Gastronomie

Getränke: Auf Augenhöhe mit dem Menü

Cristina Bürgi – 20. Februar 2018
Getränke gelten im Restaurant nicht nur als Durstlöscher, sondern auch als unerschöpfliche Quelle der Kreativität. Passend ausgewählt, bieten sie dem Gast neue Geschmackserlebnisse.

Wer im «Les Trentenaires» in Fribourg einkehrt, dem fällt als Erstes die riesige Getränkekarte auf: Das Lokal führt über 100 verschiedene Biere aus zwölf Ländern, die von diversen Weinen, Spirituosen, hausgemachten Limonaden und Heissgetränken ergänzt werden. Beim «Trentenaires» handelt es sich aber nicht um eine Bar, sondern um ein gewöhnliches Restaurant mit Speisekarte und Wochenend-Brunch. Der Unterschied zu anderen ­Restaurants liegt darin, dass das Fribourger Lokal seinen Fokus nicht aufs Essen legt, sondern bewusst auf die Getränke. So steht auf dem Menü denn auch zu jedem Gericht eine Empfehlung, welches Getränk gut dazu passen würde. Das Beispiel «Les Trentenaires» zeigt exemplarisch, dass den Getränken im Restaurant zunehmend mehr Bedeutung beigemessen wird. Sie nehmen nicht mehr einzig die Rolle der Durstlöscher ein, sondern stellen für viele Betriebe ein Alleinstellungsmerkmal dar. Das Zürcher Restaurant «Roots» ist beispielsweise nicht nur für seine veganen Kreationen bekannt, sondern auch für sein umfassendes Getränkeangebot, das hauptsächlich aus frisch gemixten Säften, Smoothies und Protein Shakes besteht. Im gesundheitsbewussten Zürich hat dieses Konzept den Nerv der Zeit getroffen, so dass die Betreiber innert kurzer Zeit zwei weitere Standorte in der Limmatstadt eröffnen konnten. Ähnlich verhält es sich mit den schweizweit vertretenen Tibits- und Hitzberger-Filialen, die ebenfalls eine grosse Auswahl an frischen Fruchtsäften und Limonaden anbieten. Die farbenfrohen Getränke eignen sich nicht nur als Begleitung zum Essen, sondern werden häufig auch einzeln «to go» verkauft, als Erfrischung für unterwegs. Das ­Angebot verkauft sich gut, auch wenn die Säfte mehr als die üblichen Getränke kosten: Für drei ­Deziliter bezahlt der Gast vielerorts zwischen sechs und zehn Franken. Das Potenzial der Getränke ist ihre Vielseitigkeit: Man kann sie auf unzählige Weise mixen und aromatisieren. So ist in Amerika der «Wine Slushie» beliebt: Die Basis bildet ein trockener Weiss- oder Rotwein, der mit Crushed Ice und beliebigen Zutaten, meist Früchten, gemischt wird (siehe Bild unten links). Daraus ergibt sich ein erfrischender Weincocktail, der hauptsächlich in der Sommerzeit getrunken wird. Hierzulande sind wiederum Craft Beer sowie selbst gemachte Limonaden oder Eistees gefragt, die mit Früchten, Kräutern oder Gewürzen aromatisiert werden. Ein Umdenken findet bezüglich der Getränkebegleitung zum Essen statt: Es muss nicht mehr Wein oder Wasser, sondern kann durchaus einmal ein Cocktail sein: Das Restaurant Hakkasan in London, das weltweit Filialen besitzt, macht dies vor. Es führt eine umfassende Cocktail-Karte und serviert die Getränke zu den Gerichten. Auch alkoholfreie Getränke erfahren als Begleitung zum Essen eine steigende Nachfrage (siehe Interview unten). Der Alkoholkonsum sinkt aus diversen Gründen, unter anderem wegen der eingeführten Promillegrenze, dem steigenden Gesundheitsbewusstsein oder dem Leistungsdruck in der Arbeitswelt. Das bringt gerade in der gehobenen Gastronomie viele Sommeliers dazu, sich beim alkoholfreien Angebot kreativ auszutoben. Im Restaurant «Am Kamin» im deutschen Mülheim an der Ruhr bestellen mittlerweile 40 Prozent der Gäste die alkoholfreie Getränkealternative. Diese wird so kreiert, dass sie den Geschmack der Gerichte stützt, entweder durch Gegensätze oder durch Harmonie, die durch die Verwendung ähnlicher Zutaten wie im Gericht entsteht. Zu einem Gang mit Rauchaal und Shiitake-Pilzen erhalten die Gäste beispielsweise einen Mix aus Wasserkefir, Dörrpflaumen, Limette und Grüntee. Der Spielraum beim Erstellen der ­Getränkekarte ist sehr gross. Wichtig ist aber nicht nur ein interessantes Angebot, das sich von der Konkurrenz abhebt, sondern auch ein professioneller Verkauf der ­Getränke. Wenn die Servicefachkräfte sich selber mit dem Angebot identifizieren, können sie die Gäste bei der Wahl besser unterstützen und führen. Hier können auch die Getränkehändler mit Schulungen und Degustationen Hand bieten.

