Es ist ein lauer Sommerabend im Juli. Das Hotel-Restaurant Bahnhof Zollikofen in Zollikofen BE ist für einen Montagabend sehr gut besucht. Die Rückseite der Terrasse gleich neben dem Bahnhof wird von bunten Hortensien geschmückt. Gleich daneben der Pizzaofen – das Herzstück des Restaurants. Die umfangreiche Karte bietet den Gästen von Pizza bis Pasta über Fleisch auf dem heissen Stein bis hin zu bekannten Klassikern aus der Schweizer Küche alles an. Oberhalb des Restaurants befinden sich die Hotelzimmer. Ein Restaurant mit einer gutbürgerlichen Küche und ein Hotel mit kleinen, aber feinen Zimmern. Ein Betrieb wie viele andere. Doch etwas ist anders. Die Stimmung ist trotz der vielen Gäste angenehm entspannt. Von Hektik und Stress ist bei den Angestellten nichts zu spüren, der Umgang unter ihnen kollegial und herzlich. Fast schon wie in einer Familie. Es ist einer der vier Betriebe der Familie Asani.
Die Geschichte hat ihren Ursprung 1984, als die vier Brüder einer nach dem anderen aus Nordmazedonien in die Schweiz einwandern – mit einem Hauch von Nichts im Gepäck. Doch alle vier Brüder haben den gleichen Traum: eine eigene Firma, um damit eine nie da gewesene finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit zu schaffen. Für sich und für die ganze Familie.
Gastgewerbe oder Baubranche?
Besim Asani (62) beginnt seine berufliche Laufbahn in der Schweiz als Tellerwäscher in einem Restaurant am Klöntalersee im Kanton Glarus. Schritt für Schritt arbeitet er sich vom Tellerwäscher über den Service hoch. Asani realisiert schnell, dass er seinen Traum von einem eigenen Betrieb am abgelegenen Klöntalersee nicht verwirklichen kann. Vom Klöntalersee wechselt er deshalb nach Zollikofen. Seine Brüder sind dort im Baugewerbe tätig. Asani beginnt in der Pizzeria Rebstock in Zollikofen als Kellner. Seinen Traum stets vor Augen, macht er im 1991 das Wirtepatent. Auch seine Brüder machen mit. Ohne viel Erfahrung entscheiden sie sich 1996 für einen gemeinsamen Start in der Gastronomie: mit einem kleinen Restaurant in einer Einkaufspassage in Biel. Schwerpunkt: italienische Küche. Wieso? Weil die eigene Landesküche viel zu unbekannt und auch die Personalsuche mit einem italienischen Restaurant viel einfacher war.
Die ganze Familie hilft mit: Besim Asani arbeitet als Koch und ist für die Buchhaltung zuständig. Agim Asani (56) arbeitet als Pizzaiolo und Muzafer Asani (60) im Service. Naser Asani (65) führt den Betrieb als Geschäftsführer. «Vor allem am Anfang war der Zusammenhalt innerhalb der Familie sehr wichtig, weil die Unsicherheit gross und es viele Herausforderungen gab», erzählt Besim Asani, heutiger Inhaber vom Hotel Restaurant-Bahnhof Zollikofen.
Eine Geschichte mit vielen Hochs und Tiefs
Bereits nach eineinhalb Jahren läuft das Restaurant, und die ersten Stammgäste besuchen das Restaurant regelmässig. Als die Liegenschaft verkauft wird, muss das Restaurant weichen. Und damit auch der Traum vom eigenen Restaurant. Doch die Brüder können kurz darauf die Pizzeria Punto D’Oro in Biel BE übernehmen. Ein Restaurant mit 40 Sitzplätzen. Der gesamte Gewinn wird auf die Seite gelegt, um in Zukunft etwas Eigenes kaufen zu können. Nie mehr soll es passieren, dass sie ein gut funktionierendes Restaurant wieder schliessen müssen, nur weil die Liegenschaft verkauft wird.
Gleichzeitig merken die Brüder immer mehr, dass es auch Schwierigkeiten mit sich bringt, wenn die ganze Familie in einem einzigen Betrieb arbeitet. «Konflikte und Spannungen bei unterschiedlichen Meinungen sind innerhalb einer Familie normal», erklärt Agim Asani, heutiger Inhaber der Pizzeria Rebstock in Zollikofen. Da sei die emotionale Belastung, wenn mal nicht alles rundläuft, extrem hoch, da Privatleben und Geschäft eng miteinander verbunden seien, führt er weiter aus.
Die Wege trennen sich
Mit dem Ziel, dass jeder der Brüder in Zukunft einen eigenen Betrieb führen kann, hält die Familie Augen und Ohren offen. Es kommt das Angebot, die Pizzeria Rebstock in Zollikofen BE als Pächter zu übernehmen. Ein Restaurant mit 120 Sitzplätzen und einer Terrasse mit 60 Sitzplätzen. 2001 wechseln zwei Brüder (Besim und Agim) ins Restaurant Rebstock nach Zolli-kofen, während die anderen beiden Brüder (Muzafer und Naser) in Biel bleiben. Sie übernehmen 2002 die Pizzeria Seeland in Biel als Pächter. Einige Jahre später können die Brüder das Gebäude, in dem sich die Pizzeria Rebstock befindet, in zwei Etappen kaufen. 2005 folgt dann der grösste Meilenstein in der Geschichte der Familie Asani: Der Kauf des Gebäudes am Bahnhofplatz Nr. 7 in Biel, inklusive der Pizzeria Seeland. «Wir konnten lange Zeit gar nicht realisieren, dass uns dies gelungen ist, und mussten nach dem Kauf noch härter arbeiten, um die hohen Kosten zu stemmen», erzählt Naser Asani. Er war der Initiator des Kaufes in Biel und auch an allen anderen Liegenschaftskäufen federführend beteiligt.
