Die SGH feiert heuer ihr 50-Jahre-Jubiläum. GastroJournal hat aus diesem Anlass mit den drei ehemaligen Direktoren Hanspeter Weisshaupt (1981–1987), Hans-Peter Stücheli (1987–1998), Andreas Deuber (2000–2007) sowie dem aktuellen, Philippe Pasche (seit 2008), und dem aktuellen Präsidenten Thomas Bieger (seit 2013) gesprochen.
GastroJournal: Was war das prägendste Ereignis beziehungsweise die prägendste Entwicklung während Ihrer Amtsperiode?
Hanspeter Weisshaupt: Das war der freiwillige Verzicht der SGH, trotz bestehender gesetzlicher Möglichkeiten, die aus einzelnen Darlehens- oder Bürgschaftsengagements resultierenden Verluste dem Bund zu überwälzen. Dieser unternehmerische Gedanke führte zwangsläufig zu einer sehr risikogerechten Beurteilung der eingehenden Kredit- und Bürgschaftsgesuche
«Heute braucht es mehr Investitionen in Prozesse»
Philippe Pasche
Hans-Peter Stücheli: In meine Amtszeit fiel die grossangelegte «lineare» Sparübung des Bundes. Obwohl das Parlament die Darlehenserhöhung an die SGH von 80 Millionen Franken bereits beschlossen hatte, beantragte der damalige Finanzminister Otto Stich eine Reduktion um 10 Prozent. Trotz einer intensiven Gegenwehr blieb es bei der Streichung. Umso positiver war die fast zeitgleiche Leistung der Genossenschafter der SGH, die einer Kapitalerhöhung von 4 Millionen Franken zustimmten und damit ein klares Zeichen für die SGH setzten.
Andreas Deuber: Meine Amtsperiode war eine Zeit des Übergangs zu einer neuen Denkhaltung im Finanzierungsgeschäft der Banken, die den sogenannten freien Cash-flow ins Zentrum der Überlegungen stellte. Die SGH übernahm diese neue Praxis, was zu einer kritischeren Sicht mit Bezug auf die Qualität des eigenen Kreditportfolios und auf neue Finanzierungen führte. Folgen davon waren eine angepasste Kreditpolitik und ein effizientes Kreditrisikomanagement. In diesem Zusammenhang stand auch der Entscheid, das Instrument der Bürgschaft einzustellen und nur noch Direktdarlehen zu gewähren (siehe unten).
Philippe Pasche/Thomas Bieger: Ende der 90er-Jahre ergab sich ein hoher Sanierungsbedarf in der Hotellerie mit einem grossen Abschreibungsbedarf auf Darlehen und Bürgschaften bei der SGH. Im letzten Jahrzehnt wurde die Hotellerie durch tiefgreifende Ereignisse gekennzeichnet. Trotz oder vielleicht gerade dank diesen Herausforderungen, welche den Druck auf die bestehenden Strukturen erhöht und deren
«Die Beratungstätigkeit soll ausgebaut werden»
Hanspeter Weisshaupt
Anpassungen beschleunigt haben, hat die Branche ihre Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft bewiesen. Bei der markanten Euroabwertung 2011 konnten wir kurzfristig Massnahmen zur Entlastung der Darlehensnehmer einführen. Gleichzeitig hat der Bund ein Zusatzdarlehen von 100 Millionen Franken gesprochen und so die Möglichkeiten unserer Gesellschaft erweitert.
«Risikolose Kreditvergabe gibt es ohnehin nicht»
Hans-Peter Stücheli
Wo sehen Sie im Wirkungsfeld der SGH Handlungsbedarf?
Weisshaupt: Es ist wichtig, dass die marktwirtschaftlichen Kräfte und Entwicklungen in Hotellerie und Restauration durch die SGH nicht gebremst werden. Weiter soll die Beratungstätigkeit der SGH im Dienste von Hotellerie und Gastronomie weiter ausgebaut werden.
Stücheli: Von aussen betrachtet sehe ich keinen Handlungsbedarf, denn die SGH hat sich in den letzten Jahren grundlegend an die neuen wirtschaftlichen, finanzierungstechnischen und branchenrelevanten Vorgaben angepasst. Sie hat sich ein Kleid geschneidert, das ihr den vollen Handlungsspielraum lässt, den es braucht, um die Hotellerie optimal unterstützen zu können.
