Wie Restaurant-Apps das Personal entlasten

Patric Schönberg – 15. Dezember 2023
Die Coronapandemie hat gelehrt, das Smartphone als Schlüssel zu gastronomischem Genuss zu sehen: Der Einlass ins Lieblingslokal wurde beispielsweise meist via App gesteuert. Kann diese Angewohnheit ­helfen, in einer Post-Covid-Welt Prozesse im Betrieb zu optimieren und das Personal an der Front zu entlasten? Die technologischen Möglichkeiten scheinen reif dafür.

Wer in einer von Sydneys zahlreichen Bars ein Bier und einen Burger bestellen will, der greift in der Regel zum Smartphone. Gleiches gilt auch für das Ordern eines Mehrgangmenüs im Gourmetrestaurant. Ein Grossteil der Gastronomie Australiens macht vor, was auch bei uns in absehbarer Zukunft Standard werden könnte: Vom Sichten der Speisekarte, über Bestellung und Bezahlung bis hin zum direkten Kundenfeedback – all das wird per Smartphone erledigt. Das hilfsbereite Personal, welches sich die Zeit für einen lockeren Spruch nimmt, sorgt dafür, dass es dem Gästeerlebnis trotzdem nicht an Persönlichkeit fehlt.
Es stellt sich die Frage: Können digitalisierte Kundenerlebnisse auch in der Schweizer Gastronomie einen echten Mehrwert bieten? «Ja», meint der Zürcher Gastronom Rudi Bindella, «wenn die gewählte Lösung gut in das Gesamtkonzept integriert ist». Dabei gilt es insbesondere abzuwägen, ob der durchschnittliche Gast eher selbstständige Convenience oder persönliche Betreuung bevorzugt. Ist zweiteres der Fall, so sollten Gastronomen die eingesparte Zeit «bewusst nutzen», um sich um den Gast zu kümmern, meint Judith Reichenbach von der Familie Wiesner Gastronomie (FWG).

Verfügbare Lösungen auf dem Schweizer Markt bieten eine Palette von Möglichkeiten. Im Kern bilden die digitale Speisekarte sowie das digitale Bestellen und Bezahlen den grössten Hebel, um Prozesse zu optimieren. Je nach Einsatz betrage der Entlastungsgrad für das Personal «zwischen 15 und bis zu 95 Prozent», meint Elisa Chiarelli, CEO des Anbieters Yoordi. Die FWG setzt auf genau diese Funktionalitäten: Während die digitale Speisekarte bereits flächendeckend im Einsatz ist, wird das digitale Bestellen und Bezahlen erst vereinzelt getestet. «Wir sammeln Erfahrungen und beziehen bei der Evaluation die Mitarbeitenden ein», meint Judith Reichenbach dazu. Wichtig bei der Digitalisierungsstrategie im Betrieb ist es, dass der Vorgang für den Kunden einfach bleibt. So müssen QR-Codes zum Abrufen der Speisekarte oder des Bezahlvorganges prominent und zahlreich platziert sein und die browserbasierten Applikationen über klare Handlungsanweisungen verfügen. «User Experience» lautet das Stichwort. Denn funktioniert die digitale Lösung nicht richtig, ist das Frustrationspotenzial gross.

Die Vorteile liegen auf der Hand

Das digitalisierte Kundenerlebnis bietet nicht nur Convenience für den Kunden, sondern auch erhebliche Vorteile für den Gastronomiebetrieb. Das grösste Plus für beide Seiten sieht die FWG im Bereich der digitalen Speisekarte: «Digitale Lösungen ermöglichen Angaben zu Allergenen oder bietet die Filtermöglichkeit nach bestimmten Nahrungsgewohnheiten. Dies ist sowohl für den Gast als auch für den Servicemitarbeitenden ein entscheidender Vorteil.»
Eine Merkfunktion, wie man sie als Warenkorb aus dem Online-Handel kennt, kann dem Gast den Bestellvorgang erleichtern. Erfolgt dieser gänzlich digital, so bieten die meisten Lösungen die Möglichkeit, individuelle Wünsche anzugeben. Diese werden direkt im System abgebildet. So wird das Risiko minimiert, dass das Servicepersonal in der Alltagshektik einen Anpassungswunsch vergisst. Für Rudi Bindella scheint vor allem das digitale Bezahlen interessant für beide Seiten. «Laufwege werden eingespart, und das Warten auf die Rechnung entfällt.» Dadurch wird einerseits das Personal entlastet und andererseits die Flexibilität für den Gast erhöht.
Yoordi stellt fest, dass «vor allem Restaurantgruppen zu den first mover» bezüglich des Einsatzes digitaler Hilfsmittel gehören. Yoordi-CEO und Gründerin Elisa Chiarelli betont jedoch: «Die Plattform von Yoordi ist flexibel anpassbar und das Onboarding, je nach technischer Affinität, problemlos in einem Tag möglich.»

