Tourismus

Hotrec-Präsidentin S. Kraus Winkler spricht über die Ziele der Hotrec und ihre ganz persönlichen

Christine Bachmann – 23. Mai 2017
Hotrec-Präsidentin Susanne Kraus Winkler spricht über die Ziele der Hotrec und ihre ganz persönlichen. Die Branche, der Verband, die Schweiz, der Euro sowie die Macht der ­Online-Portale sind Thema im Gespräch mit Kraus Winkler.

Die Branche, der Verband, die Schweiz, der Euro sowie die Macht der ­Online-Portale sind Thema im Gespräch mit Kraus Winkler. Susanne Kraus Winkler ist seit 2015 Präsidentin der Hotrec, des europäischen Dachverbands für Hotels, Restaurants und Cafés in Europa. Kraus Winkler startete 1975 im elterlichen Hotel- und Gastronomiebetrieb. Heute ist sie unter anderem Aktionärin und Aufsichtsratspräsidentin von Harry’s Home Hotels und Miteigentümerin der Loisium Hotelgruppe. GastroJournal: Seit 2015 präsidieren Sie die Hotrec. Ihre Ziele waren unter anderem, den Verband zu modernisieren, noch besser sichtbar und serviceorientierter zu machen. Eine erste Bilanz?
Susanne Kraus Winkler: Wir haben sowohl nach innen als auch aussen begonnen, so gut wie alles neu anzudenken. Ich denke, dass Hotrec als Verband in Zeiten von Brexit, Trump, Flüchtlingskrisen, Terroranschlägen und vor allem technologischen und digitalen Umwälzungen weit mehr als nur eine Lobbyingorganisation gegenüber den EU-Institutionen sein muss. Wir haben daher einen Strategieprozess gestartet, um die Aufgaben neu zu definieren, sowie begonnen, uns Schritt für Schritt an die neuen Bedürfnissen und Herausforderungen der Mitglieder anzupassen. Es geht nicht mehr nur darum zu beobachten, was in Brüssel passiert, wir müssen einfach alle Veränderungen im Fokus haben und für und mit unseren Mitgliedern die Auswirkungen evaluieren und Visionen entwickeln, wie unsere Branche damit am besten umgeht. Das idealerweise bestmöglich untereinander abgestimmt, damit wir mit einer Stimme nach aussen sprechen und ausbalanciert agieren. Was sind Ihrer Meinung nach die Aufgaben eines Verbandes, beziehungsweise was kann ein Verband für seine Mitglieder tatsächlich leisten?
Ein Verband muss einerseits eine starke Stimme der Branche gegenüber der Politik sein, aber auch gegenüber allen Stakeholdern, die das Gastgewerbe in jeglicher Art und Weise stark beeinflussen, von Online-Buchungsplattformen über Bewertungsplattformen bis hin zu allen Involvierten rund um Sharing-­Economy-Angebote und Lösungen. Als zweiten Schritt sehe ich den Verband als Servicestation für Mitglieder – und das in vielerlei Hinsicht, von juristischer Basisunterstützung bis hin zu Direkt-Buchungsaktionen, von Copyright-Rahmenverträgen bis hin zur Kategorisierung, von spezifischen Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen bis zu Imagekampagnen für mehr Mitarbeitende in unserer Branche, von Ausbildungs-Initiativen bis hin zu Zukunftskongressen.

«Nur der Unternehmer an der Basis weiss, was wirklich wichtig ist»
Was zählt nicht zu den Aufgaben?
Das Kreieren von Buchungsplattformen für Gastronomie und Hotellerie sehen ich genauso wenig als die Aufgabe eines Verbandes wie Marketingagentur zu sein. Mir ist aber bewusst, dass sich hier die Geister oft scheiden. Soviel ich weiss, plant der holländische Verband nun auch eine Buchungsplattform für Restaurants, wobei es sich hier nicht um ein Umsatz generierendes Marketingtool handeln soll, sondern einfach eine technische Servicelösung für mobile Tischreservierungen. So etwas kann ich mir sehr wohl auch als Verbandsservice vorstellen. Die Frage Bottom-up oder Top-down ist für mich sehr einfach zu beantworten, es kann nur Bottom-up sein, denn nur der Unternehmer an der Basis weiss, was wirklich wichtig ist. Die Entwicklung in der Branche geht klar hin zu grossen Betrieben beziehungsweise kleinen, die Kooperationen leben. Inwiefern hat ein klassischer familien-geführter Betrieb in so einem Umfeld überhaupt noch eine Zukunft?
