Gastronomie

Politik ist mühsame Knochenarbeit

Peter Grunder – 18. September 2018
Alois Gmür aus Einsiedeln ist einer der wenigen gewerblichen Unternehmer im Bundesparlament. Er ist seit 2011 Nationalrat für den Kanton Schwyz, präsidiert die Parlamentarische Gruppe Gastgewerbe und ist unter anderem Mitglied der Finanzkommission und der Sicherheitskommission des Nationalrates. Als Miteigentümer des Restaurants Rosengarten und der gleichnamigen Brauerei in Einsiedeln, die der gelernte Alois Braumeister leitet, ist Gmür der einzige gastgewerbliche Vertreter im Bundesparlament.

GastroJournal: Herr Gmür, Sie haben bald zwei Legislaturen in Bern hinter sich. Haben Sie etwas erreicht? Alois Gmür: Grundsätzlich ist es schwer, in Bern etwas zu erreichen, weil man im Nationalrat einer ist von 200, und weil der Ständerat auch noch 46 Mitglieder hat, die man überzeugen muss. Insofern ist es schon ein Erfolg, wenn man den einen oder anderen Vorstoss durchbringt. Ist es Ihnen gelungen? Alois Gmür: In beschränktem Mass ist mir das eine oder andere gelungen, aber das hat auch mit der Erfahrung zu tun. Inzwischen weiss ich, wie der Karren läuft, ich kenne die Leute, bin routinierter und habe die Lehrzeit gewissermassen hinter mir. Die zweite Legislatur erlebe ich insofern als höchst interessant, aber auch als sehr anspruchsvoll. Wo haben Sie etwas erreicht, wo kämpfen Sie, wo haben Sie aufgegeben? Alois Gmür: Aufgegeben habe ich bei der Einführung eines Depots, um das Littering zu bekämpfen. Trotz mehrerer Vorstösse ist mir das nicht gelungen. Besonders dagegen lobbyiert haben die Grossverteiler, die möglichst günstig Getränke verkaufen und möglichst wenig mit dem Abfall zu tun haben wollen. Und von der Landwirtschaft erhielt ich keine Unterstützung, obwohl immer wieder Vieh verendet wegen Büchsen, die in irgendwelchen Tankstellenshops gekauft, achtlos weggeworfen werden und im Futter landen. Am Kämpfen bin ich für eine Zusammenarbeit mit dem Militär hinsichtlich der Nutzung militärischer Plätze als Lagerorte für Pfadfinder und andere Jugendorganisationen. Das hat touristischen Nutzen, ist im Interesse der Jugend, des Sports und der Armee, fand aber bisher nur im Nationalrat Unterstützung.

