Gastronomie

Allen Gästen recht getan …

Daniela Oegerli – 28. März 2018
Gibt es schwierige Gäste oder können Gastronomen einfach nicht mit Kritik umgehen? Fachleute aus der Gastronomie äussern sich dazu.

In den Tagesmedien sind impertinente Restaurant-Gäste momentan omnipräsent. Sie belästigen angeblich die weiblichen Mitarbeitenden, verlangen bei der Reservation zusätzliche Leistungen, benehmen sich ungebührlich, erscheinen nicht, beschweren sich nach dem Essen über die Qualität oder drohen mit schlechten Bewertungen auf Online-Plattformen. Solche Gäste gibt es, aber niemals so viele, wie dargestellt wird. «In meiner 24-jährigen Gastronomielaufbahn musste ich einmal einen Gast vor die Tür stellen», erinnert sich Christian Lienhard, Gastgeber im Hotel Hof Weissbad in Weissbad. Doch könne man Land und Stadt nicht miteinander vergleichen. Dem stimmt Susanne Strömvall, Direktionsassistentin im Widder Hotel in Zürich, zu: «Leider gibt es tatsächlich Gäste, die Mitarbeitende belästigen oder übertriebene Forderungen stellen. Zum Glück sind wir mit solchen Gästen nur sehr selten konfrontiert.» Tatsache ist jedoch, dass in unserer Gesellschaft ein Wertewandel stattgefunden hat. Dazu hat Ra­fael Saupe, Berater und Inhaber der Desillusion GmbH, eine dezidierte Meinung: «Es sind nicht nur die Gästeerwartungen, die sich ­wesentlich verändert haben, sondern die Gesellschaft als Ganzes.» In der heutigen Gesellschaft gelte das Individuelle, Spezielle, Kreative, Singuläre. Der Mensch von heute und morgen positioniere sich über seinen ganz eigenen Lebensstil, er habe und pflege entsprechend ­individuelle Konsumvorlieben. Dieser Wertewandel in der Gesellschaft führe dazu, dass Gäste mit entsprechend veränderter Mentalität auftreten. Darauf muss die Gastronomie ­reagieren − und tut dies in vielen Fällen auch richtig: Klare Positionierung, selbstbewusster Auftritt, singularisierte Leistungen und klare Kommunikation für die auf ­«Premium Mediocre»-Erlebnisse konditionierten Gäste. Grundsätzlich sehen Fachleute in der Gastronomie die Wünsche oder Eigenheiten der Gäste differenziert: «Der allergrösste Teil der Gäste geht ins Restaurant, um einen schönen Abend oder eine entspannte Mittagspause zu geniessen, und nicht um dem Gastronomen Schaden zuzufügen», erklärt Adrian Stalder. Er hat jahrelang in Führungs­positionen in der Hotellerie gearbeitet und ist seit 12 Jahren als selbständiger Berater tätig. «Bei Reklamationen ist Rechtfer­tigung die schlechteste aller Möglichkeiten», ist Adrian Stalder überzeugt. «Seien Sie grosszügig und bieten sie dem Gast eine Wiedergutmachung an. Lassen Sie den Gast wählen, wie Sie die Enttäuschung wieder gut machen können. Diese Grosszügigkeit wirkt entwaffnend und wird nicht missbraucht.» Noch schlimmer findet er, wenn sich niemand für Reklamationen zuständig fühlt: «Ich erlebe das immer wieder, und das nicht nur in der Gastronomie. Der Gast oder der Kunde weiss nicht, an wen er sich mit seinem Anliegen wenden soll.» Wichtig dabei: Reklamationen sind Chefsache, denn wenn sich ein Mitarbeitender um eine Reklamation kümmere, habe das eine ganz andere Wirkung, als wenn das der Chef übernehme. Christian Lienhard vom Hotel Hof Weissbad sieht das ganz ähnlich. Für ihn ist es jedoch wichtig, dass die Mitarbeitenden jeder Hierarchiestufe die Möglichkeit haben, sofort auf eine Reklamation zu ­reagieren. «Wenn die Mitarbeitenden noch den Chef suchen müssen und nicht handeln können, ist der Gast möglicherweise bereits weg. Und damit verloren.» Gäste müssten den Betrieb jederzeit mit einem guten Gefühl verlassen. Wenn einem Gast das Essen nicht geschmeckt hat, stornieren die