Ein solcher Betrieb hat immer dann eine Chance, wenn er lernt, dass man heutzutage ein professionelles Management-Know-How braucht, dass man eine clevere digitale Strategie benötigt, dass man mit seinem Produkt gegenüber dem Markt und den Mitarbeitenden modern und zukunftsgerichtet agieren muss. Ich glaube, dass es gerade heute, wo Kommunikation mit dem Markt einerseits fachlich komplexer aber andererseits technisch einfacher ­geworden ist, viel mehr Möglichkeiten des erfolgreichen Weiterbestehens gibt. Aber eben mit mehr moderner Führungs- und Durchführungskompetenz, mehr richtigem und tages- und wochenaktuellem Controlling, mehr Planung und Strategie. Das heisst aber auch, dass sich der einzelne Unternehmer mehr als je zuvor Zeit zum Lernen nehmen und sich regelmässig mit den Veränderungen in allen relevanten Bereichen auseinandersetzen muss. Das ist nicht einfach im Stress der Tagesoperation, geht aber leider nicht mehr ohne. Hier können im Übrigen die Verbände die Klein- und Kleinst­unternehmer sehr gut unterstützen und die Themen so aufbereiten, dass sie schneller und einfacher erlern- und umsetzbar sind. Sie führen selbst einen Familienbetrieb. Wie bringen Sie Ihre Tätigkeit als Gastgeberin sowie Ihr Engagement für den Verband unter einen Hut?
Ich muss gestehen, dass wir in jedem Betrieb tolle junge Manager haben. Meine Aufgabe sind vorrangig in unserer Zentrale das Marketing und Controlling und alles, was rund um Produktentwicklung strategisch geplant wird. Ich bin aber noch immer nahe an den Hotels, was vor allem für das Marketing sehr wichtig ist. Nur wenn ich noch immer ein gutes Gespür für das habe, was vor Ort passiert und wie die Gäste unsere Hotels erleben, kann ich gut agieren.
«Ich denke, die Schweiz braucht die Vielfalt noch viel stärker als bisher»
Der schwache Euro ist nicht nur für die Schweiz eine Herausforderung, sondern gibt auch europaweit immer wieder Anlass zur Diskussion. Hat er langfristig gesehen eine Zukunft?
Ich bin kein Finanz- und Währungsexperte, kenne aber die unterschiedlichen Fachmeinungen pro und kontra Euro. Persönlich kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Erfolgsmodell wie der Euro keine Zukunft hat. Möglicherweise versteht Europa, dass es geeint stärker ist und die Zukunft doch eher in der Gemeinsamkeit liegt. Möglicherweise gibt es aber in einigen Jahren vielleicht nur mehr einen Euro in einigen Kern­euroländern. Möglicherweise muss es eine Revision der Struktur in der EU geben. Ich wünsche mir, dass wir den Weg in ein starkes gemeinsames Europa mit einer gemeinsamen Währung, dem Euro, finden. Was kann die Branche in der Schweiz in Zeiten dieser Währungsdifferenz tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Die Schweiz war immer eher ein Hochpreisland, da das touristische Angebot
«Hotrec muss weit mehr als eine Lobbying­organisation sein»
mehrheitlich sehr hochwertig, traditionell und eher auf potente Zielgruppen ausgerichtet war. In den letzten 10 bis 15 Jahren hat die Zielgruppenvielfalt und die Produktvielfalt weltweit eine nie dagewesene Ausprägung erfahren. Von Low Budget bis Luxus, von Airbnb bis zu Uber, alles ist möglich und wird nachgefragt, kein Stein blieb mehr auf dem anderen. Ich denke, die Schweiz braucht eben diese Vielfalt noch viel stärker als bisher, um bei dieser Marktentwicklung mitzuspielen. Zusätzlich wurde die Mehrwertsteuer auf Logis in der Schweiz wesentlich reduziert und gehört mit zu den niedrigsten in Europa. Da sollte sich schon ein wenig Gleichheit wieder herstellen lassen. Die Sharing Economy beschäftigt die gastgewerbliche Branche. Wie kann beziehungsweise wie sollte eine optimale Koexistenz aussehen? Was sind die nächsten Schritte von Seiten der Hotrec betreffend Sharing Economy?
Sharing Economy ist Teil der sich stark entwickelnden Plattformökonomie und wird ein fixer Faktor im touristischen Wirtschaftssystem bleiben. Hier geht unsere Forderung vor allem in Richtung gleicher Wettbewerbsbedingungen. Wir beobachten alle Entwicklungen weltweit und sind im permanenten Kontakt mit der Europäischen Kommission in Brüssel, um hier die Richtlinien für ein faires Miteinander einzufordern. Derzeit sind es vor allem fünf Punkte, die wir fordern: Registrierung der Apartmentanbieter und der Vermietungen, so wie dies die Hotellerie und Gastronomie auch machen muss. Weiter eine klare Trennung zwischen privater und kommerzieller Vermietung der Apartments mit maximalen Schwellenwerten für vermietbare Tage und Apartments, Integration der Vermietungstätigkeit in sämtliche Steuersysteme sowie voller Konsumentenschutz von Hygiene bis Sicherheit. Und letztlich eine klare und transparente Regelung hinsichtlich Haftungen der Vermieter und der Plattform. Es kann nicht sein, dass wir in einer Parallelwirtschaft leben, in der die eine Hälfte gesetzliche Bestimmungen einhalten muss und die andere eben nicht. Die Ratenparität ist vielerorts gefallen, die Kommissionsgebühren sind jedoch geblieben. Inwiefern wird dieser „Vorteil“ von den Hoteliers bereits genutzt?
