Mut zum Kauf von Immobilien

Fabrice Müller – 06. Mai 2021
Trotz oder gerade wegen des Lockdowns sind diverse Immobilien in der Branche zum ­Verkauf ausgeschrieben. Das GastroJournal stellt drei Betriebe vor, für die kürzlich neue Gastgeber gefunden wurden.

Am Stammtisch nahm alles seinen Lauf: Alt-Stadtpräsident Roger Forrer (55) meinte gegenüber seinen Freunden, dass man den «Weingarten» selber kaufen sollte. Denn das Gasthaus blickte damals bereits auf mehrere Pächterwechsel zurück und lief nicht besonders gut. Dazu kam, dass die Eigentümerin, die vor 13 Jahren mit dem Wirten aufhörte, seit mehr als vier Jahren nach einem Käufer für ihre Liegenschaft an der Frauenfelderstrasse in Steckborn TG suchte. Sie bekam Wind von Roger Forrers Aussagen und nahm ihn beim Wort. Ein Schmunzeln huscht über sein Gesicht, als er von dieser Episode erzählt.
Auch wenn der gelernte Lastwagenmechaniker beruflich nicht aus der Gastronomie kommt, sondern bei der Kantonspolizei und als Staatsanwalt gearbeitet hat und nun die Immobilienfirma seiner Familie leitet, hat ihn der Quereinstieg in die Gastronomie gereizt. «Wir haben das Restaurant zwar nicht gesucht, eher umgekehrt, doch der Weingarten ist ein Gasthaus mit grosser Tradition in Steckborn und eine spannende Herausforderung. Zudem wollten wir etwas für die Einheimischen tun.» Roger Forrer leitet das Gasthaus zusammen mit seiner Lebenspartnerin Judith Kern. Die Sozial-
pädagogin kündigte ihre Stelle im Sommer 2020 und absolvierte danach die Ausbildung für die Wirteprüfung, um die Geschäftsführung des Weingartens im Juli 2020 ganz zu übernehmen. Seit November 2019 hat sie primär die Zimmer vermietet und einen Teil der Geschäftsführung erledigt. «Es war ein Bauchentscheid. Ich wollte auch nach meiner Kündigung weiterhin mit Menschen zu tun haben. Der Stammtisch ist auch eine Art soziale Institution», meint die 48-jährige mit einem Augenzwinkern. Das Paar hat das Gasthaus für insgesamt 930 000 Franken erworben.

Guter baulicher Zustand
Welche Kriterien standen bei Judith Kern und Roger Forrer im Zentrum, als sie sich entschieden, das Gasthaus Weingarten zu übernehmen? «Für uns war die Kombination aus Restaurant und sechs Hotelzimmern ein wichtiger Punkt», sagt Judith Kern und meint: «Ich wollte schon immer Gastgeberin sein.» Der gute bauliche Zustand der Liegenschaft spielte ebenfalls eine zentrale Rolle, betont Roger Forrer. «Wir wollten auf keinen Fall böse Überraschungen mit dem Gebäude erleben. Darauf haben wir besonders geachtet.» Bei der Übernahme waren folglich kaum Renovationsarbeiten nötig.
Auch die grosszügige Küche befand sich in einem guten Zustand. Das Gasthaus liegt an einer viel befahrenen Strasse und geniesst im 3700-Seelen-Dorf einen guten Ruf. Besonders während der wärmeren Monate kehren viele Velotouristen im Weingarten ein und übernachten auch. Da das Wirtepaar in Steckborn heimisch ist, geniesst es einen gewissen Heimvorteil.

Gästezimmer decken die Hypozinsen
Mit Judith Kern und Roger Forrer, dem Koch Manuel Baur – der übrigens als Kind schon in der Küche des Weingartens stand – und fünf weiteren Temporärmitarbeitenden für Service und Zimmerreinigung kümmert sich ein achtköpfiges Team um das Gasthaus. «Mit dieser Aufteilung ist das finanzielle Risiko gering, weil das Restaurant normalerweise mit einem Koch und einer Person im Service geführt werden kann», rechnet Forrer vor. Das Betreiberpaar hat sich zum Ziel gesetzt, mit den Einnahmen aus den Gästezimmern die Zinsen für den Hypothekarkredit zu decken. Dieses Ziel haben sie letztes Jahr laut Judith Kern beinahe erreicht – trotz Corona. «Der Weingarten ist für uns eine Herzensangelegenheit. Wir wollen im Minimum kostendeckend arbeiten.» Sie seien gut gestartet, berichten Roger Forrer und Judith Kern, auch wenn sie drei Monate nach der Eröffnung wegen des Lockdowns wieder schliessen mussten. Im Sommer sei die Gartenwirtschaft, die als «Piazza von Steckborn» gilt, ein beliebter Treffpunkt. Viele Gäste aus der Schweiz kamen im Sommer in den Weingarten, der sich mit einer bewusst kleinen Karte auf regionale Gerichte konzentriert. In Zukunft möchten Judith Kern und Roger Forrer eine Stubete oder eine Lesung durchführen.

