Hotellerie

Für eine starke und risikofähige SGH

Christine Bachmann – 29. Juni 2017
Was war prägend in den letzten Jahrzehnten, inwiefern herrscht Handlungsbedarf, und wohin soll die Reise der SGH gehen? Antworten von vier Direktoren und einem Präsidenten

Die SGH feiert heuer ihr 50-Jahre-­Jubiläum. GastroJournal hat aus diesem Anlass mit den drei ehemaligen Direktoren Hanspeter Weisshaupt (1981–1987), Hans-Peter Stücheli (1987–1998), Andreas Deuber (2000–2007) sowie dem aktuellen, Philippe Pasche (seit 2008), und dem aktuellen Präsidenten Thomas Bieger (seit 2013) gesprochen. GastroJournal: Was war das prägendste Ereignis beziehungsweise die prägendste Entwicklung während Ihrer Amtsperiode?
Hanspeter Weisshaupt: Das war der freiwillige Verzicht der SGH, trotz bestehender gesetzlicher Möglichkeiten, die aus einzelnen Darlehens- oder Bürgschaftsengagements resultierenden Verluste dem Bund zu überwälzen. Dieser unternehmerische Gedanke führte zwangsläufig zu einer sehr risikogerechten Beurteilung der eingehenden Kredit- und Bürgschaftsgesuche PAsche5  «Heute braucht es mehr Investitionen in Prozesse» Philippe Pasche Hans-Peter Stücheli: In meine Amtszeit fiel die grossangelegte «lineare» Sparübung des Bundes. Obwohl das Parlament die Darlehenserhöhung an die SGH von 80 Millionen Franken bereits beschlossen hatte, be­antragte der damalige Finanzminister Otto Stich eine Reduktion um 10 Prozent. Trotz einer intensiven Gegenwehr blieb es bei der Streichung. Umso positiver war die fast zeitgleiche Leistung der Genossenschafter der SGH, die einer Kapital­erhöhung von 4 Millionen Franken zustimmten und damit ein klares Zeichen für die SGH setzten. Andreas Deuber: Meine Amtsperiode war eine Zeit des Übergangs zu einer neuen Denkhaltung im Finanzierungsgeschäft der Banken, die den sogenannten freien Cash-flow ins Zentrum der Überlegungen stellte. Die SGH übernahm diese neue Praxis, was zu einer kritischeren Sicht mit Bezug auf die Qualität des eigenen Kreditportfolios und auf neue Finanzierungen führte. Folgen davon waren eine angepasste Kreditpolitik und ein effizientes Kreditrisikomanagement. In diesem Zusammenhang stand auch der Entscheid, das Instrument der Bürgschaft einzustellen und nur noch Direktdarlehen zu gewähren (siehe unten). Philippe Pasche/Thomas Bieger: Ende der 90er-Jahre ergab sich ein hoher Sanierungsbedarf in der Hotellerie mit einem grossen Abschreibungsbedarf auf Darlehen und Bürgschaften bei der SGH. Im letzten Jahrzehnt wurde die Hotellerie durch tiefgreifende Ereignisse gekennzeichnet. Trotz oder vielleicht gerade dank diesen Herausforderungen, welche den Druck auf die bestehenden Strukturen erhöht und deren Weisshaupt  «Die Beratungs­tätigkeit soll aus­gebaut werden» Hanspeter Weisshaupt  Anpassungen beschleunigt haben, hat die Branche ihre Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft bewiesen. Bei der markanten Euroabwertung 2011 konnten wir kurzfristig Massnahmen zur Entlastung der Darlehensnehmer einführen. Gleichzeitig hat der Bund ein Zusatzdarlehen von 100 Millionen Franken gesprochen und so die Möglichkeiten unserer Gesellschaft erweitert.  Stuecheli«Risikolose Kreditvergabe gibt es ­ohnehin nicht» Hans-Peter Stücheli Wo sehen Sie im Wirkungsfeld der SGH Handlungsbedarf?
Weisshaupt:
Es ist wichtig, dass die marktwirtschaftlichen Kräfte und Entwicklungen in Hotellerie und Res­tauration durch die SGH nicht gebremst werden. Weiter soll die Beratungstätigkeit der SGH im Dienste von Hotellerie und Gastronomie weiter ausgebaut werden. Stücheli: Von aussen betrachtet sehe ich keinen Handlungsbedarf, denn die SGH hat sich in den letzten Jahren grundlegend an die neuen wirtschaftlichen, finanzierungstechnischen und branchenrelevanten Vorgaben angepasst. Sie hat sich ein Kleid geschneidert, das ihr den vollen Handlungsspielraum lässt, den es braucht, um die Hotellerie optimal unterstützen zu können. Deuber: Die SGH hat nach wie vor eine Bedeutung als Kompetenzzentrum für Hotelfinanzierung. Ein Problem liegt aus meiner Sicht in der Grösse des Finanzierungsgeschäftes, das mit hohen Systemkosten verbunden