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Kaum Neues – und das ist gut so: Fulminanter Start von Stefan Heilemann im Widder

Benny Epstein – 11. Juni 2020
Warum auf dem Menü kaum neue Gerichte stehen und wie Gastronomen künftig am Chefs Table an Gerichte und Gerüchte gelangen sollen.

Stefan Heilemann (37) ist zurück! Mit einem grossartigen Menü lädt der Sternekoch wieder zum Geniessen auf höchstem Niveau. Nicht mehr im Hotel Atlantis by Giardino, sondern nun im Widder-Hotel. Weg von der Peripherie, rein in die Zürcher Altstadt. «Es wäre ja jammerschade, wenn er Zürich den Rücken gekehrt hätte», findet Widder-Direktor Jörg Arnold, der bei der Eröffnung selbst mitisst. Heilemann zeigt sofort wieder, weshalb seine Küche dem Guide Michelin zwei Sterne und dem GaultMillau 18 Punkte wert ist. Zum Kingfish-Tatar gibt es rosa Gambas aus der Algarve, einen Sepia-Salat, Gurke und Dill. Tiefe, Säure, Frische – herrlich. Ebenso brilliant ist jener Gang, bei welchem Heilemann die Rotbarbe – auch sie lässt er von der Algarve einfliegen – mit Artischocken, einer tänzerischen Sherry-Escabeche und Bottarga in Szene setzt. All diese Elemente hätten selbst einen Applaus verdient, doch die frische Rotbarbe bleibt die Hauptakteurin dieses ausbalancierten Gerichts. «Gäste wissen, wofür wir stehen»
Auch Pâtissier André Siedl (27) zeigt sich bei der Widder-Première bereits in Hochform: marinierte Aprikosen mit Kokosnuss, Ingwer und Pandan – ein ausserordentlich leckeres Schlussbouquet. Bemerkenswert: Von den Amuses Bouches bis hin zu den Friandises (7 Gänge für 260 Franken) verzichtet Heilemann fast gänzlich auf neue Gerichte. Wer Überraschungen erwartet, wird enttäuscht. Und kennt Heilemann nicht. Die Message ist ganz deutlich: Dieser Koch hat seine Linie gefunden und sucht nicht ständig nach dem neusten Trend. «Unsere Gäste wissen, wofür wir stehen», erklärt Heilemann. «Ich nahm den Fisch mit der Escabeche mal vom Menü runter. Aber so viele Gäste fragten nach diesem, dass ich ihn wieder einbaute. Was gibt es für ein schöneres Kompliment an uns?» Mit dem Setzen auf Klassiker macht es Heilemann auch seinem Küchenteam einfacher. Zwar konnte er das frühere Ecco-Team vollständig vom Atlantis ins Widder mitnehmen, «doch an die neue Küche müssen wir uns erst noch gewöhnen. Ein paar Abläufe sind anders.» Man merkt es als Gast nicht. Temperaturen, Texturen, Timing – alles sitzt. Dafür sorgt das Zusammenspiel mit der Service-Brigade rund um Gastgeber und Sommelier Stefano Petta (32). «Wir sind jetzt mitten in der Stadt, ich freue mich auf neue Gäste ebenso wie aufs Wiedersehen mit unseren früheren Stammgästen», so der Urner, der die Weinkarte entsprechend seiner persönlichen Vorliebe unter anderem mit US-Spitzenweinen aufwerten durfte. Gerichte und Gerüchte
Das Restaurant verfügt über zwei Säle mit je 16 Sitzplätzen. Hinzu kommt der Chefs Table mit Aussicht auf die Küche. Für 350 Franken pro Gast gibt es hier ein Chef’s-Choice-Menü inklusive einem Glas Krug Grande Cuvée. Künftig möchte Heilemann am Sonntagabend zudem an diesem Tisch eine Gastronomenrunde etablieren, an der sich Freunde aus der Branche treffen, um ein paar spannende Gerichte und Gerüchte zu teilen.