Gastronomie

Gastgeber aus Leidenschaft

Désirée Klarer – 17. Januar 2019
Gastgewerbliche Betriebe erblühen dank engagierten Patrons – solche gibt es in der Deutsch- und Westschweiz wie im Tessin.

Ketrin Kanalga, Ristorante Piazza in Tenero,
Hotel Garni Annita und Hotel America in Locarno

«Das Leben ist voller Möglichkeiten! Entweder man ergreift sie – oder nicht.» So lautet das Lebensmotto von Ketrin Kanalga, Gastro-Unternehmerin und Verwaltungsratsmitglied von GastroTicino sowie Mitglied der Kommission Beherbergung GastroSuisse. Wer sich ihren Lebenslauf ansieht, zweifelt auch keine Sekunde daran, dass sie dieses Motto in die Tat umsetzt: Das erste Mal selbständig war sie mit 26 Jahren, damals noch mit einer Boutique in der Deutschschweiz, einige Jahre danach mit einer eigenen Import- und Exportfirma im Weinbereich. Heute ist sie CEO dreier Betriebe im Tessin, dem Ristorante Piazza Tenero, dem Hotel Garni Annita und dem Hotel America, wobei Letzteres ihr Dreh- und Angelpunkt ist. Von hier aus steuert sie die Buchungen und kümmert sich ums Marketing, wenn sie nicht gerade ihre Gäste umsorgt. «Mittlerweile weiss ich sogar, wie man einen guten Kaffee macht», erzählt sie mit einem Lachen auf den Lippen. Das Schönste: zufriedene Gäste
Das Hotel America zu übernehmen, sei für sie eine grosse Herausforderung gewesen: «Lange Tage, strenge Arbeit und so viele Dinge, die man quasi gleichzeitig erledigen muss – ich hatte den Aufwand unterschätzt.» Die Feuerprobe habe sie zwar überstanden, das bedeute aber nicht, dass sie sich nun auf ihren Lorbeeren ausruhen könne. Um weiterzukommen, sei es zentral, sich in Sachen Marketing stets auf den neuesten Stand zu bringen, punkto Küche und Service eine hohe Qualität zu gewährleisten und den Gast in allen Belangen in den Mittelpunkt zu stellen. «Wenn der Gast merkt, dass er ernst genommen wird und ihm die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die er sich wünscht, dann ist er zufrieden. Und was gibt es Schöneres, als einen zufriedenen Gast?» Damit sich ihre Gäste künftig noch wohler fühlen, hat Ketrin Kanalga in Zusammenarbeit mit der Universität Lugano ein neues Projekt gestartet. «Die Professoren waren auf Anhieb begeistert von der Idee, gemeinsam mit den Studenten an Konzepten für meine beiden Hotels zu tüfteln. Ich freue mich extrem über diese Zusammenarbeit.» Irgendwo müsse man schliesslich beginnen, wenn man wolle, dass sich etwas verändere – und so lange es andere Menschen gebe, die sich auch für ein gastfreundlicheres und attraktiveres Tessin einsetzen wollen, werde sie weitermachen. Katharina und Gerhard Kiniger,
Zunfthaus zum Grünen Glas in Zürich

Die Gastgeber Katharina und Gerhard Kiniger sind in der Zürcher Gastro-Szene keine Unbekannten: Wenige Monate nachdem sie das Zunfthaus zum Grünen Glas 2010 übernommen hatten, berichtete bereits die Zeitschrift Annabelle über das in der Altstadt gelegene Restaurant. «In Anschluss daran wurden wir auch in der Quartierzeitung und in ‹Zürich geht aus› erwähnt. Das hat uns zu Beginn sicherlich geholfen», sagt Gerhard Kiniger. Allerdings stiegen mit jedem guten Urteil auch die Anforderungen: «Der Gast ist heute wie damals derselbe, keine Frage. Aber er ist viel anspruchsvoller geworden», ist er überzeugt. Seine Frau Katharina ergänzt: «Deshalb ist es auch enorm wichtig, jedem einzelnen Gast die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und individuell auf seine Bedürfnisse einzugehen.» Das sei ähnlich, wie wenn man daheim Freunde zum Essen eingeladen habe, «nur, dass es im Restaurant nicht vier, sondern vierzig ‹Freunde› sind.» Mit Leib und Seele dabei
Dabei dürfe man nicht vergessen, dass es immer einen Grund gebe, warum sich jemand für ein bestimmtes Restaurant entscheidet. «Alleine im Niederdorf hat es über 90 Restaurants. Deshalb muss die Leistung stimmen, sobald ein Gast unser Lokal betritt. Tut sie das nicht, geht er das nächste Mal woanders hin», gibt Gerhard Kiniger zu bedenken. Da nützen auch Verabschiedungsfloskeln wie beispielsweise «Wir freuen uns, wenn sie wiederkommen», nichts mehr. «Wenn ich das sagen muss, dann habe ich schon versagt», ist er überzeugt. Deshalb sei es wichtig, dass Mitarbeitende dieselbe Philosophie teilten. «Was bringt es, wenn wir mit Leib und Seele dabei sind, aber unsere Mitarbeitenden diese Leidenschaft nicht teilen?», fragt Katharina Kiniger rhetorisch. Gute Mitarbeitende zu finden und vor allen Dingen auch in der Branche zu halten, darin sieht Gerhard Kiniger denn auch die grösste Herausforderung. Am Beispiel des Kochs erläutert er: «Nach der Kochlehre passiert lange nichts, bis jemand schliesslich Küchenchef wird oder einen eigenen Betrieb eröffnet. Doch wenn wir die guten Leute halten wollen, dann muss diese Lücke geschlossen werden. Ich glaube, dass wir die Leute dort verlieren, weil ihnen die berufliche Perspektive fehlt.» Hier sieht er auch die einzelnen Verbände und Organisationen in der Pflicht: «Es gibt zwar Interessensgemeinschaften, aber kein schweizweites, gemeinsames Projekt. Aber sowas brauchen wir. Schliesslich geht es um unsere Zukunft», sagt Gerhard Kiniger abschliessend. Claudia und Lucas Vincenz,
Hotel Vincenz in Brigels

