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Bordeaux-Jahrgang 2019: Wer kann, sollte jetzt zuschlagen

Reto E. Wild – 17. August 2020
Die Union des Grands Crus de Bordeaux lud kürzlich Journalisten zu einer Verkostung des Jahrgangs 2019 nach Zürich ein. Fazit: Manche Weine sind jetzt schon überraschend zugänglich, die Preise bis zu 35 Pro­zent tiefer als in den Vorjahren. Welche Top-Weine sich für Gastronomen lohnen.

Keine Frage: Manche Betriebe kämpfen in diesen Wochen ums nackte Überleben. Doch gerade in der Krise ist es wichtig, die Zukunft zu gestalten. Und dazu gehört, sich Gedanken über die Ausrichtung des Weinkellers zu machen. Auf einer ambitionierten Karte dürfen Weine aus dem Bordelais nicht fehlen. Wer es sich leisten kann, sollte jetzt zuschlagen. Max Gerstl, Verwaltungsrat von Gerstl Weinselektionen, urteilt über den Bordeaux-Jahrgang 2019: «Die Qualität der Weine ist überragend. Und die Preise bei den ganz grossen Namen sind um 20 bis 30 Prozent günstiger! Die in diesem Umfang unerwartete Preissenkung hat eine wahre Euphorie augelöst.» Die Preissenkung in diesem Ausmass könne er sich nicht richtig erklären. «Das passt so gar nicht zur Bordeaux-Mentaliltät.» Der Weinliebhaber habe über 600 namhafte Weine aus dem Bordeaux degustiert und ist «rundum begeistert». Jan Martel, Chef der Weinhandlung Martel in Zürich und St. Gallen, pflichtet bei: «Bei den Grands Châteaux kann unisono von einem grossartigen Jahrgang gesprochen werden. Was besonders auffällt, ist die Balance zwischen reiffruchtigen Aromen und einer belebenden Frische.» Martel führt weiter aus: «Viele Crus Classés besitzen eine grosse Spannung und Tiefe, die uns emotional berührt haben. Preissenkungen um 20 bis 35 Prozent sind bei einem so hervorragenden Jahrgang aussergewöhnlich und lassen die Winzerherzen höher schlagen.» Trinkreife Weine aus Saint-Emilion Für Weinhändler wie Martel oder Gerstl ist es fast schon Pflicht, euphorische Töne zu verbreiten. Kürzlich lud die Union des Grands Crus de Bordeaux zu einer Degustation der Klassenbesten Graves, Pessac-Léognan, Saint-Emilion, Pomerol, Margaux, Saint-Julien, Pauillac, Sauternes & Co. dieses Jahrgangs 2019 ein. Fazit: Die Weinhändler haben recht. Die Qualität ist hoch, und gerade Saint-Emilion und Pomerol mit einem hohen Merlot-Anteil zeigen sich bereits jetzt schon überraschend trinkreif, was sie noch interessanter für einen Kauf machen. Nur welcher Wein darf es denn sein? Weltmeisterlich-majestätisch und traumhaft zeigt sich etwa der Château Valandraud aus dem Saint-Emilion mit 90 Prozent Merlot, 7 Prozent Cabernet Franc und 3 Prozent Cabernet Sauvig­non: konzentrierte Kirschen, Brombeeren und Cassis, starker Abgang. Besser als diesen Premier Grand Cru Classé kann man einen Wein eigentlich gar nicht machen. 20/20 Punkte! Nur kostet selbst der 2019er im Einkauf noch immer über 100 Franken. Weichen wir also auf einen preiswerteren Wein aus. Sehr schön und zugänglich präsentiert sich derzeit der Château Canon-La-Gaffelière, ebenfalls aus dem Saint-Emilion und aus 49 Prozent Merlot, 39 Prozent Cabernet Franc und 12 Prozent Cabernet Sauvignon zusammengesetzt. Die dunkelbeerige Frucht zeigt sich sehr elegant. Weinkritiker René Gabriel urteilt: «Ein toller Saint Emilion für Ungeduldige.» Dabei handelt es sich bekanntlich um das Stammweingut von Graf Neipperg, der mit Clos de l’Oratoire, Château d’Aigulihe und Château La Mondotte drei weitere Schlös­ser besitzt. Den Canon-La-Gaffelière gibt es derzeit im Markt für unter 70 Franken, 19/20 Punkte! Ein Wein mit offenen Armen
Ähnlich viel kostet der Château Léoville Poyferré aus Saint-Julien, der aus 67 Pro­zent Cabernet Sauvignon, 27 Prozent Merlot sowie je drei Prozent Cabernet Franc und Petit Verdot besteht. «Wow, dieser Wein empfängt mich mit offenen Armen, Vanille, Zwetschgenkompott, geschliffene Tannine, weich und reif», steht in den Degustationsnotizen des Autors. Gerstl setzt die beste Trinkreife für die Jahre 2028 bis 2080 an. «Der Wein wird sich verschliessen, das ist sicher», prophezeit der Liebhaber von gelagerten Weinen. 18,5/20 Punkte. Ebenfalls sehr schön zeigt sich der Château Brane-Cantenac aus dem Margaux, der noch gut 50 Franken kostet. Der Charmeur mit 70 Prozent Cabernet, 26 Prozent Merlot sowie je zwei Prozent Cabernet Franc und Carmenère zeigt sich ebenfalls sehr zugänglich, zart und rund, mit einer verführerischen Note nach reifen Kirschen. «Ein himmlisches Vergnügen, diesen delikaten Wein zu verkosten», urteilt Gerstl und grenzt die Trinkreife auf die Jahre 2028 bis 2060 ein. Dieser Bordeaux gehört zu den wenigen Weinen, die mit einem hohen Cabernet-Anteil jetzt schon viel Freude bereiten. 19/20 Punkte. Bordeaux 2019: ein Hammer-Jahrgang mit attraktiven Preisen!