Gastronomie

Neue Gastro-Perle in Basel

Corinne Nusskern – 12. Februar 2023
Der Koch und der Weinhändler. Oder wie durch die gemeinsame Übernahme des Kleinbasler Restaurants Concordia aus Till Szabó und Marco Gräni Freunde und Geschäftspartner wurden, was sie ihren Gästen bieten und dem Quartier zurückgeben möchten.

Seit 1906 steht das Restaurant Concordia in Kleinbasel. Und es hat in diesen 117 Jah­ren schon manches Cordon bleu durch den Pass wandern sehen. Tempi passati. Seit Januar wirken hier, im gemütlichen Ambiente mit viel Holz und Licht, Marco Gräni (38) und Till Szabó (26) mit einem völlig anderen Konzept. «Wir bieten eine Art gehobene Tavolata an, wie man sie aus der Gourmetküche kennt, aber zu einem fairen Preis von 85 Franken.»

Das Quartier vibriert, auch die zwei Neubeizer leben hier. Szabó sieht von seiner Wohnung aus in die von Gräni und seiner Frau Anna 2020 gegründete Enotéka Wild Wines. Dort, wo alles begann. «Till ist Stammkunde, wir kannten uns flüchtig. Eines Tages stand er mit dem Konzept für das Concordia vor mir», erzählt Gräni. Er sah das Potenzial, die Investition war überschaubar, er kannte Sza­bós Küche vom Restaurant Zum Onkel, wo dieser als Küchenchef wirkte, zudem träumte er schon länger von einer Weinbar. Nach fünf Minuten schlug Grä­ni ein. «Den Mutigen gehört die Welt», sagt der Quereinsteiger mit Wirtepatent, der einst in Bern Geschichte studierte und lange in der Unternehmensentwicklung bei der Swisscom arbeitete.

Aber hat es im Klybeck-Quartier überhaupt noch Platz für eine weitere Beiz? «Und wie, die vielfältige Gastronomie im Quartier ist ein Plus! Alle Beizen hier sind Perlen», sagt Szabó. «Und die Leute realisieren immer mehr, dass Kleinbasel zu einem Gastromekka wird.»

 

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Viel Holz, viel Licht: Das Interieur des Restaurant Concordia. (Foto: Corinne Nusskern)

Fleisch ist höchstens Beilage

Die drei Monate bis zur Eröffnung waren hektisch, doch jetzt sitzen Gäste an den Tischen, die bereits bis April gut gebucht sind. Für Gräni ist es das Schönste, zu beobachten, wie die Leute mit einem Lächeln rausgehen. Er hält sich eher im Hin­tergrund, kümmert sich um die Wein­karte, das Wein- und Foodpairing sowie das Administrative. «So kann sich Till auf die Küche und die Menükomposition fokussieren», sagt er.

Das tut dieser zusammen mit Marlon Kunze, sie kennen sich seit der Berufsschule. Die beiden Köche machen alles von Grund auf selbst, achten auf Regionalität und Saisonalität, im Zentrum steht das Gemüse. Fleisch steht nur auf der Karte, falls eine befreundete Jägerin im Schwarzwald (D) etwas Interessantes schiesst. Dies kann dann in Form eines Schmorgerichts als Beilage dazu bestellt werden.

Das Menü im Sharing-Konzept ist umfangreich und wird von den zwei Frauen an der Front, Elena Allendörfer und Nell Schürch, in die Tischmitte serviert. Dem Amuse-Bouche folgten ein Brotgang mit Kunzes Sauerteigbrot, drei Vorspeisen und ein Pastagang, aktuell Pilz­ravioli im Zwiebelsud mit gepickelten Zwiebeln. Der Hauptgang besteht aus vier verschiedenen Tellern wie etwa einem Paella-Espuma mit Chicorée und Feta, Lauch mit Miso, Wirsing-Sellerie-Täschli mit Bergkäse-Espuma und Apfelchutney oder einem über Nacht in Salz, Zucker und Chipotle eingelegten Kohlrabi, aus dessen austretendem Saft eine BBQ-Sauce entsteht, das Ganze wird im Ofen glasiert – ein Gast glaubte gar, er esse Fleisch. Zum Schluss zwei Desserts, und was es immer gibt: Löööv-Glace, zu deren Mitgründer Szabó gehört.

