In einem Restaurant unbeschwert eine Pizza oder einen Teller Spaghetti Bolognese geniessen: Was für die meisten zur Normalität gehört, ist für etwa ein Prozent der Schweizer Bevölkerung alles andere als selbstverständlich. Ungefähr 80'000 Menschen leiden unter der Autoimmunerkrankung Zöliakie, das heisst, sie dürfen keine Produkte konsumieren, die das Kleberprotein Gluten enthalten.
Dazu gehören beispielsweise Produkte wie Brot oder Pasta aus den gängisten Getreiden wie Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste. Betroffene müssen entweder ganz auf diese Produkte verzichten oder auf alternative Produkte ausweichen, die mit Ersatzmehlen, vor allem auf Reis- und Maisbasis, hergestellt werden.
«Solche Ersatzprodukte haben in den vergangenen Jahren vermehrt den Weg in die Schweizer Ladenregale gefunden», wie Tina Toggenburger, Präsidentin der IG Zöliakie, sagt. Viele Detailhändler bieten heute gute Ausweichmöglichkeiten für eine glutenfreie Lebensweise an, was den Alltag für Betroffene vereinfacht.
Genau umgekehrt stellt sich die Situation in der Gastronomie dar. «In den letzten Jahren ist das Angebot zwar besser geworden, allerdings ist die Zahl der Betriebe, die glutenfreie Speisen anbieten, immer noch verschwindend gering», so Toggenburger. Bei der IG Zöliakie der Deutschschweiz seien derzeit lediglich 120 Betriebe eingetragen, die glutenfreie Speisen anbieten. «Das ist entschieden zu wenig, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Zöliakiebetroffenen in der Schweiz stetig zunimmt», sagt Toggenburger.
Nur mässiges Interesse an glutenfreien Angeboten
Einen Grund für diese Entwicklung sieht die Baslerin vor allem in der Unwissenheit der Betriebe. «In der Ausbildung werden die Küchen- und Serviceangestellten immer noch zu wenig auf das Thema sensibilisiert». So komme es oft zur Situation, dass Betroffene im Restaurant nach einem glutenfreien Gericht fragen, der Service dazu aber keine Auskunft geben kann, weil das Thema nicht bekannt ist. Oftmals heisse es dann, dass es kein Angebot im Lokal gäbe, obwohl es vielleicht sogar möglich wäre.
Tina Toggenburger ist Präsidentin der IG Zöliakie. (Bild: zVg)
Die mangelnde Sensiblisierung führt Toggenburger einerseits auf die Ausbildung, andererseits auf die Nichtbetroffenheit der Köche oder der Serviceangestellten zurück. «Wenn der Koch oder die Köchin im privaten Umfeld mit dem Thema konfrontiert ist, ist das Verständnis und das Interesse für glutenfreie Angebote meist da», sagt sie. Allerdings habe dieses Interesse gerade in der Coronazeit zusätzlich gelitten. «Glutenfreie Produkte sind in der Anschaffung im Verhältnis immer noch teurer als herkömmliche», sagt Toggenburger. Da die Gastronominnen und Gastronomen im letzten Jahr aber besonders auf ihre Ausgaben achten mussten, lag der Fokus nicht auf die Anschaffung solcher Produkte. Die IG hofft, dass sich diese Situtation nach der Pandemie wieder ändert.
Den Betrieben die Angst nehmen
Dafür setzt sich die IG aktiv ein. Sie bietet seit einigen Jahren zweimal im Jahr Schulungen auf dem Gebiet der glutenfreien Ernährung und der Umsetzung im Gastronomiebereich an, seit Kurzem auch mit einem Erklärvideo. «Uns ist dabei wichtig, dass wir den Gastronominnen und Gastronomen die Angst vor einem Angebot von glutenfreien Speisen nehmen», sagt Toggenburger.
Das sei zwar nicht einfach, da bei vielen Betrieben die Bedenken gegenüber dem Aufwand eines glutenfreien Angebots sehr gross sind, wofür die IG auch Verständnis zeigt. «Glutenfreies Kochen ist mit Herausforderungen verbunden. So muss vor allem die Kreuzkontamination, also die Kontamination von Essen mit glutenhaltigen Lebensmitteln, vermieden werden, was vor allem in kleinen Lokalitäten einen sehr grossen Aufwand bedeutet», sagt Toggenburger. Ein weiteres Problem sei die hohe Fluktuation in der Gastronomie und die teilweise schlechte Ausbildung der Serviceangestellten. Hinzu kommt, dass häufig auch Sprachbarrieren die Kommunikation erschweren.
Trotz all dieser Herausforderungen ist der Blick in die Zunkunft durchaus optimistisch. «Wir sind zuversichtlich, dass wir mit unserer Sensibilisierung künftig mehr Betriebe von einem glutenfreien Angebot überzeugen können», sagt Toggenburger. Gerade im Monat Mai, der traditionell als Zöliakiemonat gilt, soll auf das Thema aufmerksam gemacht werden. Langfristig brauche dies aber Zeit und eine Menge Geduld.