2011 erhält Besim Asani das Angebot, das Hotel-Restaurant Bahnhof Zollikofen zu kaufen. Einmal mehr legt die Familie alles verfügbare Geld zusammen und kauft auch dieses Gebäude. So wurden Besim und sein Sohn Jamin Asani auch noch zu Hoteliers. Ein neues Metier. Abermals müssen sich die beiden alle Kompetenzen selber beibringen. Jamin Asani absolviert das G1 Gastro-Grundseminar von GastroSuisse, um sich das fehlende Wissen anzueigenen. Die ersten vier Jahre sind schwierig. Doch nach einem kompletten Umbau und einer Neupositionierung des Restaurants, beginnt auch das Bahnhof-Restaurant rentabel zu werden. 2016 kam schliesslich noch die Pizzeria 3 Tannen in Biel dazu. Aus einem kleinen Familienbetrieb ist ein grosses Familienunternehmen mit mehreren Restaurants geworden.
Neue Generation – andere Ansprüche
Jeder Bruder besitzt nun sein eigenes Restaurant. Die Familie beschliesst, die Finanzen und die Führung der Restaurants zu trennen. Auch weil die nächste Generation in die Betriebe eingeführt wurde. Rund zwei Jahre dauerte das Steuerruling (Vorabentscheid der Steuerbehörde zu einem bestimmten Sachverhalt) mit dem Treuhänder, denn die Familie Asani besitzt mittlerweile vier bis fünf Liegenschaften mit verschiedenen Hypotheken sowie Geschäfts- und Wohnräumlichkeiten. Das Ziel: Alle sollen am Schluss mehr oder weniger gleich viel besitzen.
«Als ich und meine Cousins in die Betriebe eingeführt wurden, merkten wir schnell, dass wir nicht mehr bereit warten, gleich viel zu arbeiten wie unsere Väter», sagt Jamin Asani (33), Geschäftsführer im Hotel-Restaurant Bahnhof Zollikofen. Gleichzeitig sei es stets das oberste Ziel gewesen, der harten Arbeit ihrer Väter Respekt zu zollen und die Betriebe weiterhin erfolgreich und stabil zu führen, betonen Jamin und sein Cousin Nazif Asani. «Nichtsdestotrotz wollen wir Zeit mit unseren Familien verbringen, in die Ferien gehen und nicht mehr sieben Tage die Woche arbeiten», so Jamin Asani. Ein Spagat, der nicht ganz einfach sei, führt er weiter aus. Die Angst zu versagen und damit alles, was ihre Väter aufgebaut haben, zu verlieren, sei sehr hoch, räumen Nazif und Blerim Asani, die beiden Söhne von Naser Asani, ein.
Das Erfolgsrezept Asani
Mit der Zeit hatten die Asani-Brüder und ihre Familien Übung im Eröffnen von neuen Restaurants. Jamin Asani, Sohn von Besim Asani, sieht das Rezept für den Erfolg in der Gastfreundschaft. «Mein Vater und meine Onkel waren sieben Tage die Woche von früh morgens bis spät abends in den Betrieben präsent.» Asani selber hat seinen Vater nur selten zu Gesicht bekommen. Immer donnerstags, so kann er sich an seine Kindheit erinnern, hat ihn seine Mutter früh morgens geweckt, sodass er zumindest ein paar Minuten mit seinem Vater hatte, um sich mit ihm auszutauschen, bevor dieser wieder zur Arbeit musste. Die restliche Zeit haben sich die beiden verpasst. Denn der Vater kam erst spätabends von der Arbeit zurück, als der Sohn bereits am Schlafen war, und ging frühmorgens wieder in den Betrieb.
Auch Naser Asani (65), Inhaber und Geschäftsführer der Pizzeria Seeland in Biel, bestätigt die Aussage seines Enkels: «Jeder von uns hat sieben Tage die Woche gearbeitet und das bis zu zwölf, bis vierzehn Stunden am Tag, sodass wir praktisch jederzeit für unsere Gäste da waren.» Neben einem exzellenten Service, einer angenehmen Atmosphäre, einem guten Standort sowie einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis benötige ein Restaurant vor allem eine Geschäftsführung, die immer für die Gäste da sei, bestätigt auch Muzafer Asani, Inhaber der Pizzeria 3 Tannen in Biel. «Mir ist aufgefallen, dass die Gäste viel eher bei der Geschäftsführung reklamieren, wenn diese gerade im Haus ist, als beim Servicepersonal. Und Reklamationen brauchen wir, um uns stetig zu verbessern», so der Geschäftsführer.
Man darf gespannt sein, wie die zweite Generation der Familie Asani die Geschichte weiterschreiben wird. Was jedoch bereits klar ist, dass es diese Familie in einem neuen Land geschafft hat, sich eine sichere Existenz aufzubauen, und sie mit viel Einsatz, Zeit und Leidenschaft vier tolle Betriebe etabliert hat, die aus Zollikofen und Biel nicht mehr wegzudenken sind. Handwerker, Stammkunden und Familien schätzen die ehrliche und währschafte Küche in den Restaurants.
Die erste Generation der Familie Asani: Muzafer Asani, Besim Asani, Naser Asani und Agim Asani (v.l.)