Eine Entdeckungsreise für die Geschmacksknospen
GJ08 Accueil Liengme  2 Die 22-jährige Fiona Liengme ist gelernte Köchin, arbeitet derzeit aber als Chef de Service im Restaurant Eisblume in Worb. Sie setzt sich seit bald zwei Jahren vertieft mit dem alkoholfreien Pairing auseinander.
«Eine gute Mise en Place ist sehr schwierig.»

GastroJournal: Wie kam es dazu, dass Sie alkoholfreie Getränke als Begleitung zum Essen anbieten?

Fiona Liengme:
Wir wollten den Gästen, die aus einem bestimmten Grund keinen Alkohol trinken können oder möchten, etwas Ebenbürtiges zur Weinbegleitung anbieten. Softdrinks sind zu unseren Gängen aber nicht wirklich befriedigend, und Wasser könnte die Gäste auf Dauer langweilen. Somit haben wir uns von anderen Ländern inspirieren lassen, in denen alkoholfreie Pairings zur Normalität gehören, und haben dies bei uns eingeführt. Wie gehen Sie dabei vor?
Ein Getränk kann einen Gang erweitern, indem es eine Zutat aus dem Gang aufnimmt. Es kann den Gang aber auch unterstreichen, etwa durch die nötige erfrischende Säure, eine leichte Süsse oder vielleicht auch einmal eine feine Bitternote. Meist ist es so, dass das Getränk aus anderen Zutaten besteht als der Gang. Wie reagieren Ihre Gäste darauf?
Sie finden es spannend, Getränke ausgeschenkt zu bekommen, die sie nicht erwarten, selber nicht zubereiten würden oder auch nirgends so kaufen können. Es ist eine Entdeckungsreise für die Geschmacks­knospen. Wird die alkoholfreie Begleitung häufig bestellt?
Das Angebot wird sehr regelmässig bestellt. Wir stellen es auf Augenhöhe mit der Weinbegleitung, das ist uns sehr wichtig. Wir bieten seit bald zwei Jahren ein alkoholfreies Pairing an und konnten vor allem in der Startphase eine steigende Nachfrage erkennen. Inzwischen haben wir eine schöne Regelmässigkeit, die auch für die Kalkulation und Planung sehr hilfreich ist. Dann bereiten Sie die Getränke jeweils im Voraus zu?
Ja, die meisten Säfte können wir tagsüber vorbereiten, damit wir sie im Service direkt ausschenken können. Manchmal arbeiten wir auch mit Sirups oder Basen für Limonaden. Wie in der Küche ist es auch bei den Getränken sehr wichtig, eine gute Mise en Place zu haben.

Link:
Eisblume Worb