Gastronomie

«Es braucht eine Lösung für alle Betroffenen»

Reto E. Wild – 08. April 2021
Hunderttausende Mitarbeitende und Unternehmer leiden unter den Folgen der Coronamassnahmen – und warten auf Hilfsgelder für den angerichteten Schaden. Deshalb lanciert GastroSuisse die Volksinitiative «Gerechte Entschädigung im Pandemiefall». Mitinitiant Nationalrat Alois Gmür steht dem GastroJournal Red und Antwort.

Die Branche leidet unter dem seit inzwischen über einem halben Jahr andauernden Berufsverbot. Gleichzeitig treffen von den versprochenen Milliarden von Härtefallgeldern nur ein Bruchteil davon bei den Gastronomen ein, wobei das von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich ist. An einer vor Ostern organisierten Videokonferenz der Kantonalpräsidenten war diese Ungerechtigkeit das grosse Thema. Und so kam es unter der Federführung von GastroSuisse zur Lancierung der Volksinitiative «Gerechte Entschädigung im Pandemiefall».

Der Mitte-Nationalrat Alois Gmür gehört zu den ersten ­Unterstützern der Volksinitiative «Gerechte Entschädigung im Pandemiefall» von GastroSuisse. Im Interview erklärt er, wie es nun weitergeht.

Alois Gmür, weshalb unterstützen Sie als Präsident des Verbands Schweizerischer Getränkegrossisten und Präsident Parlamentarische Gruppe Gastgewerbe die Initiative?
Alois Gmür: Auf diese Pandemie waren die Politik und unsere Gesetzgebung nicht vorbereitet. Das Gesetz definiert zwar, was für die Gesundheit zu unternehmen ist, und laut Epidemiengesetz ist es erlaubt, ganze Branchen stillzulegen. Aber die wirtschaftlichen Folgen sind nicht berücksichtigt. Das führt dazu, dass wir komplett unvorbereitet in die Krise geschlittert sind und das Parlament unter Zeitdruck das Covid-19-Gesetz schaffen musste. In Zukunft müssen die Entschädigungen klar und gerecht geregelt sein.

Wäre eine parlamentarische Initiative nicht erfolgsversprechender?
Nein. Denn in einem solchen Fall muss das Parlament eine Gesetzgebung ausarbeiten. Das garantiert keine gute Lösung und hilft nicht, die gravierenden Probleme bei den Entschädigungen im Pandemiefall zu lösen. Eine Alternative wäre gewesen, eine Motion einzureichen. Doch wir behandeln im Parlament derart viele Motionen, dass wir froh sein müssen, wenn diese überhaupt auf die Traktandenliste kommen. Eine Volksinitiative hat ein ungleich höheres Gewicht. Klar, dazu braucht es die 100 000 Unterschriften. Bis eine Initiative zur Abstimmung kommt, kann es vier bis fünf Jahre dauern. Es kann aber sein, dass der Bundesrat auf die Anliegen der Initianten eingeht und die Initiative zurückgezogen werden kann.

Wie geht es nun weiter? Im November soll ja der Initiativtext folgen.
Ja, es wird sicher Herbst bis Spätherbst, bis wir diesen Text definiert haben. Jetzt geht es darum, andere Verbände und Branchen für die Initiative von GastroSuisse zu gewinnen, etwa HotellerieSuisse, den Retailerverband, die Reisebranche und den Bereich Fitness. Es braucht eine Lösung für alle Betroffenen und nicht «nur» für die Gastrobranche. Da steht viel Arbeit an.

Welche Aufgaben übernehmen Sie?
Ich stelle die Kontakte her, etwa zum Brauereiverband, zu Swiss Drink, zum Gewerbe- sowie zum Arbeitgeberverband, denn eine breite Abstützung ist wichtig, sonst ist die Initiative zum Scheitern verurteilt. In der parlamentarischen Gruppe Gastgewerbe muss die Initiative ebenfalls diskutiert werden. Eine klare Mehrheit dieser überparteilichen Gruppe sollte die Initiative unterstützen. Im Lead und gefordert ist allerdings GastroSuisse.

Die 100 000 Unterschriften sind zu schaffen. Und dann?
Dann wird der Bundesrat darüber befinden und sich entscheiden, ob er einen Gegenvorschlag ausschaffen wird oder nicht. Wenn er Verbesserungen einleitet, kann es auch sein, dass sich die Initiative erübrigt. Sind wir mit seinem Vorschlag nicht zufrieden, werden wir die Initiative vors Volk bringen. Das ist ein langer und mühsamer Weg.

