Gastronomie

Reduktion auf das Wesentliche

Marco Moser – 16. August 2017
Mehr als ein Dutzend nationaler Kochwettbewerbe existieren in der Schweiz. Doch nur wenige sind ­ausserhalb der Branche bekannt – eine Reduktion täte Not.

Wie heisst der Gewinner des bedeutendsten Kochwettbewerbs der Schweiz? Eine einfache Frage, die eigentlich mit Vor- und Nachname zu beantworten sein müsste. Doch wer es nicht auswendig weiss, muss suchen. Die Algorithmen der Suchmaschine Google generieren für die Stichworte «Schweizer Kochwettbewerb» mehr als 113 000 Treffer. Wobei unter den früh gelisteten Ergebnissen auch solche aus den Jahren 2014 oder 2016 zu finden sind. Andere Suchmaschinen katapultieren die Suchenden noch weiter in die Vergangenheit zurück. So weit, so schlecht – doch symptomatisch. Auf nationaler Ebene konkurrieren der Bocuse d’Or und der Goldene Koch von Kadi auf höchstem Niveau um Aufmerksamkeit und um die besten Kandidierenden. Einst arbeiteten die beiden Kochwettbewerbe erfolgreich zusammen. Das Ergebnis davon war erhöhte Beachtung im breiten Publikum – gar die TV-Sendung «Schweiz aktuell» von SRF wurde auf den damaligen Kochwettbewerb aufmerksam. Neben einem umfassenden Bericht sendete «Schweiz aktuell» live vom Gala- Essen in Bern. Doch das war einmal, vorbei sind jene Zeiten. Mittlerweile gehen Bocuse’Or und Goldener Koch von Kadi getrennte Wege. Der Bocuse d’Or Suisse hat sich nach Genf zurückgezogen. Dort wird im Rahmen der Messe Sirha Genève der Schweizer Kandidat für die ­europäische Ausscheidung aus­er-koren. Während der Bocuse d’Or Suisse noch überschaubar ist, so ist der Bocuse d’Or Europe bereits ein Event – und der Bocuse d’Or mondial in Lyon gar ein Grossevent, organi- siert von GL Events, der weltweit tätigen Agentur für Grossereignisse wie Fanzonen oder Autoshows. Derweil ist die Deutschschweiz fest im Griff des Goldenen Kochs von Kadi: Die Vorausscheidung von zwölf nominierten Kandidierenden fand 2014 und 2016 an einem (Einkaufs-)Samstag im Glattzentrum in Wallisellen statt, einem der grössten Einkaufszentren der Schweiz. Die Aufmerksamkeit des Publikums ist den Kandidierenden sicher. ­Damit baut Kadi eine der wenigen Brücken zwischen Profi-Gastronomie und Publikum. Wenn an der Spitze der Schweizer Kochwettbewerbe bereits zwei um die Beachtung buhlen, so ist die Basis noch viel breiter. Unzählig sind die Kochwettbewerbe auf kantonaler und nationaler Ebene: Bereits Lernende messen sich in ihren Kantonen und zeigen, was in ihnen steckt. Sie nutzen die Bühne auch als Vorbereitung für die nachfolgenden Qualifikationsverfahren am Ende der Lehre. Kochwettbewerbe auf nationaler Ebene sind schon rarer, aber ausreichend zahlreich und unterschiedlich geartet: Die einen differenzieren sich über die Teilnehmenden, sprich Lernende, Jungköche oder erfahrene Köche, andere über die zu verwendenden Produkte oder Füllungen; wiederum andere sind abgesehen vom vorgegebenen Thema oder Warenkorb freier. Für jeden engagierten und wettbewerbswilligen Koch hat es die passende Herausforderung. So zahlreich die Auswahl an Kochwettbewerben ist, so überfordert erscheinen die breite Öffentlichkeit und die Publikumsmedien. Die Fachmedien stemmen noch die mehr oder weniger breite Berichterstattung. Lokale Medien haben weder das Wissen noch die Ressourcen, um einen Kochwettbewerb zu begleiten. Und dies obwohl Kochen allgemein im Trend liegt, ein Wettbewerb immer Spannung verspricht und mit den Kandidierenden gar persönliche Geschichten möglich wären. Die grosse Zahl an Kochwettbewerben führt zu einer Fülle an Kandidierenden. Wer wahrt den Überblick? Die