Mitarbeitenden im Hotel Hof Weissbad die Position umgehend. «Wir diskutieren nicht mit den Gästen, wir zeigen uns ­jederzeit grosszügig», betont Christian Lienhard. Oder wenn ein Gast einmal mit einem Zimmer unzufrieden sein sollte, erhält er einen Gutschein für eine Übernachtung. Auch im Widder Hotel in Zürich achten die Verantwortlichen darauf, dass dem Gast eine zufriedenstellende Lösung angeboten werden kann. «Dabei kann man sagen, dass wir generell grosszügig sind», erklärt Susanne Strömvall. Der Gast soll sich über eine Wiedergutmachung freuen und natürlich bei einem nächsten Aufenthalt zufrieden abreisen. Um dies zu gewährleisten, werden sämtliche Inputs und Vorfälle in der Gästekartei vermerkt. «Es ist auch schon vorgekommen, dass wir durch das Gästefeedback Anpassungen in Abläufen vor­genommen haben oder Artikel ­anschafften, die Gäste vermisst haben. Ein unzufriedener Gast ist auch immer eine Chance, uns zu verbessern.» «Gäste wollen sich ernstgenommen fühlen, das ist das A und O», ist Adrian Stalder überzeugt. Wenn der Gast beispielsweise behaupte, dass der Wein korkt, sollte man auf keinen Fall diskutieren. «Nehmen Sie den Wein zurück und bringen Sie eine neue Flasche. Falls der Wein wirklich einwandfrei ist, kann man ihn im Offenausschank anbieten.» Er rät den Gastronomen, in jedem Fall Verständnis zu zeigen, was aber nicht heissen müsse, einverstanden zu sein. Es kommt auch vor, dass sich der Gast erst beschwert, wenn die Flasche bereits leer ist. Dafür hat Zita Langenstein, Leiterin Weiterbildung bei GastroSuisse, eine etwas unkonventionelle Lösung: Wenn ein Gast einen Wein bestellt, ihn trinkt und danach sagt, dass der Wein einen Fehler hatte, sei ein Fachgespräch angebracht: «Der Wein hatte einen Fehler? Ich sehe, Sie haben grosse Weinkenntnisse und offenbar hat sich der Fehler erst zum Schluss entwickelt. Darf ich Sie fragen, was es war? Es interessiert mich persönlich – da genau diese Fälle eigentlich für einen interessanten Wein sprechen.» Damit die Mitarbeitenden im Umgang mit Reklamationen Sicherheit erhalten, sind regelmässige Schulungen unabdingbar. Für Christian Lienhard ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden in solchen Situationen adäquat reagieren können. Adrian Stalder fügt dabei an, dass der Chef bei solchen Schulungen zugegen sein soll: «Vorgesetzte müssen solche Basisprozesse verinnerlichen.» «Mitarbeiter-Trainings sollten laufend stattfinden. «Ich vergleiche das mit dem Sport: Will jemand einen Marathon laufen, geht er auch nicht einmal joggen und läuft dann 40 Kilometer am Stück», gibt Zita Langenstein zu bedenken. Der Läufer trainiere regelmässig, lasse sich beraten und werde so immer besser. In der Gastronomie sei das genauso. «Damit entwickeln sich die Mitarbeitenden, sie werden besser, schneller, und sie pflegen die Beziehungen untereinander.» Es sei schade um jeden Betrieb, der sein Personal nicht fördere.

Reklamationen:

  • Wenn ein Gast reklamiert, keine Zeit verlieren und sofort reagieren. ­Darum sollten Mitarbeitende auf ­jeder Hierarchiestufe die Kompetenz haben, auf marginale Reklamationen zu reagieren. Danach den ­Vorgesetzten involvieren.
  • Grosszügig sein. Nicht mit dem Gast diskutieren, sondern sofort und grosszügig handeln. Meistens sind die Warenkosten marginal.
  • Positive Kommunikation: «Wir sind Ihnen dankbar für den Hinweis.»
  • Reklamierende Gäste immer als Chance sehen, etwas zu verbessern.
  • Von den Gästen Rückmeldungen verlangen. Entweder gleich vor Ort oder via einer Plattform.
  • Mitarbeitende regelmässig schulen und die Situationen üben. Vorgesetzte sollten ebenfalls an solchen Schulungen teilnehmen.