Es bleibt übersichtlich. Gerade einmal drei «echte» Hotelkooperationen existieren in der Schweiz: die Hotelkooperation Frutigland, die Matterhorn Valley Hotels und «Die Lötschentaler». Dabei werden Kooperationsbemühungen sowohl von Innotour wie auch der Neuen Regionalpolitik seit Jahren gefördert – und doch wagen es die wenigsten. Irgendwie auch verständlich, zumindest hier, wenn es um die Königsklasse der Kooperationen geht: der Horizontalen (siehe Kasten). Denn diese bedingt wie keine andere ein uneingeschränktes gegenseitiges Vertrauen, eine solide finanzielle und strukturelle Basis sowie ein Aufbrechen des doch so urschweizerischen «Gärtlidenkens» – und die Konsequenzen eines Scheiterns können einen Betrieb in grosse Bedrängnis bringen.
Ebenfalls harzt es beim lateralen Ansatz. Schade, denn bei dieser Zusammenarbeit besteht durch die fehlende direkte Konkurrenzsituation gegenüber dem Partner wohl die idealste Basis, um gemeinsam Projekte zu verwirklichen, bei denen am Ende für beide eine Win-win-Situation entsteht. Weniger schwer tun sich Herr und Frau Schweizer da im vertikalen Bereich. Eine Beobachtung, die auch Monika Bandi Tanner von der Forschungsstelle für Tourismus CRED-T in Bern gemacht hat (siehe Interview unten).
Doch was braucht es, damit Kooperationen funktionieren? Der Tourismus-Impuls der Forschungsstelle Tourismus zum Thema «Voraussetzungen erfolgreicher Kooperationen im Tourismus» unterteilt hier drei Voraussetzungen:
Grundvoraussetzung: unter anderem eine solide Finanzstruktur, ein positives Image, möglichst keine Investitionsstaus sowie der Wille zur Kooperation;
Kooperationsfördernde Voraussetzungen: unter anderem Erfahrungen mit Kooperationen, ein starkes Netzwerk sowie Fachkompetenz;
Erfolgsversprechende Voraussetzungen: unter anderem Innovationsfähigkeit, eine proaktive Betriebsstrategie sowie die Bewahrung einer gewissen Unabhängigkeit.
Mit Blick auf diese Voraussetzungen sind Kooperationen nach wie vor eine grosse Investition – aber eine, mit der man als Gastgeber auch viel gewinnen kann. Zudem: Warum weiterhin nur in einem Bereich gut sein, wenn man gemeinsam in mehreren Bereichen punkten kann?
Studie unter: bit.ly/KooperationCH
Die drei Kooperationsformen im Überblick
Vertikale Kooperationen: Hier arbeiten Betriebe unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen zusammen (bspw. Hotelier und Bergbahnbetreiber).
Laterale Kooperation: Hier arbeiten Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammen (bspw. Hotelier und Künstler).
Horizontale Kooperation: Hier arbeiten Unternehmen innerhalb der gleichen Branche und auf der gleichen Wertschöpfungsstufe zusammen (Hotelier und Hotelier).
Quelle: fit-together, Kooperationen und Innovationen in der Hotellerie, Daniel C. Jung & Martin Abderhalden
Ein Gespräch über Kooperationen, Kooperations-Willen und Kooperations-Ansätze mit Monika Bandi Tanner
Monika Bandi Tanner studierte an der Universität Bern und Bergen Volkswirtschaft, Psychologie und Betriebswirtschaft. Seit dem 1. Februar 2012 leitet sie die Forschungsstelle Tourismus (CRED-T) im Zentrum für Regionalentwicklung.
GastroJournal: In der Schweiz werden nach wie vor Kooperationsansätze eher dezent genutzt – trotz finanzieller Anreize. Wieso kommen wir bei diesem Thema auf keinen grünen Zweig?