Er war gerade mal 23 Jahre alt, als er 1989 den elterlichen Betrieb übernommen hatte, sie zarte 21, als sie drei Jahre später dazustiess. Die Rede ist von Lucas und Claudia Vincenz, Gastgeber im gleichnamigen Hotel Vincenz in Brigels. Dass er schon so jung Nachfolger werden sollte, kam ein wenig überraschend: «Ich hatte mich gerade an der Hotelfachschule angemeldet, da eröffneten mir meine Eltern, dass sie mit dem Wirten aufhören wollten», erzählt Lucas. Die Hotellerie war für beide Neuland, denn das Hotel war unter der Führung von Lucas’ Eltern noch ein Café: «Wir sind langsam in diese Arbeit hineingewachsen und haben einige Dinge erst gelernt, als wir sie in der Praxis umsetzen mussten. Lucas kannte das Gastgewerbe schon seit Kindesbeinen an. Bei mir war das ganz anders. Ich bin gelernte Coiffeuse und hatte deshalb beschlossen, in den ersten Monaten einen Kurs für Quereinsteiger zu besuchen.» Zwar gebe es Parallelen zwischen den beiden Berufen, aber sie habe wissen wollen, worauf es im Gastgewerbe ankommt. Sie leben eine offene Kommunikation
Was das ist, darin sind sich beide auch viele Jahre später noch einig: «Man muss auf den Gast eingehen, aufmerksam sein. Aber auch die Stimmung im Team muss stimmen», sagt Claudia. Schliesslich merke der Gast sofort, wenn etwas nicht stimme – und wer wolle schon in die Schusslinie geraten? Deshalb sei eine offene Kommunikation mit den Mitarbeitenden und die Rücksichtnahme auf deren Wünsche und Bedürfnisse sehr wichtig. «Es soll ein Miteinander sein, gerade in so einem kleinen Team.» Lucas ergänzt: «Etwas, das in den letzten Jahren ganz klar an Bedeutung gewonnen hat, ist die Qualität. Ob es sich dabei um das Interieur handelt, darum, wie ein Tisch gedeckt ist oder um das, was auf den Teller kommt: Die Gäste haben höhere Erwartungen an uns, als früher. Das spürt man extrem.» Claudia nennt postwendend ein passendes Beispiel: «Früher hatten wir manchmal Mitarbeitende, die kaum Deutsch gesprochen haben. Sowas wäre heute nicht mehr denkbar.» Catherine und Jean-Michel Offner,
Hotel La Fleur de Lys in Greyerz

Das Hotel La Fleur de Lys in Greyerz war vor rund 17 Jahren der Ort, an dem Jean-Michel Offner sich nach seinem Engagement als Geschäftsleiter dreier Coop-Restaurants zum ersten Mal wieder jener Tätigkeit widmen konnte, die er noch heute mit viel Leidenschaft ausübt: dem Kochen. Es sei zwar schön gewesen, an den Abenden und den Wochenenden frei zu haben, «doch als unsere beiden Söhne grösser geworden waren, war für mich klar, dass ich wieder in die Küche möchte», begründet er seinen Entscheid. Seine Frau Catherine, ursprünglich Primarschullehrerin, war von Anfang an mit dabei: «Ich hatte Jean-Michel vor seiner Zeit bei Coop kennengelernt, als ich neben dem Studium im Restaurant gearbeitet hatte. Das Gastgewerbe war mir also nicht gänzlich fremd.» Einzig in die administrativen Themen habe sie sich bei Pachtantritt einlesen müssen. Mittlerweile sei jedoch auch dies kein Problem mehr. «Ein Problem sind eher die vielen Allergien, die die Leute heutzutage haben – oder zu haben glauben», sagt sie mit einem Schmunzeln. Früher hätten sich in grösseren Gruppen Allergiker dem Rest der Gruppe angepasst, heute sei dies häufig umgekehrt. Sie passen sich den Gegebenheiten an
Für Jean-Michel und Catherine ist dieses Problem jedoch keines, das nicht zu meistern wäre. «Wir haben eine traditionelle, einfache und gute Küche und wir haben Mitarbeitende, die aufmerksam sind und auf den Gast eingehen», sagt Jean-Michel. Die Kommunikation zwischen Küche und Service funktioniere gut und so könnten auch Fragen seitens der Gäste rasch geklärt werden. Und diese drehten sich bei Weitem nicht mehr nur um Allergien: «Hausgemacht, regional, saisonal – die Leute achten heute auch mehr auf solche Dinge und wollen ganz genau wissen, was sich auf ihrem Teller befindet», erzählt Catherine und ergänzt: «Allerdings nehmen sich die Gäste heute kaum mehr Zeit, um zu essen, zu geniessen und zu höcklen.» Das finde sie ein wenig schade. Wer in dieser Branche überleben wolle, komme jedoch nicht umhin, sich den Gegebenheiten anzupassen. «Ich denke, jene Betriebe, die auch weiterhin bestehen werden, sind jene, die hochprofessionell und sauber arbeiten. Die anderen bleiben auf der Strecke», ist sich Jean-Michel sicher. Catherine ergänzt: «Der eigenen Linie treu bleiben, die Qualität in der Küche hochhalten und das Essen stets mit einem Lächeln servieren, das macht den Unterschied.»