Gastronomie

Das gibt es nicht mehr so viel

Peter Grunder – 23. Februar 2017
Im Spätherbst wird eine Epoche zu Ende gehen: für ein Gastgeberpaar und für einen Betrieb.

«Es wäre gut, wenn sich ­jemand finden würde, der das weiterführt», sagen ­Verena und Hansueli Bieri-Krügel am Schluss des Gespräches im Entrée des Gasthofs Schnittweierbad ob Steffisburg. Das Ehepaar lässt die Pacht, die es seit Jahrzehnten von Jahr zu Jahr erneuert hatte, im kommenden Spätherbst auslaufen: Nach 35 Jahren wird im Schnittweierbad eine Epoche zu Ende gehen. Verena war als Bauerntochter im luzernischen Marbach aufgewachsen und hatte im nahen bernischen Schangnau schon während der Schulzeit bei der legendären Rosa Hadorn im Gasthof Wald regelmässig ausgeholfen: «Es gibt für mich nichts Schöneres als Wirten.»

«Es gibt für mich nichts Schöneres als Wirten»
Hansueli Bieri lernte sie im Kemmeribodenbad kennen, wo sie im Service arbeitete und er in der Küche stand. Bieri, im Schangnau als ­Arbeitersohn aufgewachsen, hatte schon während der Schulzeit gewusst, dass er Koch werden wollte. «Wie meine Grossmutter jeweils Mehlsuppe zubereitete, hat mich fasziniert», erinnert sich Hansueli: «Ich koche noch heute gern, es ist so ein weites Spektrum, und es gibt immer wieder Neues.» In der Ilfisbrücke Langnau lernte Hansueli das Kochhandwerk, nach Wanderjahren kam er nach Schangnau zurück ins Kemmeribodenbad – und traf Verena. Gemeinsam hätten sie in der Folge Saisonstellen gesucht, erzählt Verena: «Es war klar, dass wir zusammen etwas machen wollten.» Bald hätten sie sich auch nach Betrieben umgeschaut, ergänzt Hans­ueli: «Wir wollten das, selber etwas aufbauen, selber entscheiden, auf eigenen Beinen stehen.»
«Ich koche noch ­heute gern, es ist so ein weites Spektrum»
Das Schnittweierbad hat als Gasthaus und Badekurort eine grosse Geschichte, die ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Anfang der 1980er-Jahre jedoch lag das Haus betrieblich am Boden. Es sei wohl einfacher, etwas aufzubauen als ein hohes Niveau zu halten, findet Hansueli: «Im Oktober 1982 haben wir geheiratet, und im Dezember haben wir angefangen.» «Wir waren unbekümmert damals», blickt Verena zurück, «heute würden wir uns vielleicht mehr Sorgen machen». Am Anfang standen eine dreijährige Pacht, die klare Vorstellung einer gepflegten, gutbürgerlichen Saisonküche sowie die vage Idee, eines Tages vielleicht etwas zu kaufen. Nach der dreijährigen Pacht folgte eine fünfjährige – anschliessend stand eine Entscheidung an. Sie hätten sich wieder umgeschaut, abgeklärt, abgewägt – auch den Kauf des damals sanierungsbedürftigen, aber inzwischen umfassend modernisierten Schnittweier­bades. Schliesslich blieb es beim Standort und der Pacht: «Wir hatten uns in acht Jahren einen Gästestamm aufgebaut und einen Namen gemacht», sagt Hans-ueli, «heute sind wir fast froh, nichts gekauft zu haben.» Mit der gepflegten Gaststube, mit zwei Sälen, Terrasse, Kinderspielplatz und dem lauschigen Umfeld spricht das Schnittweierbad ein breites Publikum an, zumal alles ebenerdig und rollstuhlgängig ist. Mindestens die Hälfte der Nachfrage schaffen Gruppen, ein zufälliges Passantengeschäft gibt es praktisch nicht. Fast alle sind in gewisser Weise Stammgäste: Während manche schon allein wegen Hansuelis gebrannter Crème einkehren, kommen andere von weither, um sich Verenas sensationelle Dekorationen anzuschauen.
«Wir würden ­keinem jungen Paar davon abraten»
Sie würden keinem jungen Paar davon abraten, in die Branche einzusteigen – vorausgesetzt eine gute berufliche Qualifikation, gastgewerbliches Flair und «dass man zwei Löhne selber verdient», wie Hansueli klarstellt. Die Entwicklungen rund ums Gastgewerbe allerdings sehen sie mit einiger Sorge: Den Fähigkeitsausweis, den Verena einst im Luzernischen und Hansueli im Bernischen erlangt hatte, sähen sie als gute Möglichkeit, wieder mehr Ordnung in die Branche zu bringen; heute würden Berufsleute «manchmal für dumm verkauft», findet Verena. Indes wissen sie gerade im Schnittweierbad auch, wie sich die Zeiten verändern: «Was wir unter einem Res-taurant verstehen», meint Hansueli, «das gibt es nicht mehr so viel.»