Gastronomie

Die Stärken beider Generationen

Peter Grunder – 02. Februar 2017
Der Gene­rationenwechsel ist eine der grossen Herausforderungen im traditio­nellen Schweizer Gast­gewerbe. Ein Beispiel.

«Ich freue mich sehr über seinen Entschluss», sagt Anne mit einem Blick zu ihrem Sohn Patric, «und ich finde es eine gute Art, langsam abzugeben und zu übergeben.» Sie seien damals Knall auf Fall eingestiegen, blickt Vater René Maeder eine Generation zurück. Seine Eltern hätten sich 1976 komplett aus dem Betrieb zurückgezogen und den Jungen das Feld überlassen. «Wir wurden ins kalte Wasser geworfen und haben uns oft den Kopf angeschlagen», sagt René, «aber ich empfand das damals als super.» «Ich bin froh, kann ich so einsteigen», findet Sohn Patric: «Schritt für Schritt, aus unseren vielen Gemeinsamkeiten und aus unseren Differenzen das Beste machen und über mehrere Jahre den Betrieb übernehmen.»

«Ich bin froh, kann ich so einsteigen»
Etwa vier Jahre hat sich die Familie gegeben. In dieser Zeit sollen das Waldhotel Doldenhorn, das eben zur Gruppe «Relais & Châteaux» gestossen ist, und der nahe Landgasthof Ruedihus, ein ebenso historisches wie hochkarätiges Haus, komplett in die Hände der jungen Generation übergehen. Zu klären sind dabei nicht nur juristische und finanzielle Belange, die bei Maeders insofern leichter fallen, als Patric keine Geschwister hat und die Substanz damit erhalten bleibt. Zu klären ist in einem umfassenden Sinn auch Betriebswirtschaftliches und Unternehmerisches. Gegen den traditionellen Familienbetrieb spreche, dass man nicht von Grösseneffekten profitieren könne und das Risiko konzentriert sei, analysiert Patric. Daraus ergebe sich auch die kritische Haltung namentlich von Grossbanken, erläutert der junge Gastgeber, der unter anderem die Hotelfachschule Lausanne, eine Handelsmatur und zahllose Diensttage als Offizier absolviert hat. Für den Familienbetrieb wiederum spreche unter anderem «die hohe Identifikation und die strategisch langfristige Sicht», sagt Patric. Der Managementhorizont in ­Kettenbetrieben bleibe demgegenüber sehr beschränkt, und überdies sei es im Familienbetrieb einfacher, Erfahrungen und die Identifikation weiterzugeben.
«Ich hoffe, dass wir einen gemeinsamen Weg finden»
«Es macht Spass», bringt es Patric schlagend auf den Punkt, zumal seine Eltern immer gut zum Betrieb geschaut hätten. Da sei Wachstum über Jahre, da seien Stammgäste und etablierte Häuser: «Ich kann in ein solides Unternehmen auf einem guten Level einsteigen». Dass der Übergang einfach wird, erwartet trotz guter Voraussetzungen freilich niemand in der Familie: «Ich hoffe, dass wir einen gemeinsamen Weg finden», sagt Anne. «Von beiden Seiten muss die Bereitschaft da sein, aufeinander zu hören», fordert René und spricht da auch zu sich selbst: «Oft ist es die Dominanz und Sturheit der Älteren, die Generationenwechsel scheitern lässt.» «Ich muss verstehen, woher meine Eltern kommen – und sie müssen verstehen, woher ich komme», nennt Patric eine Art Rezeptur. «Wir haben die Chance, die Stärken beider Generationen einzubringen», nimmt René diesen Faden auf. Blauäugig ist die ältere Generation aber nicht. «Wir übergeben eigentlich nicht ein Geschäft, sondern eine grosse Aufgabe und grosse Schulden», meint René.
«Ich gebe alles,damit es nicht an mir scheitert»
Patric wird darob nicht bang; den Familienbetrieb weiterzuführen, ist ihm keine Last: «Ich bin auch deshalb zuversichtlich, weil ich sehe, dass die Eltern Verständnis für meine Ideen haben.» Natürlich werde er die Häuser anders führen als seine Eltern, sagt Patric, schliesslich hätten sich auch die Märkte gewandelt und die Gäste verändert: «Das Sozialgefüge ist ganz anders geworden.» Entsprechend werde er etwa von der starken Identifikation mit dem Namen Maeder samt der grossen persönlichen Präsenz wegkommen – und stattdessen mehr das Produkt forcieren und die Identifikation von Gästen und Mitarbeitenden mit diesem Produkt. «Ich bin auch zuversichtlich», sagt René, «und ich gebe alles, damit es nicht an mir scheitert.»