«Ganz sicher nicht», beantwortet der SBB-Sprecher die arglose Frage von GastroJournal nach Einsicht in die Bordgastronomie-Strategie, die der Bundesbetrieb Ende 2016 verabschiedet hat. Damit bleibt unklar, was die SBB mit ihrer Tochter Elvetino AG in den nächsten Jahren vorhat. Doch auch was in der Vergangenheit bei Elvetino herausgekommen ist, erscheint fast als geheime Kommandosache: Die SBB veröffentlichen keine Zahlen zu Elvetino.
n dieses Bild passt, dass Jeannine Pilloud, strategisch Verwaltungsratspräsidentin der Elvetino und operativ Leiterin des Personenverkehr, keine Stellung nimmt: Mehr oder weniger altgediente Sprecher müssen die undefinierbare Suppe auslöffeln, die da seit Jahren angerichtet wird – dazu passt auch, dass der Elvetino-Chef letzte Woche Knall auf Fall freigestellt worden ist.
Zwar haben die Texter des SBB-Konzerns bereits letztes Jahr tolle Sätze gedrechselt, welche die Oberflächen der neuen Strategie ausleuchten: Ab 2021 würden gut 120 SBB- Speisewagen im Einsatz sein und «über ein Catering-Angebot mit hoher Verlässlichkeit und Qualität verfügen», heisst es da etwa – als wären ein halbes Jahrzehnt im Voraus ernsthafte Aussagen über Verlässlichkeit und Qualität zu machen.
Buchstäblich barer Unsinn ist bei näherer Betrachtung auch eine andere vollmundige Zusicherung: Die SBB behauptet, sie setze bei der Umsetzung des neuen Konzeptes auf die Zusammenarbeit mit leistungsfähigen Qualitätspartnern und habe Marken, die «bei den Kunden in der Schweiz für hohe Qualität stehen und geschätzt werden».
uch dies ist «Neusprech» und «Framing», das mehr mit George Orwell und Daniel Kahnemann zu tun hat als mit der Wirklichkeit: In der Realität ist das Sortiment der Bordgastronomie natürlich in hohem Masse kommerziell getrieben, und die abrupte Freistellung des Chefs dürfte auch damit zu tun haben. In die Menükarten kommt, wer sich bei den Ausschreibungen durchsetzt – Heineken etwa verschwand bei der letzten Rochade zugunsten von Carlsberg völlig, obschon es namentlich beim Ittinger Klosterbräu viele Reklamationen gegeben hat, wie jeder einigermassen bestandene Elvetino-Mitarbeitende weiss.
Bestandene Mitarbeitende gibt es zwar noch. Aber die Regel ist grosse Fluktuation und ein schlechtes Betriebsklima: Wer häufiger pendelt und den Speisewagen frequentiert, hört oder erlebt peinliche Geschichten von drangsalierten Mitarbeitenden an der Front, von miserablen Vorgesetzten und von vielfach unzureichender Logistik.
Das lausige Betriebsklima ist auch den Publikumsmedien aufgefallen und wird selbst von den SBB nicht in Abrede gestellt. Allerdings verteidigen sich die SBB, man habe die Führungsstrukturen geändert, in die Ausbildung der Mitarbeitenden investiert und neue Uniformen beschafft. Doch beim Fazit lassen die SBB wieder abgrundtief blicken: «Die Kundenzufriedenheit konnte gesteigert werden, was zeigt, dass die Mitarbeiter-Motivation ebenfalls verbessert wurde.»
Zwar steht ausser Frage, dass Jeannine Pilloud zum einen nur äusserst beschränkten Zugriff auf die Bordgastronomie hat. Und zum anderen ist ebenfalls klar, dass sich Bordgastronomie kaum rechnet: «In der Tat lässt sich die Bordgastronomie, isoliert betrachtet, nicht kostendeckend betreiben, wie sämtliche Benchmarks zeigen», meinen dazu die SBB-Sprecher.
Die Rhätischen Bahnen, die auf der Albula-Linie grandiose Speisewagen mit gepflegtem Plattenservice anbieten, sehen sich zwar auch betriebswirtschaftlich auf Kurs: Mit ihrer Gastrotochter Rhätia Werte AG werde «eine ausgeglichene Rechnung angestrebt und (meist) auch erreicht», lassen die RhB wissen.
Die SBB jedoch schaffen weder Qualität noch Rentabilität, was ihnen freilich nicht zu verargen ist: Ein derart überdehnter Konzern kann ob seines bahntechnischen Kerngeschäftes und des ständigen ordnungspolitischen Drucks wohl nur eine strukturalistische Wirtschaftspolitik verfolgen. Das aber muss gastgewerblich scheitern – hier hat man mit Menschen und Lebensmitteln zu tun (vgl. unten).
Öffentliche Angelegenheit statt Geheimsache
