«Schwarze Zahlen? Seit dem ersten Tag»

Corinne Nusskern – 28. September 2023
Take-aways sind aus der Gastronomieszene nicht mehr wegzudenken. Die Küchenstile sind so vielfältig und international wie ihre Betreiberinnen und Betreiber. Die Arbeitszeiten und die Herausforderungen hingegen enorm – wie jene von Yoko Yamada, die in Zürich einen japanischen Take-away führt.

Eingeklemmt zwischen fünfstöckigen Wohnhäusern behauptet sich am Goldbrunnenplatz in Zürich ein pinkenes Kioskhäuschen: der Take-away Yokita. Hinter dem Schiebefenster hantiert Yoko Yamada (52) in der neun Quadratmeter kleinen Küche, nebenan liegt die minim grössere Produktionsküche. 2020 hat sie sich hier selbstständig gemacht.

Yamada hat einen profunden Gastrohintergrund. Die gelernte Konditorin hat bei Sprüngli Torten gebacken, ist via die Globus-Sushibar in die Gastronomie gewechselt und hat in den Zürcher Betrieben Hotel Eden au Lac, im Restaurant Du Théâtre sowie im Restaurant Pic Nic an der Bahnhofstrasse gearbeitet. Parallel dazu startete sie 2015 an Festivals mit einem Street­food­angebot und spürte bald: «Die Leute lieben meine Art von japanischem Essen, sie sagten stets, es sei so gut.»

Sie ist in einem kleinen Dorf, rund drei Stunden von Osaka entfernt, aufgewachsen. Yamada mochte es nicht. «Ich wollte immer weg.» Nach einigen Berufsjahren in Japan flog sie in die USA, lernte in Sprachschulen Englisch, kehrte zurück nach Japan, besuchte Freunde in Europa und strandete Ende der 90er-Jahre zufällig in Zürich. Inzwischen ist sie sogar kulinarisch assimiliert. «Ich mag auch die schweizerische und die italienische Küche.» Sagts und steht bereits wieder in der Produktions­küche, damit sie sicher genügend Gyoza hat. 

Yoko Yamada, die meisten kennen von der japanischen Küche nur Sushi, Sashimi und Co. Sie setzen in Ihrem Take-away auf japanische Hausmannskost. Weshalb?
Yoko Yamada: Ich möchte, dass die Zürcherinnen und Zürcher das echte japanische Essen kennenlernen, und sie damit glücklich machen. In der Stadt bin ich die Einzige, die dies als Take-away anbietet, das ist vielleicht mein Erfolgsgeheimnis.

Ist Take-away eine Chance, sich leichter selbstständig zu machen als mit einem Restaurant?
Für mich war ausschlaggebend, dass ich es allein machen wollte. Bei Take-away ist dies möglich. Ich verfüge über die nötige Gastroerfahrung und wusste, worauf ich achten muss. Ein Restaurant zu eröffnen, wäre für mich schwieriger gewesen, es braucht Mitarbeitende. Man trägt mehr Verantwortung. Zudem bin ich kein Cheftyp, der Leute herumkommandieren könnte.

Sie haben den Take-away Yokita 2020 in der Pandemie eröffnet. Wie viel haben Sie investiert, und nach welcher Zeit waren die Auslagen amortisiert?
Es war ein grosser Betrag, den ich selbst angespart habe. Aber: Ich schreibe seit dem ersten Tag schwarze Zahlen. Da hat mir Corona sehr geholfen. Bereits als ich noch am Einrichten war, klopften die Leute an das Rollo und fragten: Wann machen Sie endlich auf (lacht)? Dabei war ich überhaupt noch nicht parat.

Wie hat sich Ihr Geschäft bis heute entwickelt? Gab es nach Corona einen Einbruch?
Dies hatte ich befürchtet, aber nein, überhaupt nicht. Es läuft seit Tag eins immer gleich gut! Ich bin sehr zufrieden. Rund 50 Prozent meiner Kunden sind Stammkunden, dafür bin ich sehr dankbar. Manchmal kommen sogar Kinder ohne ihre Eltern zu mir und kaufen mit ihrem Taschengeld Karaage Donburi, japanische Chicken-Nuggets (schmunzelt).

Wie viele Menüs verkaufen Sie pro Tag im Take-away, und wie viele via Lieferdienste?
Im Schnitt täglich um die 80 Menüs, mittags und abends sind ausgeglichen. Die Bestseller sind Niko don, Karaagi don sowie Gyoza- und Karagi-Bento. Das sind auch meine Liebsten! Über Lieferdienste verkaufe ich nur etwa sechs Menüs pro Tag.