Die Ratenparität ist vorerst nur in Deutschland, Österreich und in Frankreich gefallen. Letzte Woche wurde in Italien im Senat eine Änderung des Wettbewerbsrechts beschlossen, wonach Paritätsklauseln in Verträgen zwischen OTAs und Hotels nichtig sind. Diese Gesetzesänderung muss nun noch im Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Die HOTREC hat eine Book Direct Kampagne vor 1 Jahr gestartet und wir sehen, daß zahlreiche Hotels bereits sehr erfolgreich ihr Online Direktbuchungspotential erhöht haben und sehr professionell im digitalen Vertrieb zwischen OTAs und online Direktbuchungen agieren gelernt haben. Diese wird jedoch nur dann für die Hotelbetriebe wirklich erfolgreich sein, wenn viele Kriterien, die für den direkten digitalen Onlinevertrieb aus der Sicht der buchenden Kunden wichtig sind, dem Wettbewerb der Buchungsplattformen bestehen kann. Was heisst das konkret?
Um mit den einfachen Buchungstechnologien der großen digitalen Vertriebskanäle als Hotel mithalten zu können, brauchen wir ebenso einfach und schnelle Buchungstools über die Hotelwebseiten. Dazu auch gleiche Buchungs- und Stornobedingungen wie dies die Kunden bei Online Buchungsplattformen gewöhnt sind. Hier bedarf es eines großen Umdenkens. Es wird immer um eine gute, ausbalancierte Mischung bei den direkten und indirekten Vertriebskanälen gehen, aber bei den direkten braucht es halt gleiche, moderne Anwendersysteme.
Die OTAs und Metasearchmaschinen investieren viel Geld, um hier die Technologien auf letztem Stand zu halten, das ist für einzelne Betriebe und oftmals auch für deren Technologieprovider im Bereich der Hotelsoftware nicht möglich. Es gibt hier wahrscheinlich auch keine schnelle Lösung. In Zeiten in denen neue Technologien und Digitalisierung extreme Umbrüche auslösen ist es für den einzelnen immer schwierig Schritt zu halten. Dennoch müssen wir als Hotels hier mithalten lernen. Ob da die Politik einen Beitrag leisten kann wage ich zu bezweifeln. Was in jedem Fall wichtig ist, ist, daß die Politik weniger Bürokratie und mehr Öffnung schneller zulässt. Alte Gesetze bauen auf alte Systeme und sind Mühlsteine für jene die im alten Wirtschaftssystem hängen. Neue Systeme befinden sich außerhalb der Regulierung, das schafft Ungleichgewicht und unfairen Wettbewerb. Gesetz und Konsumentenschutz kann nicht nur für einen Teil der Wirtschaftsteilnehmer gelten. Wo sehen sie neben den Online-Por­talen zurzeit die grössten Herausforderungen des Gastgewerbes?
Die grössten Herausforderungen, die wir in unserer Branche haben, sind rund um den wirtschaftlichen Strukturwandel, ausgelöst durch Digitalisierung. Dies sind Themen wie die Sharing Economy und alle neuen Entwicklungen rund um die Digitalisierung und künstliche Intelligenz, bis hin zum Datenschutz und damit im Zusammenhang natürlich auch Cyberkriminalität. Eine grosse Herausforderung sind aber auch die fehlenden Fachmitarbeitenden für unsere Branche in allen europäischen Regionen und damit einhergehend das Image der Branche. Darüber hinaus die überbordende Bürokratie für die vielen Klein- und Mittelbetriebe, die intern keine Strukturen haben, um alle bürokratischen Hürden zu bewältigen. Auch das sind Themen, die uns intensiv beschäftigen. Mit Blick in die Zukunft. Was sind verbandspolitisch Ihre nächsten Ziele?
Mein Ziel wäre, die Verbandsarbeit noch breiter auf die Zukunfts- und Servicethemen auszurichten. Die politischen
«Ich kann mir nicht ­vorstellen, dass der Euro keine Zukunft hat »
Themen gehören zudem noch besser und leichter verständlich aufbereitet und neue Themen wie Sicherheit oder Digitalisierung im Detail aufgearbeitet. Eventuell kreieren wir eine eigene Plattform für die Zukunftsthemen, mal sehen, wie weit ich da komme.