Traditionshaus mit grossem Potenzial
Auch der «Löwen» in Worb BE blickt auf einen Eigentümerwechsel zurück. Bereits im Sommer 2018 erwarben das Ehepaar Vathany Mahalingam (35) und Suresh Kumar Mahalingam (39) den altehrwürdigen Gasthof, der erstmals 1375 urkundlich erwähnt wurde. Die Wirtefamilie Bernhard hat nach über 300-jähriger Familientradition die Aktiengesellschaft Gasthof Löwen Worb AG verkauft. Das Ehepaar Mahalingam, das Wurzeln in Sri Lanka hat, jedoch als Schweizer Bürger seit vielen Jahren mit ihren Kindern in Biglen BE wohnt, hat zuvor in Bern ein Restaurant geleitet. Sie mussten dieses aber wegen einer Umnutzung abgeben. «Auf der Suche nach einem Betrieb, das wir als Eigentümer führen können, sind wir auf den Löwen in Worb aufmerksam geworden», erzählt Vathany Mahalingam. Sie war früher im Treuhandbereich tätig. Das Wirtepaar erkannte das grosse Potenzial des Löwen, der weit über Worb hinaus einen guten Namen hatte und bestens etabliert war. «Als grosse Gemeinde verfügt Worb zudem über ein attraktives Einzugsgebiet», sagt Mahalingam.

Zwei Restaurants und ein Indoorspielplatz
Das denkmalgeschützte Gebäude befand sich beim Kauf in einem guten baulichen Zustand. Nur Malerarbeiten und kleine Ausbesserungen waren nötig. Vom ehemaligen Restaurant konnte das Wirtepaar zudem einige Geräte mitnehmen, sodass im Löwen kaum neue Anschaffungen nötig waren. Der Gasthof verfügt über mehrere Bereiche: 90 Plätze des italienischen Restaurants Casa Nostra im Erdgeschoss und 60 Plätze im Indiana im Obergeschoss, wo mittel- und südamerikanische Gerichte serviert werden. Über Mittag stehen gutbürgerliche Menüs auf der Speisekarte. Die Gartenwirtschaft bietet Platz für rund 100 Gäste. 2019 startete der Löwe ferner mit einem Lieferservice mit italienischen, mexikanischen, indischen und asiatischen Gerichten. Im Obergeschoss hat das Ehepaar zwei kleinere Säle in einen Indoorspielplatz für Kinder umgebaut. Daneben befinden sich ein Saal für 60 Personen sowie kleinere Sitzungszimmer. Der Hotelbereich umfasst 13 Gästezimmer, und insgesamt arbeiten 20 Personen für den Gasthof Löwen. Mit dem Start sind die neuen Gastgeber sehr zufrieden. «Wir waren bis vor dem Lockdown immer gut besucht und hatten einen tollen Sommer 2019», freut sich Vathany Mahalingam.
Von Worb nach Sachseln OW: Die Eberli AG suchte im Namen der bisherigen Eigentümer seit längerer Zeit nach einer Nachfolgelösung für das Hotel-Restaurant Kreuz. So wurde unter anderem die Variante einer zumindest teilweisen Umnutzung zu Wohnungen geprüft. Nach einem längeren Sondierungsprozess wurde mit der Firma b_smart selection mit Sitz in Gamprin-Bendern im Fürstentum Liechtenstein ein Käufer gefunden.

«Wir führen den Wachstumskurs fort»
Wie Tamara Weishaupt, Marketing- und Kommunikationsverantwortliche der b_smart selection, informiert, ist die 2014 gegründete Hotelgruppe in den sechs Jahren auf 13 Betriebe angewachsen. «Wir führen den Wachstumskurs in der Deutschschweiz weiterhin fort. Das Hotel Kreuz ist für uns eine optimale Ergänzung zu den anderen Betrieben im Portfolio.»
Entscheidend für den Kauf das Hotels Kreuz mit seinem kleinen Wellnessbereich am Sarnersee waren laut Weishaupt «die tolle Lage inmitten des Dorfkerns von Sachseln und gleichzeitig so nah an der wichtigen Strassenverbindung von der Zentralschweiz zum Berner Oberland». Auch die über 500-jährige Geschichte des Hauses sei ein entscheidendes Argument gewesen. «Das Hotel Kreuz ist in unserem Portfolio nicht das erste Haus, das auf eine über hundertjährige Geschichte zurückblicken kann», ergänzt die Kommunikationsverantwortliche. Die Liegenschaft befinde sich in einem sehr guten Zustand. Deshalb müssen derzeit nur einige Oberflächen verändert und die Zimmer mit neuen Möbeln ausgestattet werden. Die sichtlich grösste Veränderung wird – so Weishaupt – die Renovation des Lobby-Bereichs erfahren.

