Gastronomie

Gastgewerbliche Simulanten

Peter Grunder – 16. August 2017
Wer beein­trächtigt ist und IV erhält, ist häufig im Gastgewerbe tätig. Aber nicht richtig, weil das System pervertiert ist.

Weil das Gastgewerbe immer viel Arbeit macht, in der Ausdauer und Fleiss wichtiger sind als besondere technische oder intellektuelle Fertigkeiten, haben Gastgeberinnen und Gastgeber seit jeher häufig Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigt. Praktisch alle, die schon länger im klassischen Gastgewerbe arbeiten, können entsprechende Beispiele nennen – von früher. Denn obschon die 6. IV-Revision das traditionelle Modell ausdrücklich fördern wollte (vgl. Kasten), ist das Gegenteil ­passiert. Die Perversion im Wortsinn liegt darin, dass inzwischen nicht mehr das Gastgewerbe Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigt, sondern um diese Menschen herum gastgewerbliche Betriebe konstruiert werden. Seit GastroJournal dieses Phänomen vor ein paar Jahren letztmals beleuchtet hat (GJ27/2015), ist es nicht verschwunden, sondern weiter gewachsen: Waren es 2012 schweizweit etwa 80 soziale Institutionen gewesen, die gastgewerbliche Unternehmen betrieben, weist der Branchenverband «Insos» mittlerweile gegen 230 entsprechende Institutionen aus. Die Simulationen stehen nicht nur im Widerspruch zur politischen Absicht. Sie konkurrenzieren auch die klassischen Gastgewerbebetriebe. Denn in einer sozialen Institution, die sich ein Restaurant oder ein Hotel als Betätigungsfeld ausgesucht hat, gelten etwa hinsichtlich Landesgesamtarbeitsvertrag nicht die normalen Regeln. Vielmehr erhalten die gastgewerblich tätigen In­stitutionen für beeinträchtigte Mitarbeitende in der Regel öffentliche Beiträge und zahlen ihnen bessere Sackgelder. In dieser Geldmaschine liegt denn auch ein Grund für die erstaunliche Ausweitung des Geschäftsmodelles. So ist etwa der Interlakner Verein Seeburg in seinem Einzugsgebiet zu einem bedeutenden gastgewerblichen Akteur geworden. Und mancher altgediente Gastroprofi, der aufhören, aber ungern an Araber oder Asiaten verkaufen möchte, wendet sich an das Sozialwerk. Dass es aber funktioniert, ist trotz Subvention nicht sicher: So hat es eine soziale Institution in Thun geschafft, den ehrwürdigen Gasthof Lamm in den Konkurs zu manövrieren. Was wiederum an jene Studenten der Wirtschaft erinnert, die sich mit tollen Plänen im Gastgewerbe versuchten und krachend scheiterten. Verfehlte Ziele Die 6. IV-Revision will laut Bund:

  • Wiedereingliederung von ­Menschen aus der Rente in die ­Erwerbstätigkeit.
  • Einführung des Assistenzbeitrags zur Förderung einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung von Menschen mit einer Behinderung.
  • Einsparungen als massgeblicher Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der IV.
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