Gastronomie

Die Sache über die Personen stellen

Peter Grunder – 20. April 2018
In der Stadt Bern arbeiten die gastgewerblichen Verbände hotelleriesuisse und GastroSuisse seit Jahren unter einem Dach – und der operativen Führung von Melitta Kronig-Hischier: Portrait einer Persönlichkeit.

Auf dem Pult von Melitta Kronig-Hischier liegen feinsäuberlich angeschriebene, farbenfrohe Boxen: «Verband Gastro» steht direkt beim «Verband Hotellerie», gleich daneben finden sich «Partnerorganisationen». Seit bald 20 Jahren leitet die Oberwalliserin die gemeinsame Geschäftsstelle der beiden gastgewerblichen Verbände in der Stadt Bern. «Auf dieser Ebene geht das super», sagt sie zum Modell, das in dieser Form einzig­artig ist in der Schweiz. Dass es funktioniert, liegt für sie vorab an den grundsätzlich gemeinsamen Interessen der Branche und an der Überschaubarkeit Berns. Zwar seien die Kulturen der beiden gastgewerblichen Branchen aufgrund der verschiedenen Aufgaben unterschiedlich. Aber weil man sich in Bern kenne, könne man miteinander sprechen: «Das braucht manchmal eine gewisse Beharrlichkeit.» Dafür ist die alleinerziehende Mutter einer erwachsenen Tochter bestens gerüstet: Schon in der Schule hatte sie während der Ferien und in der Freizeit bei jeder Gelegenheit im Gastgewerbe gearbeitet. Indes kamen zuerst die Handelsschule in Brig und ein Auslandaufenthalt in London. Dort erreichte sie ein Anruf: Ob sie nicht im Verkehrsbüro auf der Riederalp eine Schwangerschaftsvertretung übernehmen könne – sie blieb in der Folge vier Jahre. Als aber das Bahnhofbuffet Oberwald ausgeschrieben war, zog es sie doch ins Gastgewerbe: Sie erwarb das Walliser Wirtepatent und übernahm 1983 den Betrieb am Westportal des Furkatunnels. In Oberwald, wo ihre familiären Wurzeln liegen, hielt es sie aber nicht: Das Angebot, für Imholz als Reiseleiterin nach Sardinien zu gehen, war zu verlockend. Als sich aber Imholz und Hotelplan zusammentaten, die Gästebetreuung eher zur Abfertigung wurde und Melitta persönlich die Freude am Reisen zu verlieren drohte, lockte die nächste Aufgabe: Beat Ruppen, Direktor der Tourismusorganisation von Blatten-Belalp, bot ihr eine Stelle an. Doch als sie vor Ort war, ­erklärte Ruppen, er habe gekündigt und sie als neue Direktorin vorgeschlagen: Melitta nahm die Herausforderung an. So wurde sie 1987 die erste Kurdirektorin der Schweiz und bildete sich in Siders zur Tourismusexpertin weiter. Es seien gute Jahre gewesen, erzählt sie: «Ich hatte nie einen Job, das war immer Teil meines Lebens.» Als Kurdirektorin habe sie jedoch mit der Zeit einerseits eine «sanfte Abgehobenheit» empfunden, und andererseits kam der Wunsch nach einer Veränderung auf: «Ich bin ziemlich freigeistig und brauche ab und zu meine Ruhe.» Insofern habe sie sich auch kaum Karrieregedanken ­gemacht, sondern sei offen geblieben: «Ich bin frei, ich kann alles.» Ob er nicht eine Aufgabe für sie habe, fragte sie also ihren damaligen Stadtberner Kollegen Walter Rösli. Schon, habe der gemeint, aber dafür sei sie überqualifiziert. Doch Melitta wollte, zog nach Bern, ­organisierte von zuhause aus die Unterkünfte fürs eidgenössische Schwingfest 1998 und kümmerte sich um die neugeborene Tochter. Diese Arbeitsform passte, nach Bern folgte ein Intermezzo beim Oberwalliser Radio Rottu – und eine Anfrage aus Bern, ob sie nicht im Mandat die neu geschaffene Geschäftsstelle der Stadtberner Hotellerie übernehmen wolle. «Die grosse Herausforderung in solchen Veränderungen ist es, die Sache über die Personen zu stellen, dann gibt es weniger Stolpersteine», sagt sie – und spricht damit von heute: Zum einen führt sie die städtischen Geschäfte von Hotelleriesuisse und Gastro­Suisse, die in Bern auch baulich unter einem Dach sind – für die gemeinsame General­versammlung von nächster Woche liegen die beiden Jahresberichte bereit. Zum anderen geht die Entwicklung weiter: Mit «Bern Welcome» entsteht eine integrierte Standortförderung, die auch den Tourismus und die Stadt umfasst. Die verschiedenen Branchenanliegen sollen darin nicht untergehen, sondern gebündelt mehr Kraft entwickeln: «Wir geben etwas auf, das funktioniert, weil wir mehr herausholen können.» Dass sie vom Projekt zugleich überzeugt ist und es selbstkritisch hinterfragt, ist nicht nur systemisch erfolgversprechend, sondern zeichnet sie auch aus: An ihr wird es nicht scheitern, auch dank ihr kann es gelingen.