Gastronomie

Mit offenen Augen durch die Welt

Christine Bachmann – 12. Februar 2017
Er ist Beizenkind, Exzentriker, Wegbereiter und ein passionierter Gastgeber: Hubert Erni im Porträt.

Autobahnausfahrt Cham-Ost. Industriegebiet. Amag-Gelände. 1. Stock. Hier befindet sich seit 2009 Hubert Ernis Lokal The Blinker. Ein schwieriges Pflaster auf den ersten Blick, aber keines, das ihn davon abgehalten hätte, durchzustarten. «Ich habe mir damals ­gesagt: Wenn ich es hier schaffe, dann bin ich wirklich gut.» Er hat es geschafft. Heute ist der Betrieb, den Erni gemeinsam mit ­Küchenchefin Michèle Meier, 14 Mitarbeitenden sowie 10 Aushilfen führt, bekannt und etabliert. Aufgewachsen im ländlichen, luzernischen Rain mit sieben Geschwistern in einer Beizenfamilie, prägte ihn das Mitarbeiten im Gastgewerbe schon früh. «Trotz harter Schule sind sechs von uns am Ende im Gastgewerbe gelandet», erzählt Erni und fügt mit einem Schmunzeln an: «So schlecht kann die Kindheit somit nicht gewesen sein.» Und dennoch trieb es ihn bereits mit 16 Jahren weg von zu Hause. «Ich habe schon früh gemerkt, dass ich ein wenig anders bin als alle anderen.» Mit dieser Erkenntnis sei es ihm in einem Ort wie Rain halt zu eng geworden. Nach einem Jahr Handelsschule in Neuenburg absolviert Erni seine Kochlehre in Arosa und Weggis. «Damals haben wir noch auf dem Kohleherd gekocht, und die Küchenmannschaft wurde autoritär geführt.» Dieser Ton und Umgang habe dazu beigetragen, dass er, obwohl er gerne gekocht hat, aus der Küche rauswollte. «Ich habe dann an die Front gewechselt und bin bis heute glücklich darüber, denn ich habe Menschen und den direkten Kontakt zu ihnen einfach gerne.» Das gelte auch für seine Mitarbeitenden: «Ich bin zwar ein strenger, aber auch sehr grosszügiger Chef.»

«Ich bin ein ­strenger, aber auch sehr ­grosszügiger Chef»
Weg. Neues sehen, in die weite Welt hinaus. Dieser Drang wird Hubert Erni ein Leben lang antreiben. «Begonnen hat das schon als Kind. Ich wollte immer fliegen.» So sei er, wenn er bei seiner Tante in Zürich zu Besuch war, immer mit dem Tram an den Flughafen gefahren und habe sich gesagt: «Eines Tages arbeite ich in einem solchen Flugzeug.»
«Ich bin ein ­ausgesprochenes Glückskind»
Ein Traum, der sich erst später erfüllen sollte. Denn nach der Lehre verschlug es Erni infolge Einstellungsstopp bei der Swissair zuerst auf das Schiff, genauer auf die «Royal Viking Sky». «Zwei Jahre war ich ohne Unterbruch auf See. Eine spannende und wunderbare Zeit», erinnert er sich. Danach folgte die obligate Militärzeit, die er als Küchenchef absolvierte, «ich wollte etwas Sinnvolles tun», und letztlich dann doch noch der Traumjob bei der Swissair. Als Steward war Erni über fünf Jahre für die Fluglinie tätig. «Das war eine geniale Zeit. Wir hatten Budget, und ich bin mit offenen Augen durch die Welt gegangen, das hat mich geprägt.» Hinzu kam, dass er durch den Kontakt mit Passagieren Zugang zu einer Welt erhalten habe, die er vorher nicht kannte. «Denn da gab es immer den einen oder anderen, der mir Türen in Galerien, Restaurants und Hotels öffnete.» Dadurch, dass er immer neugierig gewesen sei, habe er unglaublich viel gelernt. Rückblickend und bis heute kann er sagen: «Ich bin ein ausgesprochenes Glückskind.» Nach der Swissair kam die Zeit, in der Hubert sich nach einem eigenen Lokal umgesehen hat. «Aber es hat mir nichts gefallen.» Bis eines Tages ein Kapitän der Swissair seine Eltern darauf aufmerksam machte, dass der Rathauskeller in Zug frei werde. «Ich habe mich dann gegen rund 80 Bewerber durchgesetzt und dort 1982 das Zepter übernommen.» Ab 1984 stiess noch Stefan Meier dazu, mit dem er das Lokal 25 Jahre lang erfolgreich führte.
«Wenn ich es hier schaffe, dann bin ich wirklich gut»
«Ja, und dann bin ich 50 geworden und habe mich gefragt: Was nun?» Nach einem Jahr Time-out und der darauffolgenden Gründung einer Catering-Firma hat Hubert Erni 2009 das «The Blinker» eröffnet, das er bis heute immer wieder adaptiert hat, stets auf der Suche nach dem ultimativ Neuen. So verwundert es wenig, wenn er selbst von sich sagt: «Ich bin mit meinen 63 Jahren immer noch ein Workaholic. Ich arbeite einfach gerne, und ich habe mir gesagt, solange es mich freut, solange mache ich es.» Für die Zukunft wünscht er sich, gesund zu bleiben und mit seinem langjährigen Lebenspartner, dem ehemaligen Profi-Eiskunstlauf-Weltmeister Joop van der Sluijs, «die starke Hälfte im Hintergrund», viel zu reisen, denn es gibt noch so viel zu sehen. «Und ich werde nie genug davon haben, Neues zu entdecken.»