Monika Bandi Tanner: Die Erwartungen an Kooperationen sind einfach immer noch zu hoch. Des Weiteren sind die Grundvoraussetzungen, die zum Gelingen einer Kooperation beitragen, ziemlich umfassend. So braucht es beispielsweise eine solide Finanzstruktur – zwei Kranke geben keinen Gesunden, klare gemeinsame Ziele, Prozesse, die funktionieren, sowie ein grosses gegenseitiges Vertrauen. Zudem benötigen Kooperationen auch das Potenzial für die beteiligten Betriebe und das muss sich erst noch ergeben, wie auch wahrgenommen werden. Weiter braucht man am Ende für Kooperationen auch immer die richtigen Leute – das muss passen, sich aus dem Moment heraus ergeben. Aber eigentlich dürfen wir nur punktuell klagen, denn im Tourismus wird vertikal schon sehr viel kooperiert. Denn die Bergbahnen sind beispielsweise hinsichtlich Gästeorientierung angehalten, mit den Hoteliers zusammen zu arbeiten. Im horizontalen Bereich, das gebe ich zu, dort harzt es noch, aber hier besteht auch die Problematik der Konkurrenzsituation und diese zu überwinden, das gelingt nur partiell. Ein Beispiel hierfür sind Hotel-Marketingkooperationen.
«Die Erwartungshaltungen sind zu hoch»Ja, die funktionieren gut, aber gehen über das reine Marketing meist nicht hinaus.
Stimmt. Wobei ich glaube, dass sich in Zukunft die Bedeutung des Marketings bedingt durch die Digitalisierung noch total verändern wird und dadurch auch die Kooperationsfelder sich verändern werden.
Das heisst?
Das Kooperationspotenzial liegt künftig weniger in den Bereichen Marketing oder Einkauf, als vielmehr in der Angebotsgestaltung. Dafür müssen wir uns aber auf einen Kooperationsweg begeben, wie wir das 1995 bereits beim Thema Qualität getan haben. Denn Qualität ist nicht Selbstzweck, genauso wenig wie Kooperationen. Kooperationen sind Mittel, um etwas gemeinsam zu erreichen. Simpel erklärt: Ein Kooperationsengagement ist wie eine Finanzinvestition. Du kannst einen Fonds kaufen, du riskierst nicht viel, aber die Rendite ist bescheiden, oder du sagst, ich investiere in Aktien, kann mehr gewinnen, aber auch mehr verlieren. Man kann also mit einer Kooperation sehr viel gewinnen, aber auch viel in den Sand setzen. Letzteres ist dann auch in der Vergangenheit öfters mal passiert und hat zu einer kritischen Einstellung geführt. Trotzdem kommt es mir vor, dass das mögliche Scheitern nur eine Ausrede ist, es nicht zu tun. Dabei sind Kooperationen ein gutes Instrument, um Innovationen, beispielsweise im Angebotsbereich, zu realisieren.
«Mit Gewalt kann man keine Kooperationen bilden»Inwiefern sind Interventionen, Unterstützung und Zwang seitens des Staates sinnvoll, inwiefern nicht?
Die öffentliche Hand unterstützt finanzielle Kooperationsbestrebungen bereits mittels Innotour auf nationaler Ebene, oder mit der Neuen Regionalpolitik auf kantonaler Ebene. Vielmehr sind gute Ideen, sprich die Innovationen Mangelware. Das zeigt, die Politik stellt einiges zur Verfügung – und viel mehr bewirkt kaum mehr. Ist doch die öffentliche Hand nicht dazu da, Ziele und Werte für Betriebe zu definieren, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Hier habe ich eine liberale Haltung. Letztlich können wir nicht jeden retten. Da gibt es nun einmal Marktbereinigungen, die im Einzelfall hart sind. Mit aller Gewalt kann man aber keine Kooperationen bilden. Wie also die Leute anregen, ohne sie zu zwingen?
Grundsätzlich braucht es eine positivere Haltung gegenüber Kooperationen und auch die Einsicht, dass Kooperationen zwar nicht bei allen Problemen heilbringend sind, aber punktuell dabei helfen können, sie zu lösen. Was es zudem braucht, sind kluge Köpfe, die innovative Ideen haben, die man mittels einer Kooperation realisieren kann. Potenzial sehe ich dabei vor allem in den Bereichen Angebot, Infrastruktur sowie Mitarbeitende, jedoch künftig weniger in jenen von Einkauf und Marketing, diese beiden «quick-win»-Bereiche werden künftig mit der Digitalisierung an Bedeutung verlieren. www.cred-t.unibe.ch