Gastronomie

Marketing: wirklich ein Muss?

Cristina Bürgi – 07. Dezember 2018
Die Schweiz hat zu viele Restaurants, heisst es oft. Wie soll man unter diesen Umständen als Betrieb langfristig bestehen? Zielgruppengerechtes Marketing ist eine Lösung.

Flyer, Social Media, Inserate, Promotionen & Co. – die Möglichkeiten im Bereich Marketing sind gross. Doch gerade kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Gastgewerbe fehlt es an Ressourcen, um sich mit den verschiedenen Werbemitteln auseinanderzusetzen und die richtige Wahl für den eigenen Betrieb zu treffen. «Man kann nicht überall dabei sein», bringt es Marketing-Coach Nicoletta Müller (siehe Interview unten) auf den Punkt: «Am wichtigsten ist das Marketing vor Ort, sprich ein hervorragendes Angebot. Zudem sollte man die lokalen (Stamm-)Gäste nicht vernachlässigen.» Ein relevanter Hinweis, den sich beispielsweise Simona Klauser, Betriebsleiterin im Restaurant Stricker’s in Winterthur, zu Herzen genommen hat: Mit ihrem Team bietet sie regelmässig Events für Stammgäste an, bei denen kostenlose Häppchen serviert werden. «Letztendlich ist auch das Marketing», sagt die Gastronomin. Der Begriff Marketing umfasst tatsächlich eine Menge Aspekte: Dazu gehört nicht nur die Werbung, sondern eben auch das Essen, die Auswahl der Mitarbeitenden oder das Konzept des Betriebs. Das Stricker’s hat sich beispielsweise auf «Food­sharing» spezialisiert, das heisst, dass die Gerichte in kleineren Portionen serviert und von den Gästen am Tisch geteilt werden. «Das sorgt für ein Erlebnis und fördert die Interaktion am Tisch», erzählt Klauser. Gleichzeitig sei dieses Konzept in der Stadt Winterthur einzigartig. Dass es gut durchdacht ist, lässt sich nicht nur an der Karte, sondern auch am Logo und dem Corporate Design erkennen: Alles ist aufeinander abgestimmt. «Und der Kunde spürt das», ist die Gastronomin überzeugt, die eine Marketing-Ausbildung sowie die Stufe G1 der Gastro-Unternehmerausbildung absolviert hat. Im Seminar G1 wird Marketing im Modul «Betriebsführung und -organisation» behandelt: Hier lernen die Teilnehmenden unter anderem die zwölf Prositioning-Parameter kennen. Dabei handelt es sich um eine Strategie in zwölf Schritten, die mit Profilierung zur Positionierung führt: Es gilt, im Markt Nischen zu finden und diese schnellstmöglich erfolgreich zu besetzen. Einzelne Parameter unterscheiden sich für Restauration und Hotellerie, doch beiden Bereichen gemeinsam ist etwa der Fokus auf das Angebot, den Standort und die Kommunikation. So sollten zum Beispiel sowohl in der Restauration wie auch in der Hotellerie diejenigen Marketing-Instrumente zum Einsatz kommen, die zum Unternehmen und zum beworbenen Angebot passen. Das Restaurant Stricker’s setzt beispielsweise auf Social Media: «Gerade für junge Betriebe ist das essenziell, denn Social Media ist günstig und funktioniert gut», erklärt Simona Klauser. Ihr Team benutzt die Kanäle Facebook und Instagram. Flyer setzen sie ebenfalls ein, jedoch nur im Restaurant selbst: «Wir bewerben damit unter anderem unseren Brunch.» Bis zu fünfmal im Jahr führt das Stricker’s zudem Events mit Lieferanten durch, beispielsweise eine Metzgete, und verschickt einen Newsletter an die Kunden. «Damit halten wir uns jedoch zurück, weil die Leute heute mit Mails überhäuft werden.» Einig sind sich Simona Klauser und Marketing-Coach Nicoletta Müller darüber, dass Marketing nur erfolgereich sein kann, wenn Konzept, Kommunikation und Zielgruppen aufeinander abgestimmt sind. Wer seine Gäste abholen kann, kann sie auch längerfristig binden. Dass das Ausarbeiten einer Strategie und die entsprechenden Massnahmen Zeit brauchen, ist klar: So schätzt Simona Klauser, dass sie pro Monat rund 80 Stunden ihrer Arbeit mit Marketing verbringt: Schulung der Mitarbeitenden und Angebotsplanung inklusive. Doch der Aufwand zahlt sich aus: «Wir sind sehr zufrieden und müssen unsere Frequenzen nicht mehr zwingend erhöhen.» «Lieber ein bisschen machen statt gar nichts» Nicoletta Müller war zehn Jahre lang Direktorin verschiedener Hotelbetriebe in Graubünden und Zürich, bevor sie sich 2014 selbstständig machte und seither Hotel- und Gastrobetriebe in den Bereichen Innovation, Sales und Marketing berät. Bei GastroSuisse unterrichtet sie für die Stufe G2 der Gastro-Unternehmer­ausbildung das Modul Marketing. GastroJournal: Wie nehmen Sie den Stellenwert von Marketing im Gastgewerbe wahr? Nicoletta Müller: Mir fällt auf, dass es grosse Unterschiede zwischen den Betrieben gibt, vor allem zwischen Systemgastronomie und klassischen Restaurants: Betriebe der Systemgastronomie haben meist eine eigene Marketingabteilung und gehen entsprechend professionell vor. Dafür geht jedoch manchmal das individuelle Bedürfnis des Restaurants unter: Das Marketing wird für das Konzept betrieben, nicht immer für den einzelnen Betrieb und dessen Zielgruppe. Die kleinen und mittleren Restaurants sind teils sehr gut aufgestellt, bei anderen fehlt jedoch der rote Faden und somit die konsequente Orientierung an der Zielgruppe. Was empfehlen Sie diesen Betrieben? Wenn ich mit Hotels und Restaurants zusammenarbeite, überprüfe ich als Erstes ihre Strategie, denn das ist die Basis von allem. Nur wer ein klares Konzept hat, kann die richtigen Massnahmen treffen. Dann muss natürlich auch die Qualität vor Ort stimmen, das heisst die Qualität der Speisen und die Gastfreundschaft. Denn sonst bringt auch das beste Marketing nichts. Seit längerer Zeit habe ich jedoch öfters beobachtet, dass die Qualität zugunsten von Schlagworten wie «Digitalisierung» und «Innovation» leider in den Hintergrund rückt.

