Johann Niklaus Schneider-Ammann wurde 1999, als er bereits Präsident des Maschinenkonzerns Ammann Group im bernischen Langenthal war, in den Nationalrat gewählt. 2010 schaffte er als Nachfolger von Hans-Rudolf Merz die Wahl in den Bundesrat und übernahm das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD).
GastroJournal: Das duale Schweizer Berufsbildungssystem ist eine Erfolgsgeschichte, die weltweit Bewunderung und Anerkennung findet. Dennoch steigt die Maturitätsquote, und wie aktuell etwa die Debatte im Kanton St. Gallen zeigt, wird eine solche Akademisierung teilweise sogar politisch gefordert. Wie passt das zusammen?
Johann N. Schneider-Ammann: Die Bildungswege dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden; alle Wege haben ihre Berechtigung und Bedeutung. Der Anteil der Jugendlichen, die nach der obligatorischen Schule eine berufliche Grundbildung absolvieren, liegt seit vielen Jahren ziemlich konstant bei zwei Dritteln. Die Erfolgsgeschichte geht also weiter – national und international. Wir brauchen beides: praxisnah, auf dem berufsbildenden Weg gewonnene Fachkräfte sowie an Hochschulen ausgebildete Spezialisten. Auf den guten Mix kommt es an, und da steht die Schweiz im Vergleich nach wie vor sehr gut da. Dass man in unserem dualen System dank Berufsmaturität, Passerellen, höherer Berufsbildung und Fachhochschulen relativ leicht vom einen zum anderen Bildungsweg gelangen kann, trägt wesentlich zu diesem Erfolg bei.
Man sagt, Handwerk habe goldenen Boden. Doch dieser Boden droht zu schmelzen: Die Zahl der Lernenden sinkt, immer mehr Ausbildende schmeissen den Bettel vorab deshalb hin, weil sie genug haben von Bürokratisierung und Verschulung. Was tut der Bund?
Die Bürokratie bekämpfen wir. Der Bund wirkt zusammen mit den Verbundpartnern – Kantone und Organisationen der Arbeitswelt – darauf hin, die Verfahren für die Lehrbetriebe möglichst einfach zu gestalten und unnötige Hürden abzubauen. Diesen Auftrag habe ich am letzten Spitzentreffen der Berufsbildung bekräftigt. Der Bund unterstützt zudem die Berufsverbände dabei, Lernende für Berufe zu gewinnen, in denen es an Fachkräften mangelt. Selber betreibt er die viel beachtete Informationskampagne Berufsbildungplus.ch.
Das Gastgewerbe ist seit jeher eine soziale Kraft: So hat es zum einen mit Riesco jahrelange Erfahrung bei der Qualifizierung und Integration von Asylsuchenden, zum anderen hat es traditionell immer Schwächergestellte beschäftigt. Besonders seit der 6. IV-Revision jedoch muss die Branche einen Boom von sozialen Institutionen hinnehmen, die das Gastgewerbe konkurrenzieren, indem sie die Branche sozusagen simulieren – obschon das erklärte Ziel die Integration in den normalen Arbeitsmarkt ist. Inwiefern können Sie verstehen, dass sich das Gastgewerbe in beiden Bereichen im Stich gelassen fühlt?
Die Integration in den Arbeitsmarkt ist für die gesamte Wirtschaft ein zentrales Thema. Die Integrationsfunktion des Gastgewerbes ist dabei mitentscheidend, sei dies bezogen auf Schwächergestellte oder Asylsuchende. Der Tourismus bietet häufig auch Personen eine Stelle an, die es in anderen Berufen schwer haben. Dies ist aus meiner Sicht eine klare Stärke dieser Branche, die auch wertgeschätzt wird! Es muss darum gehen, dass sich verschiedene Leistungen ergänzen, statt zu konkurrenzieren.
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«Die Erfolgsgeschichte geht weiter»
Peter Grunder – 06. September 2017
Jüngst hatte GastroJournal Gelegenheit, mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann ein längeres, schriftliches Interview zu führen – dies auch zu Bildungsfragen.