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Konzentration ist für Yoko Yamada extrem wichtig. Sie will ihre Gerichte perfekt übergeben. (Foto: Daniel Winkler)

Wie sieht ein klassischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Ich bin um acht Uhr hier und bereite die Gyoza-Teigtaschen, das Gemüse, die pochierten Eier und vieles mehr für den Mittag vor. Alles ist selbst gemacht. Um halb zwölf warten die ersten Kunden bereits, bis ich den Rollladen hochziehe. Punkt zwölf Uhr stehen die Schüler da. Fast alle nehmen die gebratenen Nudeln, ich gebe sie ihnen zum Schülerpreis von zehn Franken. Danach kommen Businessleute aus der Gegend, Nach­barn aus dem Quartier, die Leute aus der Apotheke oder vom Tattoo­studio. Um 14 Uhr lasse ich das Rollo herunter. Dann koche ich Fleisch vor oder schneide das Poulet zu Nuggets. Um halb sechs öffne ich wieder bis 20 Uhr, im Sommer bis 21 Uhr.

Das sind viele Arbeitsstunden!
Ja, trotzdem schaffe ich es oft nur knapp, alles vorzuproduzieren. Es ist sehr anstrengend und viel Arbeit, denn ich möchte immer alles parat haben. Die Leute ziehen extra Jacke und Schuhe an und kommen zu mir, um Gyoza zu essen. Es geht doch nicht, dass ich keine Gyoza habe! Sie wären enttäuscht, und ich möchte meine Kunden glücklich machen. Das Strahlen in ihren Gesichtern gibt mir Energie.

Und wann machen Sie Pause?
Habe ich tagsüber etwas Zeit, rolle ich die Yogamatte aus, aber viel zu selten. Ich würde gerne abends öfter ausgehen, aber meist bin ich zu müde. Und ich möchte Elektroklavierspielen lernen. Das ist gut, um den Kopf freizubekommen. Ich habe schon als Kind in Japan Klavier gespielt.

Bezüglich Japan: Japanische Produkte gibt es nicht überall zu kaufen, ist es trotzdem möglich, nachhaltig zu sein?
Die japanischen Produkte und das Poulet beziehe ich bei der George Weiss Lebensmittel AG in Fahrweid, das Fleisch bei der Metzgerei Angst. Ich verwende nur Schweizer Fleisch. Leider kein bio, dies würde alles verteuern, und ich könnte nicht mehr dieselben Menüpreise anbieten. Das Gemüse und die Eier hole ich selbst im nur 50 Meter entfernten Supermarkt.

Wie gehen Sie mit dem Problem «Einwegverpackung» um?
Meine Schalen sind aus Karton und Papier. Es wäre schön, alles aus nachhaltigen Materialien anbieten zu können, aber die Bento-Boxen aus Japan oder die Döschen für die Sojasaucen gibt es nur in Plastik.

Sie arbeiten ganz allein. Möchten Sie keine Mitarbeitenden?
Mein Treuhänder riet mir: «Wenn du es allein machen kannst, dann mach es allein.» Es ist für mich bequem, ich kann mich besser konzentrieren und habe kein «Blabla» um mich herum (schmunzelt). Dafür ist es oft etwas einsam. Ende Woche denke ich manchmal, jetzt habe ich während Tagen mit niemandem wirklich gesprochen. Das muss ich dann in der Freizeit kompensieren.

Aber Sie reden mit den Kunden ...
Schon, aber es sind immer die gleichen Sätze (lacht). Zu Stosszeiten habe ich kaum Zeit, es muss schnell gehen. Manchmal schauen Leute nach ihren Japanferien bei mir vorbei und erzählen von ihren Erlebnissen. Ich höre es mir gerne an! Einige Kunden sprechen japanisch und kommen extra hierher, um mit mir japanisch zu reden. Wirklich herzig.

Wie sehr fehlt Ihnen Japan?
Ich lebe schon lange hier, aber ich bleibe Japanerin. Mir fehlt die Familie – und das Essen! Als ich letztes Jahr in Japan war, fragte mich eine Verkäuferin: «Woher kommen Sie?» Ich war entsetzt, denn ich spreche perfekten Osaka-Dialekt. Vielleicht weil ich von der Art her nicht mehr so zurückhaltend bin, wie es in Japan üblich ist. Ich bin Japanerin, aber europäisch geprägt.