Ein klares Konzept ist die Basis von allem
Welche Marketingmittel sollten Gastronomen benutzen? Gutes Marketing hängt von vielen Puzzle-Teilen ab, deren Zusammenspiel wichtig ist. Ich unterscheide generell zwischen «Inhouse-Marketing» und «Marketing gegen aussen». Ersteres bezeichnet das Angebot des Hauses sowie die Mitarbeitenden und eine attraktive Speisekarte. Letzteres umfasst Marketingmittel wie Flyer, Promotionen oder die eigene Website. Gerade Online-Marketing ist heute sehr wichtig: Es lohnt sich für Gastronomen, eine professionelle Website zu haben, die von Suchmaschinen schnell gefunden wird. Das kann mittels Anzeigen im Internet gut unterstützt werden. Hier lohnt es sich, einen Spezialisten beizuziehen. Social Media ist ebenfalls gut, aber je nach Konzept nicht unbedingt nötig: Bei sehr klassischen Betrieben dürfte es die Gäste zum Beispiel weniger stören, dass das Restaurant nicht auf Instagram aktiv ist. Wirkungsvoll ist in diesem Fall Mund-zu-Mund-Propaganda. Generell finde ich: Lieber ein bisschen Marketing machen als gar nichts.» Sie unterrichten bei GastroSuisse das Modul Marketing. Was lernen die Kurs­teilnehmenden bei Ihnen? Das Modul dauert fünf Tage mit dem Ziel, am Ende einen Marketingplan erarbeiten zu können. Dabei nehmen wir sieben Schritte durch: Am Anfang steht die Situationsanalyse, wo wir den Markt, Trends, die Mitbewerber und die eigene Zielgruppe unter die Lupe nehmen. Anschlies­send arbeiten wir eine Leitidee für den Betrieb aus, also ein Konzept, bei dem der Schwerpunkt auf den Themen Nische und Positionierung liegt. Der dritte Schritt ist die Zielsetzung des Konzeptes: Was will ich mit dem Betrieb erreichen? Danach widmen wir uns den Massnahmen für eine individuelle Corporate Identity. Die letzten Schritte umfassen messbare Aktivitäten, die Anpassung der Massnahmen sowie eine fokussierte Positionierung. Wir arbeiten dabei in Gruppen und es kommt häufig vor, dass Teilnehmende am Konzept ihres eigenen Betriebes feilen und die Theorie somit gleich in die Praxis umsetzen können. www.nicolettamueller.ch