schiere Zahl unterschiedlicher Kochwettbewerbe zeigt auf, wie divers die Welt der Köche ist – und umso schwieriger wird es, jedem einzelnen Gewinner die ihm gebührende Bühne zu bieten. Das gemeine Volk kann sich die unterschiedlichen Gewinner weder merken – und noch viel weniger deren Leistung würdigen. Immense Anstrengungen im Bereich Marketing und Kommunikation sind notwendig, um die gewünschte Beachtung zu erlangen. Nur wenige können sich eine Agentur leisten, die den eigenen Face- book-Kanal bespielt, geschweige denn die Publikation individualisierter und regional abgestimmter Medienmitteilungen plus Inserate und weitere Marketing-Aktivitäten. Reizte früher allein der Kochwettbewerb als solcher, so braucht es heute mehr. Erfolgreich sind jene, bei denen es nach dem Sieg in ­irgendeiner Form weitergeht. Der Gewinner des Bocuse d’Or Suisse beispielsweise qualifiziert sich für die europäische Ausscheidung, und von dort geht es allenfalls weiter an den Bocuse d’Or mondial in Lyon. Die Gewinner des Goldenen Kochs von Kadi erhalten mit der Tour Culinaire Suisse eine Promotionsplattform, bei der sie den eingeladenen Gästen ihre Künste im Lausanne Palace, im Park Hotel Vitznau, im The Dolder Grand in Zürich oder einem anderen exklusiven Ort der Schweiz präsentieren dürfen. Andere Gewinner dürfen ihre Wettbe­werbskreationen an Messen oder Events kredenzen. Solche nachfolgenden Engagements sind offensichtlich beliebt, insbesondere wenn die Gewinnerin oder der Gewinner sich selber, die eigene Kreation und den eigenen Betrieb präsentieren kann. Das ist willkommene Werbung in eigener Sache – und für die Gewinner selber. So wird auch das Netzwerk gesponnen, das nachhaltig auf Gewinnerinnen und Gewinner der Kochwettbewerbe einwirkt, und von dem schon viele profitierten. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei jedem Kochwettbewerb der Gewinner und seine Kreation im Zentrum stehen sollte: keine Produkte, keine Sponsoren, keine was auch immer. Selbstredend wären Kochwettbewerbe nicht zu stemmen ohne akribische Organisatoren, ehrenamtliche Helfer oder finanzierende Sponsoren. Allerdings schaffen es wenige Kochwettbewerbe, allen eine gebührende Plattform zu bieten – und doch die Kandidierenden und Gewinner ins Rampenlicht zu stellen. Wer das nicht macht, der kämpft nicht nur mit geringer Beachtung, sondern auch mit tiefer Beteiligung. Spätestens dann, wenn für die Startplätze nicht mehr ausreichend Köche mitmachen möchten, wäre der Zeitpunkt gekommen, sich als Organisator über den eigenen Wettbewerb im Detail und insgesamt Gedanken zu machen. Was ist das angestrebte Ziel? Könnte dieses Ziel auch mittels Kooperationen mit bestehenden Kochwettbewerben erreicht werden? Wie kann die Branche grösstmöglichen Nutzen daraus ziehen? Die Lösung liegt in der Reduktion. Mit weniger Kochwettbewerben würde sich die mediale Aufmerksamkeit konzentrieren, ebenso die Sponsorengelder und ehrenamtlichen Arbeiten. Dass mit weniger Kochwettbewerben auch weniger Gewinner auf dem Podest ständen, wäre zu akzeptieren. Dann würde auch die Chance bestehen, dass wieder einem breiten Publikum im Sinn wäre, wer den bedeutendsten Schweizer Kochwettbewerb gewonnen hat. Das waren zwei Westschweizer: Den Bocuse d’Or Suisse gewann Filipe Fonseca Pinheiro vom Hôtel de Ville in Crissier und platzierte sich in Lyon mitten in der Welt-Elite der Köche. Den Goldenen Koch von Kadi gewann Elodie Manesse vom Restaurant Vieux Bois der Ecole Hotelière de Genève, sie tourt aktuell auf der Tour Culinaire Suisse durch die Schweiz. Liste der Kochwettberwerbe: www.gastrojournal.ch/wettbewerb