Gastronomie

Eine Chance für die Schweiz

Romain Wanner & Cristina Bürgi – 16. März 2017
Gastronomie und Tourismus gehen oft Hand in Hand. Das Walliser Tourismus-Observatorium hat dazu Trends, Chancen und Gästebedürfnisse analysiert.

Die Schweiz ist zwar europaweit das Land mit der höchsten Dichte an Sterne-Restaurants pro Einwohner, doch international wird sie nicht als Gourmet-Destination betrachtet – ganz im Gegenteil zu Ländern wie Frankreich und Italien, deren kulinarisches Erbe weltbekannt ist. Für Touristen in der Schweiz zählte das gastronomische Angebot bislang schlicht nicht zu den Hauptgründen, um das Land zu besuchen. In diesem Kontext hat das Walliser Tourismus Observatorium eine ­Studie zum Thema Gastronomie-Tourismus durchgeführt, um dessen ­Potenzial zu untersuchen. Die Ergebnisse sind paradox: Obwohl die Schweizer Gastronomie im ­Ausland keinen aussergewöhnlichen Ruf geniesst, gehört das ­Degustieren von Spezialitäten oder der Besuch erstklassiger Restaurants hierzulande bei Touristen zu den beliebtesten nicht-sportlichen Aktivitäten. Generell lockt der kulinarische Tourismus immer mehr Menschen an: Gemäss Studie wählen rund 20 Prozent der britischen Touristen ihre Reisedestinationen aufgrund der einheimischen Küche aus. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies, dass der Gastronomie-­Tourismus die Menschen interessiert. Vor allem die junge Generation, die ­sogenannten Mil­lennials (zwischen 20 und 35 Jahre alt), fühlen sich ­davon angesprochen. Sie suchen auf ihren Reisen nach authentischen Erlebnissen und frischen, meist ­gesunden Gerichten, die aus lokalen Zutaten bestehen. Das Ziel der Millennials ist es, sich über das Essen mit der lokalen Kultur zu identifizieren. Dafür gehen sie auch gerne auf Wochenmärkte und fotografieren ihre Entdeckungen, um sie anschliessend auf den Sozialen Medien zu teilen. Am Gastronomie-Tourismus sind auch die Online-Reiseportale interessiert, namentlich Expedia und Tripadvisor. Expedia hat beispielsweise auf dem eigenen Blog die Rubrik «Europe on a Plate» erstellt, in der typische Spezialitäten und Produkte aller europäischer Länder vorgestellt werden – auch die Schweiz ist mit Fondue, Zürcher Geschnetzeltem und Älplermagronen vertreten. Die Idee hinter den Blogeinträgen ist, dass die Nutzer dazu motiviert werden, ihre Reisedestination unter einem kulinarischen Blickwinkel zu entdecken. Ausserdem zeigt das Engagement der Online-Reiseportale, dass die Verbindung von Gastronomie und Tourismus durchaus vielversprechend wirkt. Interessant ist, dass Touristen in der Schweiz eine kulinarische Aktivität meist mit dem Besuch einer ländlichen Region oder Kleinstadt verbinden. Das lässt sich gut bei zwei Ortschaften beobachten, die sich punkto Gastronomie besonders hervorheben: einerseits der Kanton Freiburg, dessen kulinarisches Erbe rund um das Fondue sich gut vermarkten lässt, und andererseits das Tessin, das sich bereits als Gourmet-Destination etabliert hat und den Touristen nebst prächtigen Landschaften eine italienisch angehauchte Spezialitätenküche bietet. Gemäss der Studie könnte sich in Zukunft auch der Kanton Graubünden als gastronomische Destination etablieren. So möchte die lokale Tourismusförderung die Bündner Lebensweise inklusive Kochkunst stärker nach aussen tragen – ins­besondere das gastronomische Handwerk und regionale Spezialitäten wie Capuns und Pizokel. Dafür wurde Anfang 2016 die Arbeitsgruppe «Food Tourism» geschaffen. Diese entwickelt Angebote wie die individuellen «Gourmet Packages», die den Besuchern zum Beispiel eine Degustation in Kombination mit einer Wanderung und Übernachtung anbieten. Punkto Vermarktung kann sich die Schweiz auch im Ausland Inspirationen holen: So haben sich unter anderem Irland und Australien jüngst zu internationalen Gourmet-Destinationen entwickelt – nicht zuletzt dank gross angelegter Marketingkampagnen, Food-Festivals und der Zusammenarbeit lokaler Partner. Die zentrale Aussage der Studie vom Walliser Tourismus Observatorium ist, dass sich der Gastronomie-­Tourismus derzeit im Höhenflug befindet und die Schweiz diesbezüglich nicht ihre Chance verpassen sollte. Es lohnt sich, in die Vermarktung der Gastronomie zu investieren und eine Strategie auszuarbeiten, damit die Schweiz zur Gourmet-Destination von morgen wird.