Sie sind selbst GastroSuisse-Mitglied. Einige Mitglieder kritisieren, diese Initiative helfe in der jetzigen Situation nichts.
Aber wir sorgen mit dieser Initiative für öffentlichen Druck und zeigen auf, dass es nicht sein kann, dass gewisse Kantone noch immer keine Härtefallgelder auszahlen, andere zu wenig und wieder andere bei gewissen Unternehmen zu viel. Der ganze Entschädigungsprozess, der über die Kantone läuft, ist ein Bürokratiemonster. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen endlich einsichtig werden.

An wen denken Sie?
Der Bund hat nun gegen 30 Milliarden Franken gesprochen. Das Geld wäre also verfügbar, aber es befindet sich in einem Trichter, der verstopft ist; die Betriebe kommen nicht zum Geld. Ich werde immer wieder von Unternehmen kontaktiert – langjährige Kunden meiner Brauerei – die klagen und uns anfragen, ob wir ihnen kurzfristig finanziell helfen können. Sie können die Fixkosten nicht bezahlen. Daraus müssen wir Lehren ziehen. Ist es richtig, dass die Kantone bei den Härtefallhilfen eingebunden werden, oder wäre es nicht besser, wenn der Bund klare Vorgaben erstellt? Es kann ja nicht sein, dass jeder Kanton ein eigenes Süppchen kochen muss.

Wie stark sind Sie selbst von der Krise betroffen?
In unserer Bierbrauerei haben wir Umsatzeinbussen von über 70 Prozent. Es schmerzt, wenn ich zusehen muss, wie die Reserven wie Schnee an der Sonne schmelzen. Das ist eine unerfreuliche Situation, die mich Tag und Nacht beschäftigt. Die Getränkebranche, die gastrolastig ist, leidet unter enormen Umsatzeinbussen.

Könnte man das Problem so zusammenfassen, dass die Linke nicht öffnen und die Rechte den entstandenen Schaden nicht zahlen will?
Das lässt sich nicht in ein Links-Rechts-Schema pressen. Klar, die SVP sagt, eine sofortige Öffnung wäre das Beste und die Linke warnt davor, das Gesundheitswesen und damit die Spitäler nicht zu überlasten. Aber es gibt nach wie vor sehr viele Leute, die haben ganz einfach Angst und stellen die gesundheitliche Gefahr über alles, egal von welcher politischen Couleur sie sind. Es ist schwierig, in dieser Pandemie die richtigen Entscheide zu fällen.

Bei immer mehr Tests steigen auch die Fallzahlen. Ihr Parteikollege, der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger, fordert ebenfalls, nicht mehr so sehr auf die Zahlen zu achten und weitere Öffnungsschritte anzugehen. Die Linke sagt, wir dürfen nun das Erreichte nicht gefährden. Was erwarten Sie vom Bundesrat am 14. April?
Ich trat immer für eine Öffnung ein und wollte, dass die Wirte bereits ab dem 22. März wieder arbeiten dürfen. Ich hoffe, dass der Bundesrat sich nun dazu durchringt, alles per 1. Mai zu öffnen – selbstverständlich unter Einhaltung der Schutzkonzepte. Es ist nach wie vor nicht erwiesen, dass man sich in Gastrobetrieben ansteckt. Ich bin optimistisch, dass sich der Bundesrat so entscheidet, weil immer mehr durchgeimpft wird und die Belastung in den Spitälern zurückgeht. Wichtig ist, Todesfälle zu verhindern. Auch deren Zahl bleibt zum Glück tief. Deshalb glaube ich, dass wir diese Pandemie langsam in den Griff bekommen und zur Normalität im Gastrobereich zurückkehren können. Die Bevölkerung hält sich so oder so immer weniger an die Massnahmen.

Wie meinen Sie das?
Schauen Sie nur auf die Bilder, die sich einem an einem sonnigen Abend präsentieren: Die Menschen stehen zusammen oder nehmen ohne Abstand auf einer Bank Platz. Das kann man nicht verantworten. Das ist keine Lösung. Dann ist es doch viel besser, wenn sich die gleichen Menschen auf einer Gartenterrasse treffen. Nochmals: selbstverständlich unter Einhaltung der Schutzkonzepte.