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Der Saltz- und Schoggi-Zauberer

Corinne Nusskern – 24. März 2020
Christian Hümbs, seit Kurzem Chef-Pâtissier im The Dolder Grand, ist einer der Trendsetter der modernen Pâtisserie. Er kann aber auch klassisch.

Der in weisser Schokolade abgelöschte Kaisergranat und das kühle Gurken-Wasabi-Glace werden von einer tiefgründigen Tomatenconsommé umspielt. Die ausbalancierte Kombi ist ein gelungener Mix von Texturen, Süsse und Säure. Und der erste Gang eines eigens für diesen Abend kreierten Aroma-Menüs von Christian Hümbs, seit November 2019 Chef-Pâtissier im The Dolder Grand.
«Das viergängige Menü wird einige gewohnte Sachen umstossen», warnt Hümbs schelmisch, «ich werde Fisch, Fleisch und Gemüse mit Grundelementen aus der Pâtisserie zubereiten.» Kann er. Hümbs hat vor über 20 Jahren erst Konditor, dann Koch gelernt und beweist beim zweiten Gang, wie er klassische Grenzen mit allen Freiheiten aufbricht. Das Hauptelement ist Eichenholz, zu dem ihn ein befreundeter Winzer inspirierte. Das auf 80 Grad aufgeheizte Holz wird danach in einen Apfel-Quitten-Fond gelegt. Der Rest ist Schweigen. Bis der Fonds fertig ist, dauert es bis zu sechs Wochen. Hümbs kreiert daraus eine Art Riesen-Sphäre, ergänzt sie mit Burrata in diversen Konsistenzen, einem Beurre-Blanc-Eis und Sauerteig-Crisp.
Der mehrfach ausgezeichnete Pâtissier aus dem Ruhrgebiet ist ein Glücksfall für das Luxushaus am Zürichberg. Vor etwa einem Jahr suchte Markus Granelli, General Manager des Dolders nach einem Nachfolger von Andy Vorbusch. «Ich rief Christian Hümbs an», erzählt Granelli. Ein paar Monate und einige Treffen später war man sich einig. «Das Dolder ist für mich ein heiliger Gral. Nun bin ich da», sagt der Spitzenpâtissier. Er fühlt sich sichtlich wohl mit seinem Team. «Alleine kann man der kreativste Mensch der Galaxie sein, ohne Team funktioniert nichts.» Auch in Zürich ist er angekommen, hat viele Freunde in der Stadt, unter ihnen auch Arbeitskollege Heiko Nieder. Der Trend zu leichten Desserts
Hümbs ist nicht der Erste, der Gemüse oder Salat in Desserts verwendet. «In einem Rüeblikuchen waren schon immer Karotten!», sagt er. Um die Grundsüsse, die in diversen Gemüsen und Salaten bereits vorhanden ist, herauszufiltern, benutzt er verschiedene Techniken – sowohl aus der Pâtisserie wie aus der Küche. «Ich mache diesen Job seit 22 Jahren, da fliesst viel Erfahrung mit ein. Dazu kommt ein grosses Netzwerk von Freunden», erzählt er. «Das Beurre-Blanc-Eis beispielsweise stammt ursprünglich vom 3-Sterne-Koch Juan Amador in Wien.»
Hümbs spricht unheimlich schnell. Taucht er mit seinen Erklärungen in die Tiefen seines Metiers ein, leuchtet sein ganzes Gesicht. Mit seinen ausgefallenen Kreationen trifft er den Nerv jener Gäste, die am Ende eines Menüs etwas Leichtes bevorzugen und nichts schokoladenlastig Schweres möchten. Sein berühmtestes Dessert ist vielleicht jenes mit Salat, weisser Schokolade und eingelegten Kirschen. Zu Beginn der Salatidee war der Verbrauch an Rohstoffen intensiv. «Zum Glück ist Salat nicht so teuer, vieles landete in der Tonne ...»
Anderes entsteht durch puren Zufall wie etwa die Sojasauce im Hauptgang des Aromamenüs: Ein unter einem filigranen Baumstamm aus Kakaoblätterteig liegender, leicht caramelisierter Schweinebauch, darunter cremig-stückige dunk­le Schokolade, die süss durchknallt, aber vom Shiso-Eis und der unglaublich schmackhaften, selbstgemachten Sojasauce abgefedert wird.
Neben Texturen und Konsistenzen sind Temperaturen zentral in Hümbs’ Kreationen. «Eine gekühlte Himbeere besticht durch ihre Säure. Legt man sie eine Minute in die Mikrowelle, wird sie durch den so zum Vorschein kommenden Zucker süss», führt Hümbs aus. «Aus demselben Produkt kann ich verschiedenste Aromen herausholen, das ist für mich ein Spiel auf dem Teller.» Nun hat auch das Dolder seine Torte
Viele Luxushäuser wie das Sacher und Imperial in Wien oder der Bayerische Hof in München haben ihre eigenen Torten, The Dolder Grand jedoch nicht – bis Christian Hümbs kam. Das Kunstwerk Dolder-Torte besteht im Wesentlichen aus Champagnerbuttercrème mit Himbeeren, überzogen mit Marzipan und glasiert mit dunkler Schokolade.
Seine Dessert-Kreationen wie «Heumilch» (auch der letzte Gang des Aroma-Menüs) oder «Geröstete Quinoa mit Eichenholz» finden sich auf der Dessert-Karte des Restaurant Saltz. Er bäckt aber ebenso ganz klassisch für die Kuchentheke. Dazu gehören Macarons und Pralinés, gerne auch mal mit Rotkohl-Ganache gefüllt. Er ist dankbar, dass er sich im Dolder so entfalten kann: «Es ist für mich die perfekte Balance zwischen klassischer Pâtisserie und kreativem Experimentieren.» Die Aroma- Menüs gibt es aufgrund von Ressourcen erstmals nur an Events und speziellen Anlässen. Noch. Eine permanente Etablierung wäre ein Gewinn. Wir warten.