Gastronomie

Eine Nachspeise für alle

Cristina Bürgi – 23. August 2017
Viele Dessert- Rezepte enthalten Eier, Mehl und Rahm. Doch was tun, wenn sich gluten-, laktosefreie oder vegane Gäste ­ankündigen? Als Koch hat man die Qual der Wahl.

Die Nachfrage für allergenfreie und vegane Gerichte steigt. Das zeigt nicht nur der Erfolg von rein pflanzlichen Restaurants wie dem Elle’n’Belle in Zürich oder dem allergikerfreundlichen Tibits, sondern auch der grosse Sortimentsausbau im Detailhandel, wo immer mehr vegane oder «free from»-Produkte angeboten werden. Gemäss dem Allergiezentrum Schweiz sind hierzulande rund 20 Prozent der Bevölkerung von einer Nahrungsmittelintoleranz betroffen. Besonders häufig treten dabei Gluten-, Laktose-, Fructose- oder Histaminunverträglichkeit auf. Die Konsequenzen können fatal sein: So reichen die Beschwerden von Bauchschmerzen über Durchfall bis hin zu Hautausschlägen oder Kreislaufproblemen. Gerade auf Nachspeisen scheinen Betroffene allergisch zu reagieren: Viele Dessertrezepte enthalten nämlich Rahm und Butter (laktosehaltig), Früchte (fructosehaltig) oder Weizenmehl (glutenhaltig). Auch Eier und Honig sind beliebte Zutaten, die wiederum nicht mit einer veganen Ernährung vereinbar sind. Was zunächst kompliziert klingt, ist aber umgehbar: Wenn ein Restaurant den unterschiedlichen Bedürfnissen der Gäste gerecht werden möchte, findet es mittlerweile genügend Alternativen für alle Segmente – und hat teilweise sogar die Qual der Wahl. Sibel Erisik bietet in ihrem veganen Restaurant Elle’n’Belle eine saisonal wechselnde Dessertkarte an. Bei der Zubereitung verwendet sie statt Eier Maizena oder Ei-Ersatz und statt Butter Margarine oder Kokosfett. Gelatine ersetzt sie durch das pflanzliche Agar-Agar, das jedoch etwas schwieriger in der Handhabung ist. «Nimmt man zu viel, wird zum Beispiel eine Crème zu fest und bröckelig, nimmt man zu wenig, bindet es nicht.» Ausprobieren ist deshalb die Devise, auch was den Geschmack der Desserts angeht. «Oft schmecken herkömmliche vegane Desserts zu ‹gesund›», stellt Erisik fest. «Man merkt, dass etwas anders ist.» Deshalb setzt sie im Elle’n’Belle bei der Rezeptur auf intensive Aromen und scheut sich nicht, Fett und Zucker als Geschmacksträger einzusetzen. Bei glutenfreien Desserts ist wiederum die Konsistenz eine Herausforderung. «Gluten dient in ‹normalen› Backwaren als Gebäckgerüst und Gasrückhalter», erklärt Andreas Dossenbach, Leiter QS-Labor im Richemont Kompetenzzentrum für Bäckerei, Konditorei und Confiserie in Luzern. Anstelle des glutenhaltigen Weizenmehls könne deshalb mit Stärken und Bindemitteln wie Guar, Johannisbrotkernmehl und Flohsamen gearbeitet werden. Diese seien in Fachgeschäften erhältlich, wo je nach Bedarf auch weitere Varianten zu finden sind. «Die Nachfrage für gluten- und laktosefreie Patisserie ist vorhanden», ist Andreas Dossenbach überzeugt. «Deswegen gibt es mittlerweile auch genügend Marktanbieter.» Bei der Zubereitung müsse aber darauf geachtet werden, dass es zu keiner Vermischung oder Kontamination kommt. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte allergenfreie Desserts daher in einem abgetrennten Bereich zubereiten und auch separat von anderen Speisen lagern. Zu beachten sei ausserdem, dass die schriftliche Angabe der Allergene auf der Speisekarte seit dem 1. Mai 2017 Pflicht ist. Alternativ reiche aber auch ein schriftlicher Hinweis, dass die Gäste im Restaurant mündlich bei einer Fachperson nachfragen können. Bei Lauren Wildbolz vom Catering-Unternehmen vegan kitchen stehen biologische Qualität, der Verzicht auf raffinierten Zucker und die Vollwertigkeit bei den Rezepten im Vordergrund. «Am liebsten stellen wir rohe Patisserie her und arbeiten mit möglichst naturbelassenen Produkten», erzählt sie. Im Jahr 2010 hat Lauren Wildbolz das erste vegane Restaurant der Schweiz in Zürich eröffnet, das sie inzwischen an ein anderes veganes Unternehmen verkauft hat. Dennoch ist sie dem Kochen treu geblieben und organisiert Caterings für bis zu 300 Personen pro Anlass. «Die Nachfrage nach rein pflanzlichen Speisen wächst von Jahr zu Jahr», stellt sie fest. Vegane Desserts seien ihrer Meinung nach keine Hexerei, aber sie würden gutes Handwerk voraussetzen. «Für die vegane Küche gelten andere Regeln, und diese müssen erstmal gemeistert werden. Vielen traditionellen Köchen fällt das aber immer noch schwer.»

Agar-Agar
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Das bekannteste Geliermittel ist die aus Knochen gewonnene Gelatine. Wer eine pflanzliche Alternative bevorzugt, kann auf Agar-Agar zurückgreifen. Das Pulver wird aus Rotalgen gewonnen und muss zuerst aufgekocht werden, um gelierfähig zu sein.

Alternative Milch
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Für ein laktosefreies oder veganes Dessert eignet sich pflanzliche Milch, zum Beispiel Soja-, Hafer-, Reis- oder Mandelmilch. Die Rezeptur sollte aber vorgängig getestet werden, da einige Milchsorten einen stärkeren Eigen­geschmack haben.
Johannisbrotkernmehl
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Johannisbrotkernmehl kann in Backwaren das glutenhaltige Weizenmehl ersetzen. Das Pulver ist sehr nährstoffreich und quellfähig. Da es Wasser bis zum 100-fachen des eigenen Gewichts binden kann, eignet es sich auch gut als Ei-Ersatz.
Pflanzliches Öl
adGJ34 Rest Raps
Als Alternative zu Butter können pflanzliche Öle oder Margarine ­verwendet werden. Alba-Rapsöl ­verleiht Gebäck beispielsweise einen butterigen Geschmack und geröstetes Haselnussöl kann in einem Dessert gebräunte Butter ersetzen.