Dazu stehen diverse Offenweine zur Wahl oder Gränis Weinbegleitung (55 Franken). «Diese ist eine echte Challenge, da pro Gang so viele Aromen präsent sind. Aber es macht Spass», sagt der Weinhändler und gebürtige Wauwiler. «Es kommen Schweizer Weine zum Einsatz, aber auch wildere Sachen wie ein Pétillant naturel oder ein schöner Süsswein.» Wie in der Enotéka setzt er auch im Concordia auf Charaktertropfen, viel Bio- und Naturweine von Weiss über Orange und Rosé bis zu Rot. Auf Wunsch gibt es eine alkoholfreie Begleitung.

 

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Das Konzept: Alles zum Teilen! (Foto: ZVG)

Ohne Pinzette, ohne Schnickschnack

Man spürt, dass die zwei Pächter richtig Spass haben. Ging für sie mit dem Concordia ein Traum in Erfüllung? Szabó überlegt. «Irgendwie ja, hier kann ich das machen, was ich wirklich will, und kann dafür alles geben.» Die Kochlehre absolvierte der einstige Wirtschaftspsychologie-Student im Restaurant Teufelhof Basel, danach lernt er in Andreas
Caminadas Igniv in St. Moritz GR die Fi­nessen der Gourmetküche kennen. «Sie inspirierten mich zu Überlegungen, die ich vorher nicht machte. Es war toll, so viel Neues zu lernen», sagt der Basler. «Aber ich bin kein Koch, der langfristig mit der Pinzette arbeitet. Das musste ich aber erst herausfinden.» Seine Linie fand er dann im Basler Restaurant Zum Onkel, wo er erstmals die Rolle des Küchenchefs innehatte und seine Erfahrungen sich zu einem Ganzen bündelten.

Ob im aktuellen Sharing-Menü nun Grundüberlegungen der nordischen Küche einfliessen oder asiatische oder arabische Elemente – Szabó geht es mehr darum, ohne Schnickschnack so viel Geschmack wie möglich aus jedem Produkt herauszuholen. Hinweise aufs Menü kriegt der Gast auf der Website, es wird aber nicht im Detail ausgebreitet. «Es braucht ein bisschen Vertrauen in uns, die Gäste sollen sich überraschen lassen», sagt Szabó. «Sie müssen nichts entscheiden, sondern sitzen gemütlich da, und die Sachen werden vor sie hingestellt – wie einst bei der Grossmutter.» Das Concordia arbeitet stark mit Reservationen. So können Allergien und an­dere Befindlichkeiten im Vorfeld ange­geben werden. Netter Ne­beneffekt: Die Küche hat kaum Food Was­te. Kürzlich waren drei ältere Damen aus der Nachbarschaft zu Gast, die keine grossen Mengen essen wollten. «Die Lösung war simpel», sagt Gräni. «Sie haben für zwei bestellt und zu dritt genossen.»

Wichtig sei, das Team einzubeziehen und sich permanent untereinander auszutauschen. «Elena und Nell bekommen an der Front alles mit», führt der zweifache Familienvater aus. «Jeder Input hat Gewicht, es tragen alle dazu bei, dass wir uns täglich verbessern.» Noch stehen sie ganz am Anfang, viele Leute sind neugierig und stehen beinahe Schlange, um im Concordia zu essen. Doch die zwei wissen, wie wichtig Konstanz ist. «Wir müssen es schaffen, im Gespräch zu bleiben, damit die Gäste immer wieder Lust auf das monatlich wechselnde Menü haben», sagt Gräni.

 

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Das Restaurant Concordia im Klybeck-Quartier in Basel. (Foto: Corinne Nusskern)

«Das Quartier ist wichtig»

Viele Parallelen zur alten Traditionsbeiz Concordia gibt es nicht. «Doch, der Name und die Basler Chässchnitte», wirft Gräni ein. «Auch wenn Till sie etwas anders zubereitet.» Sind die 40 Plät­ze nicht komplett ausgebucht, versuchen sie stets einen oder zwei Tische freizuhalten, an denen auch nur ein Bier getrunken werden kann. Auch eine kleine Karte ist in Planung. «Dies muss weiterhin Platz haben, das ist sowohl für das Quartier wie für uns wichtig», erklärt Szabó. Sobald es wärmer wird, stehen zusätzlich 20 Aussenplätze zur Verfügung.

In naher Zukunft möchten sie einmal im Monat eine lange Tafel realisieren. Mit einem günstigen Menü für Menschen, die nicht so viel Geld haben, um auswärts essen zu können. «Wir wollen uns nicht abkapseln, sondern dem Quartier etwas geben», erklärt Gräni. Und Szabó ergänzt: «So können wir unsere Küche allen näherbringen – und mit allen teilen.»

restaurantconcordia.ch