Alois Gmür: "Aufgegeben habe ich bei der Einführung eines Depots, um das Littering zu bekämpfen."
Und volle Erfolge? Alois Gmür: Sogar den Bundesrat hinter mir habe ich bei den Gebühren der öffentlichen Hand, wo die Bürger teilweise abgezockt werden, wie jüngst sogar der Preisüberwacher festgestellt hat. Hier geht es darum, dass eben nicht erst der Preisüber- wacher gegen Missbräuche einschreiten soll, sondern von Anfang an korrekte Gebühren angesetzt werden. Als Erfolg werte ich auch die Arbeit in der Finanzkommission. Bundesrat Ueli Maurer und sein Finanzdepartement machen hier einen sehr guten Job. Doch ich meine, dass Überschüsse bei der öffentlichen Hand nicht die Regel sein dürfen. Und man kann zwar Überschüsse machen und soll damit auch Schulden abbauen. Aber wenn die Schulden so gering sind wie heute, finde ich es prüfenswert, einen Teil des Überschusses für besondere Investitionen beiseitezulegen – wie das in der Wirtschaft selbstverständlich ist. Apropos Wirtschaft. Im Gegensatz zu früher gibt es praktisch keine Unternehmer mehr in der Politik. Warum? Alois Gmür: Einerseits ist das zeitliche Engagement sehr gross. Andererseits ist die politische Arbeit ganz anders als die unternehmerische. Politik ist mühsame Knochenarbeit, geprägt von langwierigen Prozessen und vielen Diskussionen. Für Unternehmer, die vorwärtsmachen und entscheiden wollen, ist das frustrierend. Entsprechend engagieren sich viele Unternehmer politisch nicht oder kehren der Politik bald den Rücken. Ist das nicht verheerend? Alois Gmür: Ja, zumal das Phänomen nicht nur Unternehmen und Politik betrifft, sondern auch die Armee, das Vereinswesen und nicht zuletzt die Restaurants vorab auf dem Land, die nicht mehr als Treffpunkte dienen und vielerorts aufgeben müssen. Früher hatte ein Engagement im Dienst der Öffentlichkeit einen hohen Stellenwert und war selbstverständlich, heute ist es die Ausnahme.
Alois Gmür: "Früher hatte ein Engagement im Dienst der Öffentlichkeit einen hohen Stellenwert und war selbstverständlich, heute ist es die Ausnahme."
Ist solches Engagement gerade in der Schweiz nicht unverzichtbar? Alois Gmür: Für die Schweiz ist diese Entwicklung hochproblematisch, und wir müssen alles daran setzen, dass sich der Trend umkehrt. Allerdings scheint es auch dort schwieriger geworden, wo man sich noch engagiert. Täuscht der Eindruck, dass auf bürgerlicher Seite mehr Streit herrscht als früher? Alois Gmür: Ja, auch unter den Wirtschaftsverbänden und auf bürgerlicher Seite herrscht häufiger Streit, immer wieder schert jemand aus und vertritt extreme Positionen, die in der Bevölkerung wenig Verständnis finden und politisch keine Chance haben. Was ist los? Alois Gmür: Mein Eindruck ist, dass gewissermassen parallel zur Abnahme des öffentlichen Engagements der Blick und die Rücksichtnahme auf das Ganze verlorengegangen sind und stattdessen Einzelinteressen und Parteimeinungen dominieren. Das ist eine beunruhigende Entwicklung, die inzwischen auch viele Organisationen erfasst hat und dort für ständige Unruhe sorgt. Wie überwinden wir das? Alois Gmür: Der Erfolg der Schweiz beruht darauf, im Sinne des ganzen Landes bewusst alle Kräfte einzubinden. Das schliesst harte Diskussionen überhaupt nicht aus, aber es erfordert ein Verantwortungsbewusstsein fürs Ganze und ist ein ständiges Nehmen und ein Geben. So müssen Arbeitgeber die Interessen der Arbeitnehmer im Auge behalten und umgekehrt – womit ich auch wieder bei der Armee bin, denn dort wurde dieses Miteinander selbstverständlich gelebt. Heute schaut jeder für sich. Deshalb sind die Vorlagen wie zum Beispiel die Altersvorsorge oder die Unternehmenssteuerreform III an der Urne gescheitert.
Alois Gmür: "Der Erfolg der Schweiz beruht darauf, im Sinne des ganzen Landes bewusst alle Kräfte einzubinden."
Auch das Gastgewerbe hat wieder die Initiative ergriffen? Alois Gmür: Ja, aber die Fair-Preis-Initiative steht im Rahmen einer breiten Allianz, zu der unter anderem Konsumentenorganisationen gehören. Und der Bundesrat hat ja inzwischen reagiert und einen indirekten Gegenvorschlag unterbreitet. Das ist ein Erfolg, und er ist auch dem Gastgewerbe zu verdanken. Sie sind Präsident der parlamentarischen Gruppe Gastgewerbe. Ihre Bilanz? Alois Gmür: Am Anfang war ich praktisch alleine, habe mit dem Leiter Wirtschaftspolitik von GastroSuisse die Dossiers angeschaut und mich in Bern dafür eingesetzt. Inzwischen sind wir wirklich sehr gut aufgestellt, bereiten die Sessionen jeweils noch vor den Fraktionssitzungen sorgfältig vor und können uns darum früh einbringen. Das sind Welten zu früher. Dies zumal wir auch eine sehr starke Gruppe haben mit den bürgerlichen Parteipräsidien, mit guten Diskussionen und mit politischen Erfolgen – zum Beispiel eine bessere Lastenverteilung bei der Familienausgleichskasse, die im Ständerat bereits Gehör gefunden hat und hoffentlich auch vom Nationalrat anerkannt wird.
Alois Gmür: "Wir müssen aber schauen, dass wir dieses Erfolgsmodell nicht selber gefährden."
Also doch etwas Zuversicht? Alois Gmür: Ja, schliesslich ist die Schweiz das wettbewerbsfähigste Land der Welt, der Tourismus hat sich erholt und die Stimmung ist insgesamt gut – insofern ist das auch Jammern auf hohem Niveau. Wir müssen aber schauen, dass wir dieses Erfolgsmodell nicht selber gefährden, indem wir berechtigte Anliegen in extreme politische Forderungen packen und uns damit verrennen, statt alle Interessen zu berücksichtigen und gutschweizerisch einen Ausgleich zu suchen. Link: Alois Gmür Rosengarten