Ein neuer Marketing Touchpoint

Richtig genutzt, erweitern die digitalen Lösungen auch das eigene Marketing-Repertoire. So bieten Applikationen wie «Menu» die Möglichkeit, Aktionen oder Rabattcoupons in der Customer Journey zu platzieren und entsprechend Upselling zu betreiben. Gemäss dem Anbieter steigen die Umsätze pro Bestellung beim digitalen Vorgang um durchschnittlich 10 bis 30 Prozent. Auch ein integriertes Feedback-Tool lohnt sich, da der Gast unmittelbar nach dem Gastronomieerlebnis eher dazu geneigt ist, ehrliches Feedback zu geben. Wichtig ist, dass der Inhalt auf dem digitalen Kanal der Restaurantmarke entspricht. White-Label-Lösungen beispielsweise können im Auftritt des Restaurants gestaltet werden. Zudem ist auf eine klare und korrekte Sprache zu achten – und die Aktualität geniesst gerade bei digitalen Speisekarten höchste Priorität.

Geselligkeit als Grundbedürfnis

Digitale Technologien sollen Prozesse vereinfachen und Markenerlebnisse stärken. Dieser Grundsatz gilt auch in der Gastronomie. Beim Einsatz gilt es abzuwägen, welche Erwartungen die Kundenzielgruppe hat. So setzt die Familie Wiesner Gastronomie auf ein primär urbanes Publikum, welches «die Flexibilität», welche die App bietet, sehr schätzt. Und Rudi Bindella ist überzeugt, dass «Geselligkeit ein menschliches Grundbedürfnis» darstellt und jeder Gastgeber daher ein «Verfechter des persönlichen Kontaktes» sein soll. Es gilt also, digitale Hilfsmittel so einzusetzen, dass das Gastgebertum im Fokus bleibt. Dies sehen auch die Anbieter so. Yoordi bietet im Bereich «hybrider Service» gar Schulungen fürs Personal an.
Für ein Beispiel, wie Hybridität funktionieren kann, lohnt sich erneut der Blick nach Australien. Zahlreiche Restaurants im Gourmetbereich bieten dort digitale Speisekarten. Diese werden jedoch primär via Tablets zur Verfügung gestellt, welche das Servicepersonal am Tisch aushändigt und dabei die Spezialitäten des Tages erläutert. Bezahlt wird am Schluss unkompliziert mittels QR-Code und Smartphone – welche auf dasselbe System wie das Tablet zugreifen.

Pluspunkte auf einen Blick

Folgende Vorteile bietet die Integration von digitalen Apps ins ­Kundenerlebnis:

• Effizienzsteigerung: Prozesse und Abläufe im Tagesgeschäft können optimiert werden.
• Entlastung: Routineaufgaben für das Servicepersonal entfallen, sodass mehr Zeit für Empfehlungen für die Gäste und die Betreuung der Gäste zur Verfügung steht.
• Flexibilität: Gäste können Bestell- und Bezahlzeitpunkt selbst bestimmen und sind keiner Wartezeit unterworfen.
• Kontaktlose Zahlung: Bargeldhandling entfällt, Trinkgelder werden direkt zugewiesen, und die Hygiene wird erhöht.
• Individualität: Digitale Speisekarten können nicht nur in Sekundenschnelle angepasst, sondern vom Gast auch nach Vorlieben gefiltert werden.