Exklusiv: Erstmals präsentiert das Kultweingut Pio Cesare die neuen Jahrgänge in der Schweiz

Reto E. Wild – 20. Juni 2023
Seit 1881 steht Pio Cesare für Qualität und Tradition aus der piemontesischen Langhe-Region bei Alba. Eine Degustation im Restaurant La Salle in Zürich zeigt: Die neuen Jahrgänge überraschen und zeigen sich erstaunlich zugänglich.

In Zürich gibt sich vor ein paar Tagen Federica Rosy Boffa Pio die Ehre: Ihr Ur-ur-Grossvater Cesare Pio gründete vor 142 Jahren in Alba in der Nähe des historischen Zentrums und dem Dom das Weingut Pio Cesare. Die 80 Hektar Reben sorgen inzwischen für Weine von Weltruf, die exklusiv über Terravigna in die Schweiz importiert werden.

Das GastroJournal ist Teil einer Premiere: Erstmals überhaupt präsentiert das Weingut die Weine in der Schweiz. Den Auftakt der Weindegustation mit nur drei Journalisten macht der Piodilei Chardonnay 2021, der dank Pio Boffa von der vierten Generation seit 1985 zu den ersten Chardonnays gehört, der in Italien und im Piemont produziert wurde. Der Begriff «Piodilei» heisst aus dem Italienischen «Pio für sie» und ehrt die Frauen der Familie für ihren starken Charakter und ihre Entschlossenheit, was durchaus zu den Charaktereigenschaften der Langhe passt. «Die Weissweine sind für unsere Familie in den letzten Jahren immer wichtiger geworden und machen inzwischen 30 Prozent unserer Produktion aus. Das Terroir hat auch für Weissweine ein grosses Potenzial», erklärt Federica Rosy Boffa Pio. Pio Cesare produziert mit rund 30 Angestellten (zur Erntezeit werden zusätzlich rund ein Dutzend Helfer beschäftigt) jährlich 15 verschiedene Weine und insgesamt 400 000 Flaschen. Gegen 75 Prozent davon werden in knapp 50 Länder exportiert. Wichtigster Absatzmarkt ist aber die Gastronomie in Italien.

Die Trauben des Piodilei wurden von Hand gelesen und bei niedriger Temperatur gepresst. Die Gärung beginnt in Edelstahltanks und wird in französischen Barriques abgeschlossen, die zu einem Drittel neu sind. Der Wein bleibt fast zehn Monate auf der Hefe: würzig, cremig, reife Früchte, frisch mit einer eleganten Holznote und schöner Mineralität, 17.25 Punkte!

Als nächstes steht der Barbaresco Il Bricco 2019 auf dem Programm. Und er überrascht und begeistert sogleich mit seinen offenen Armen oder viel mehr seiner Zugänglichkeit, was für Nebbiolo-Trauben aussergewöhnlich ist. «Dieser Jahrgang 2019 scheint einer aus vergangenen Zeiten zu sein, wie einer, von dem meine Grosseltern erzählten. Die Reife wurde langsam erreicht und ohne Höchsttemperaturen, das ist für eine Rebsorte wie dem Nebbiolo, die sich durch einen sehr langen Vegetationszyklus auszeichnet, sehr wichtig», sagt Boffa Pio voller Bewunderung für den Jahrgang 2019. Der Nebbiolo im Barbaresco-Gebiet wurde zwischen dem 10. und 16. Oktober geerntet, während die Lese des Nebbiolo für den Barolo zwischen dem 13. und 20. Oktober stattfand. Die Trauben dieses Barbaresco stammen von Parzellen im höchstgelegenen Teil in Treiso und wurden drei Jahre in grossen Fässern aus französischer und osteuropäischer Eiche und zu einem kleinen Teil in französischen Barriques ausgebaut. Erstmals 1990 erzeugt, drückt der Wein ein frischeres und windigeres Mikroklima aus: viel Kraft, Struktur, Frische, Konzentration und zahlreiche Gewürznoten: 19 Punkte!

Beim Barolo Pio 2019 stammen die Trauben von familieneigenen Rebbergen mehrerer Barolo-Gemeinden und neun verschiedenen Lagen. Die Trauben wurden ebenfalls in grossen Fässern aus französischer und osteuropäischer Eiche ausgebaut. Eine lange Flaschenreife erhöht die Trinkigkeit. Ein Barolo im klassischen Stil, sehr rund, mit Tanninen, die kräftig, intensiv und trotzdem elegant sind. Komplex und samtig, mit einem hohen Alterungspotenzial: 18.25 Punkte.

Der Barolo Ornato 2016 zeigt, was aus den Weinen nach einer gewissen Lagerung wird: Die Trauben stammen vom Flurnamen Ornato südlich von Serralunga d'Alba, wo Pio Cesare auf gegen 400 Metern über Meer die ersten Rebflächen im Barolo kaufte. Von diesem Jahrgang wurden nur 14 000 Flaschen produziert: Komplex, konzentriert, reife Früchte, Brombeeren, intensive Aromen und wiederum ein sehr langes Lagerungspotenzial: 18.5 Punkte.

Zum Abschluss machen wir uns an den Barolo Chinato, der aus dem Barolo Pio besteht und mit 35 verschiedenen Gewürzen angereichert wurde. Der aromatisierte Wein und Digestiv aus dem Piemont weist 16 Prozent Alkohol auf und duftet nach Zwetschgen, Süssholz, Honig, Zimt und Nelken und auch nach Weihnachten, im Abgang eine dezente Bitternote. Der Chinato passt zu schwarzer Schokolade und ist ein würdiger Abschluss nach einem Abendessen, 17 Punkte.