Gastronomie

Ein Whisky-Bier zum Dessert

Natalia Godglück – 29. Mai 2018
Schweizer trinken hauptsächlich Lager. Welche Bierstile zum Essen besser passen, weiss Bier-Sommelier Christoph Zindel.

Christoph Zindel aus Tamins ist seit 2013 Diplom-Sommelier mit Ausbildung in Zürich und München. Sein grosses Wissen über Bier, dessen Geschichte sowie Herstellungsprozesse teilt er gerne mit anderen Menschen. Zuletzt Ende Mai beim «Beer & Dine» im Restaurant «Va Bene» in Chur. GastroJournal: Trinkt man Bier aus der Flasche oder aus dem Glas?
Christoph Zindel:
Natürlich nur aus dem Glas! Die Aromen und Finessen eines Biers entwickeln sich so viel besser. Zudem beurteilen wir Bier-Sommeliers das Bier auch visuell, also die Farbe, Schaumbildung, Trüb- oder Klarheit, was in der Flasche unmöglich wäre. In welcher Temperatur trinkt man das perfekte Bier?
Das kann man nicht verallgemeinern. Als reiner Durstlöscher ist ein gekühltes Bier ideal, bei mir meist ein einfaches Lager. Will man ein Bier jedoch geniessen, wählt man ein komplexeres und vielleicht auch ein dunkleres Bier, welches durchaus Raumtemperatur haben darf. Seine Aromen entfalten sich ganz anders.

Eine Bierkarte im Restaurant würde ich sehr begrüssen
Was ist die Kunst eines Bier-Sommeliers?
Es gibt keine Kunst. Wir beurteilen das Bier immer nach unserem persönlichen Geschmacksempfinden, denn Aromen, Duft- oder Bitterstoffe erlebt jeder Mensch anders. Hierfür braucht es sensorische Eigenschaften, die man schulen kann. Eine Herausforderung ist es jedoch, das Bier nach seinem Stil einzuordnen, ob es ein Weizen, Porter, Stout oder ein Triple ist. Wie ist die Schweizer Bierkultur?
Im Vergleich zu den USA, Deutschland oder Belgien ist sie weniger entwickelt. Noch bis vor wenigen Jahren hat sich unsere Bierkultur auf «Stange» oder «Kübel» beschränkt, was noch heute in den Restaurants meist gang und gäbe ist. Dann haben kleine Brauereien angefangen, mutig in der Schweiz eher unbekannte Bierstile zu brauen, worauf die grossen Brauereien nachgezogen haben – wenn auch nur als Nischenprodukte. Inzwischen haben wir zwar grosse Fortschritte gemacht, mit dem Level der hiesigen Wein-Kultur können wir uns jedoch nicht vergleichen. Wenn es in der Gastronomie nebst der Wein- auch eine Bierkarte gäbe, würde ich das sehr begrüssen. Wie viel Bier trinken wir?
Die Schweizer haben 2017 im Schnitt über 54 Liter Bier getrunken, was rund die Hälfte vom Bierkonsum der Deutschen ist. 75 Prozent davon waren Lager. Ist Biertrinken in einem noblen Restaurant salonfähig?
Durchaus! Wesentlich ist jedoch, wie es serviert wird. Erhalte ich an einer weiss gedeckten Tafel einen Humpen Bier, ist das klar ein Stilbruch, ein schönes Bierglas jedoch nicht. Woher kommt der Trend, dass man zum Essen Bier trinkt? Haben wir das den zugewanderten Deutschen oder den zahlreichen Craft-Biers zu verdanken?
Unsere nördlichen Nachbarn sind stark daran beteiligt und uns in dieser Hinsicht weit voraus. Dass wir zum Essen Bier trinken, haben wir jedoch den Amerikanern abgeschaut, wie auch den Trend von Craft-Beer-Brewings, handwerklich gebrauten Bieren.
Biertrinken ist ein persönliches Genuss-Erlebnis
Worauf sollte man achten, wenn man ein Bier zum Essen trinkt?
Es verhält sich ähnlich wie beim Wein – nicht mit einem starken Bier beginnen. Ein Weizen passt gut zu Salat, ein helles Bier zu hellem Fleisch und ein dunkles zu einem saftigen dunklen Braten. Zu Fisch harmoniert ein helles, süffiges Bier mit Zitrusnote. Wichtig ist zu entscheiden, ob man im Gaumen etwas Ergänzendes oder Konträres zu den Speisen wünscht. Gemeinsam eine Flasche Wein zum Essen geniessen, hat etwas Verbindendes. Wie ist das beim Bier, trinkt hier jeder seine eigene Flasche?
Wieso nicht? Biertrinken ist ja auch ein persönliches Genuss-Erlebnis. Es gibt aber auch qualitativ hervorragende Biere in 0,75 Liter-Flaschen, die man gemeinsam geniessen kann. Mit dem Preis von 30 Franken sind sie nahe beim Wein. Ist der Spruch «Bier auf Wein, das lasse sein» für Sie stimmig?
Ich halte mich daran, ja. Ebenso wie an den zweiten Teil des Spruchs, «Wein nach Bier, das rat ich dir». Gibt es eigentlich auch Biere, die zu Desserts passen?
Das ist immer eine spannende Geschichte, mit denen man die Gäste überraschen kann. Das sehr dunkle Stout-Bier beispielsweise hat starke Röstaromen, die von Kaffee bis fast hin zu Schokolade reichen. Das passt prima zu Süssspeisen. Nach einem üppigen Essen empfehle ich auch ein im Fass gelagertes Whisky-Bier.