teil der Gemeinschaft und wichtig für die Geselligkeit. Wir müssen weltweit lernen, wie wir in einem «new normal» leben, wie auch immer dies aussehen wird.
Kürzlich fragte ich mich: All die Plexiglas-Trennwände und die weit auseinander stehenden Tische – was wird davon bleiben? Was viele nicht wissen: 9 von 10 McDonald’s-Restaurants werden von Franchisenehmern geführt.
Ja, in der Schweiz und Liechtenstein betreiben sie mehr als 85 Prozent unserer Restaurants als selbstständige Unternehmer und Gastgeber, die jeden Tag mit viel Herzblut ihre Betriebe führen. Ein Franchisenehmer kann mehrere Restaurants führen.
Man muss es sich wie ein Verbund von 47 lokalen KMU vorstellen. Wer sind die Franchisenehmer?
Menschen, die sich bei McDonald’s hochgearbeitet haben, aber auch ehemalige Fünfsternehoteliers, Köche, Ex-Bankiers oder Profisportler.
Das macht es auch für mich so unglaublich spannend. Was sind die Voraussetzungen?
Sie sollten gute Arbeit- und Gastgeber so- wie ein Teil der Nachbarschaft sein, die sie idealerweise kennen. Fachlich helfen unternehmerisches Interesse, kulinarisches Qualitätsverständnis und kommunikative Stärke.
Wie hoch ist die Investition?
Die Investitionssumme beträgt ungefähr 1,5 Millionen Franken, wovon eine halbe Million aus Eigenkapital stammen muss.
Wäre das Franchising eine Chance für Corona-verwundete Gastronomen?
Dies kann immer eine Chance sein. Aber man muss schon für die Systemgastronomie brennen – es ist nicht das Restaurant «Chez nous»!
Wie frei ist man vom Mutterhaus?
Wir geben den Franchisenehmern unverbindliche Preisempfehlungen ab, die ihre Preise aber selber gestalten. Der Einkauf wird zentral geführt, um die Qualität zu sichern. Fünf Produkte müssen alle Restaurants weltweit auf der Menükarte haben.
Kann ein Franchisenehmer den Cheeseburger mit Trüffelbrie bestücken?
Als einzelner nicht. Aber McDonald’s Schweiz gestaltet die Menükarte auch mit dem Input der Franchisenehmer.
Wer ist der typische McDonald’s-Mitarbeiter?
Die Mitarbeitenden sind unglaublich divers. Wir haben Studenten, die so ihr Studium finanzieren und flexible Arbeitszeitmodelle schätzen. Dann viele Mütter und Väter, die wegen der Familie bewusst Teilzeit arbeiten. Manche steigen als Mitarbeiter ein und machen Karriere, andere beginnen direkt als Restaurantmanager oder als Systemgastronomielernende. Eine spannende Lehre, wo der unternehmerische Aspekt eine grosse Rolle spielt.
Wie kamen Sie zu McDonald’s?
Ich arbeitete während des Studiums an den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City. Da wohnte ich in einem Haus, das danach als Ronald McDonald Haus eröffnet wurde, wo Familien von schwerkranken Kindern gegenüber des Spitals leben können. Das hat mich beeindruckt. Vier Jahre später suchte die Ronald McDonald Kinderstiftung in Österreich jemanden, der das Marketing aufbaut. Das war für mich ein Zeichen.
Haben Sie je auf der anderen Seite der Theke gestanden?
Ja, wie jeder, der in der Administration anfängt. 2006 habe ich für zwei Wochen alle Abteilungen und Schichten durchlaufen: Küche, McDrive, Kasse, tagsüber und nachts. Ich versuche heute noch, an zwei bis drei Tagen pro Jahr in die Uniform zu schlüpfen. So spüre ich die Gäste und die Mitarbeitenden. Und ich sehe, wie schnell man Gefahr läuft, vom Schreibtisch aus etwas zu planen, das im Tagesgeschäft viel zu kompliziert ist.
Hat es sich seit 2006 verändert?
Der Spass ist derselbe, auch die leichte Nervosität, ob ich wirklich eine Hilfe bin (lacht). Aber man weiss am Ende des Tages – wie alle, die in der Gastronomie arbeiten – was man getan hat.
Wie begegnet McDonald’s dem Vegetarier- und Veganer-Trend?
Vegan ist aktuell ein noch zu kleiner Markt für uns, aber vegetarische Menüs sind schon länger ein Bedürfnis. Nach der Lancierung des ersten vegetarischen Burgers in den 90er-Jahren, haben wir letzten Herbst ein vegetarisches Patty aus Milch- und Haferproteinen lanciert. Es ist kaum von Poulet zu unterscheiden. Aber so realistisch muss man schon sein: Generell kommt ein Gast zu uns, um in einen Burger mit Fleisch zu beissen.
Welches ist der meistverkaufte Artikel?
Der Cheeseburger. Er wird von hungrigeren Gästen oft als Zusatzsnack zum Menü bestellt. Oder beim Take-away, um auf dem Nachhauseweg schon etwas zum Snacken zu haben (lacht).
Aglaë Strachwitz (39)
Der Name der gebürtigen Österreicherin lautet Aglaë Gräfin Strachwitz von Gross-Zauche und Camminetz. «In Österreich sind Adelstitel verboten, deshalb nur Frau Strachwitz», sagt die seit August 2020 für McDonald’s Schweiz verantwortliche Geschäftsführerin. Sie arbeitet seit 14 Jahren bei McDonald’s, erst in Österreich, dann in der Schweiz als Kommunikationschefin und Marketingleiterin. Davor hatte die Managerin diverse Mandate inne und war als Assistentin für den ÖVP-Abgeordneten Vincenz Liechtenstein tätig. Die passionierte Reiterin ist südlich von Wien auf einer grossen Reitsportanlage aufgewachsen, lebt seit zehn Jahren in der Schweiz und spricht fünf Sprachen. Sie hat einen Business-Studies-Abschluss der University of St. Andrews in Schottland, wo auch Prinz William studierte. Man kennt sich. --------------------