«Self Check-in» für Hotelgäste
Die Hotelgruppe mit Häusern in der Schweiz und in Liechtenstein ist vom Potenzial des Hotels Kreuz überzeugt: «Das Restaurant wird hoffentlich weiterhin durch Einheimische sowie den Gästen aus nah und fern belebt, die Seminarräumlichkeiten ebenfalls durch nahe gelegene, aber auch weiter entferntere Firmen und von Geschäftsreisenden genutzt.» Der Betrieb wird nach den Renovationsarbeiten weitergeführt wie bisher. Einzig die Rezeption wird mit einem «Self Check-in» ergänzt, der rund um die Uhr möglich ist. «Wir möchten die über 500-jährige Geschichte dieses altehrwürdigen Hauses, das schon einiges erlebt hat, erfolgreich weiterschreiben», betont Tamara Weishaupt.

www.gasthaus-weingarten.ch
www.loewen-worb.ch
www.kreuz-sachseln.ch
www.b-smarts.net

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Tipps zum Kauf von Betrieben

von Reto Grohmann, Vizedirektor und Unternehmensberater bei Gastroconsult.

«Die Lage ist nach wie vor ein zentraler Punkt»

1—Wie gross ist die Nachfrage nach Gastro-Immobilien?
Im aktuellen Umfeld ist es sehr schwer, neue Mieter zu finden. Die Ungewissheit über den weiteren Verlauf der Pandemie – und davon abhängig die Dauer der aktuellen Massnahmen – schrecken potenzielle Interessenten ab. Bei den Verkäufen ist es etwas weniger dramatisch. Die bis anhin eher geringe Nachfrage nach Gastronomie-Liegenschaften ist zwar ebenfalls etwas zurückgegangen, aber für gute Liegenschaften werden weiterhin Käufer gefunden.

2—Welche Immobilien sind besonders gefragt, welche weniger?
In der Gastronomie wurden in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres am ehesten noch Mietobjekte in Stadtnähe nachgefragt. Diese Nachfrage ist jedoch inzwischen ebenfalls gesunken. In der Hotellerie sind gute Hotels in Bergtourismusorten gefragt.

3—Wie hat sich die Coronapandemie auf die Immobilienpreise ausgewirkt?
Bisher konnten wir noch keine signifikante Preiserosion feststellen. Die Verkäufer hoffen noch immer, dass sie ihre Liegenschaften zu einem fairen Preis veräussern können. Zumal die meisten von ihnen nicht unter unmittelbarem Druck stehen, die Liegenschaften loszuwerden.

4—Was beeinflusst die Erfolgschancen einer Liegenschaft in der Gastronomie?
Die Lage ist nach wie vor ein zentraler Punkt. Wobei diese je nach Konzept unterschiedlich bewertet werden muss. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor sind geringe Unterhalts- und Betriebskosten sowie gute Betriebsabläufe. Das lässt sich im Nachhinein nicht oder nur mit erheblichem fi­nan­ziellem Aufwand korrigieren. Aber der wichtigste Erfolgsfaktor ist der Unternehmer vor Ort. Er hat den grössten Einfluss auf den Ertrag und die Kosten.

5—Wie verlässlich sind Angaben zum bisherigen Stammpublikum und zur Geschäftsentwicklung?
Die Verlässlichkeit hängt stark von der Quelle und deren Intention ab. Hier spielt ein vertrauenswürdiger Vermittler eine wichtige Rolle. Er bürgt mit seinem Namen bis zu einem gewissen Punkt für die Richtigkeit der Informatio­nen. Zwecks Beurteilung der Geschäftsentwicklung em­pfehlen wir unbedingt, die revidierten Jahresabschlüsse einzusehen.

6—Welche Finanzierungsoptionen stehen zur Auswahl?
Die Banken sind in der Regel sehr zurückhaltend. Einige finanzieren lieber gar keine Gastro-Liegenschaften. Die­jenigen, die Hypotheken gewähren, verlangen in der Regel
40 bis 50 Prozent Eigenkapital. Als Belehnungsgrund­lage gilt das Niederstwertprinzip: Es wird eine Bewertung erstellt und dann wird der Kaufpreis oder Schätzwert als Be­leh­nungs­obergrenze beigezogen. Finanzierungslücken können Subsidiärfinanzierer wie die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit oder eine ­Bürgschaftsgenossenschaft schliessen. Die Berghilfe kann bei Renovationsarbeiten einspringen. Allenfalls ist die Gründung einer Aktiengesellschaft mit vielen Kleinaktio­nären zielführend.

7—Mit welchen Entwicklungen auf dem Gastro-Immo­bilienmarkt rechnen Sie in den nächsten Monaten?
Aufgrund der bisherigen Covidmassnahmen gehen wir für das zweite Quartal von einer Zunahme der Konkurse aus und rechnen damit vermehrt mit leerstehenden Betrieben, primär Miet­objekten.