Deuber: Die SGH hat nach wie vor eine Bedeutung als Kompetenzzentrum für Hotelfinanzierung. Ein Problem liegt aus meiner Sicht in der Grösse des Finanzierungsgeschäftes, das mit hohen Systemkosten verbunden ist. Denkbar, dass die Bedeutung der Finanzierung zugunsten der Branchenexpertise und den damit verbundenen Dienstleistungen zurückgeht. Pasche/Bieger: Wir sehen Handlungsbedarf im Zusammenhang mit der Digitalisierung: Im Rahmen neuer Geschäftsmodelle braucht es neben oder teilweise statt Investitionen in Bauten auch Investitionen in Prozesse. Statt nur in Hardware muss vermehrt in Software investiert werden. Gleichzeitig gilt es. die beschleunigte und nötige Strukturanpassung zu begleiten. Darauf wollen und müssen wir uns ausrichten. Die Fokussierung auf Investitionen in die Software bedingt die Risikobereitschaft, innovative Geschäftsmodelle, Produkte und Verfahren zu entwickeln, zu finanzieren und zu fördern. Dieser Wille zum Risiko bedarf marktfreundlicher und vorhersehbarer Rahmenbedingungen.
«Denkbar, dass die Finanzierung zurückgeht»
Andreas Deuber
Was wünschen Sie sich für die SGH betreffend Handlungsspielraum sowie Entwicklungen in den nächsten Jahren?
Weisshaupt: Ich wünsche mir, dass die SGH mithilft, den Megatrend Digitalisierung nicht als Gefahr, sondern als Chance für Hoteliers und Restaurantbetreiber zu nutzen. Bei der Projektbeurteilung durch die SGH ist der Nachhaltigkeit, der Ökologie sowie der Kosteneffizienz und Produktivitätssteigerung weiterhin eine hohe Priorität einzuräumen. Stücheli: Die SGH hat sich auf gesetzlicher Basis neu ausgerichtet. Sie hat ihren Wirkungskreis und Handlungsspielraum erweitert. Ich bin überzeugt, dass die heutige Führung der SGH alles daran setzen wird, diese Neuausrichtung zum Wohle der Branche in der Praxis umzusetzen. Dazu gehört die risikogerechte Unterstützung von Investitionen unter Ausschöpfung der neuen Parameter, auch wenn damit das Verlustrisiko ansteigen sollte. Risikolose Kreditvergaben gibt es systembedingt für die SGH ohnehin nicht.
Deuber: Ich gehe zumindest für die kurz- und mittelfristige Zukunft davon aus, dass Ferien-Tourismus im Allgemeinen und Beherbergung im Besondern in der Schweiz wegen anspruchsvoller Rahmenbedingungen schwierig bleiben werden. Faktoren wie laufend steigende Gästebedürfnisse, Konkurrenz- und Kostendruck sowie neue Technologien verlangen von der Branche Professionalität, Konzentration und Wandlungsfähigkeit. Dies bedingt eine starke und risikofähige SGH, die sich als Partnerin der Erneuerung profilieren kann.
Pasche/Bieger: Die SGH hat mit der Revision ihrer Verordnung bereits wichtige zusätzliche Handlungsspielräume entlang der touristischen Wertschöpfungskette bekommen. Weiterhin bauen wir auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Beherbergungsindustrie, dem Bund, den Kantonen und den Banken. Zu prüfen ist eine Ausweitung der Förderung auf Prozesse und Digitalisierung und eine stetige Verbesserung der Zusammenarbeit und der Förderwirkung mit anderen öffentlichen Instrumenten und Politiken, aber auch mit privaten Organisationen, wie der Berghilfe. Es ist uns wichtig, dass die Möglichkeit zur Finanzierung und Beratung von Beherbergungsprojekten durch die SGH sich weiterhin entlang der Wertschöpfungskette flexibel anpassen kann.
Hotellerie
Für eine starke und risikofähige SGH
Christine Bachmann – 29. Juni 2017
Was war prägend in den letzten Jahrzehnten, inwiefern herrscht Handlungsbedarf, und wohin soll die Reise der SGH gehen? Antworten von vier Direktoren und einem Präsidenten