ist. Denkbar, dass die Bedeutung der Finanzierung zugunsten der Branchenexpertise und den damit verbundenen Dienstleistungen zurückgeht. Pasche/Bieger: Wir sehen Handlungsbedarf im Zusammenhang mit der Digitalisierung: Im Rahmen neuer Geschäftsmodelle braucht es neben oder teilweise statt Investitionen in Bauten auch Investitionen in Prozesse. Statt nur in Hardware muss vermehrt in Software investiert werden. Gleichzeitig gilt es. die beschleunigte und nötige Strukturanpassung zu begleiten. Darauf wollen und müssen wir uns ausrichten. Die Fokussierung auf Investitionen in die Software bedingt die Risiko­bereitschaft, innovative Geschäftsmodelle, Produkte und Verfahren zu entwickeln, zu finanzieren und zu fördern. Dieser Wille zum Risiko bedarf marktfreundlicher und vorhersehbarer Rahmenbedingungen. Deuber
«Denkbar, dass die Finanzierung ­zurückgeht»  Andreas Deuber Was wünschen Sie sich für die SGH betreffend Handlungsspielraum sowie Entwicklungen in den nächsten Jahren?
Weisshaupt:
Ich wünsche mir, dass die SGH mithilft, den Megatrend Digitalisierung nicht als Gefahr, sondern als Chance für Hoteliers und Restaurantbetreiber zu nutzen. Bei der Projektbeurteilung durch die SGH ist der Nachhaltigkeit, der Ökologie sowie der Kosten­effizienz und Produktivitätssteigerung weiterhin eine hohe Priorität einzuräumen. Stücheli: Die SGH hat sich auf gesetzlicher Basis neu ausgerichtet. Sie hat ihren Wirkungskreis und Handlungsspielraum erweitert. Ich bin überzeugt, dass die heutige Führung der SGH alles daran setzen wird, diese Neuausrichtung zum Wohle der Branche in der Praxis umzusetzen. Dazu gehört die risikogerechte Unterstützung von Investitionen unter Ausschöpfung der neuen Parameter, auch wenn damit das Verlustrisiko ansteigen sollte. Risikolose Kreditvergaben gibt es systembedingt für die SGH ohnehin nicht. Deuber: Ich gehe zumindest für die kurz- und mittelfristige Zukunft davon aus, dass Ferien-Tourismus im Allgemeinen und Beherbergung im Besondern in der Schweiz wegen anspruchsvoller Rahmenbedingungen schwierig bleiben werden. Faktoren wie laufend ­steigende Gästebedürfnisse, Konkurrenz- und Kostendruck sowie neue Technologien verlangen von der Branche Professionalität, Konzentration und Wandlungs­fähigkeit. Dies bedingt eine starke und risikofähige SGH, die sich als Partnerin der Erneuerung profilieren kann. Pasche/Bieger: Die SGH hat mit der Revision ihrer Verordnung bereits wichtige zusätzliche Handlungsspielräume entlang der touristischen Wertschöpfungskette bekommen. Weiterhin bauen wir auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Beherbergungsindustrie, dem Bund, den Kantonen und den Banken. Zu prüfen ist eine Ausweitung der Förderung auf Prozesse und Digitalisierung und eine stetige Verbesserung der Zusammenarbeit und der Förderwirkung mit anderen öffentlichen Instrumenten und Politiken, aber auch mit privaten Organisationen, wie der Berghilfe. Es ist uns wichtig, dass die Mög­lichkeit zur Finanzierung und Beratung von Beher­bergungsprojekten durch die SGH sich weiterhin entlang der Wertschöpfungskette flexibel anpassen kann.

Die Modernisierung und Erneuerung der Hotellerie vorantreiben

Geschichtlicher Rückblick von 1921 bis 2017: von der SHTG über die HBG bis hin zur SGH Institutionen zur Förderung der Beherbergungswirtschaft in der Schweiz existieren nicht erst seit der Gründung der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) 1967, sondern schon viel länger. So wurde bereits 1921 die Schweizerische Hotel-Treuhand-Gesellschaft (SHTG) gegründet. Sie war eines der Hauptinstrumente bei der Umsetzung von verschiedenen staatlichen Massnahmen zugunsten der darbenden Hotellerie nach dem ersten Weltkrieg – insbesondere ging es selbstredend um finanzielle Mittel zur Entschuldung. 1956 folgte dann aufgrund einer Initiative der Tourismus- und Bankenwelt die Gründung der Schweizerische Bürgschaftsgenossenschaft für die Saisonhotellerie (HBG). Deren Hauptaufgabe war es, «die Instandsetzung und die Renovierung sowie die Rationalisierung der Betriebe mittels Bürgschaft von Bankkrediten zu fördern». Sowohl die SHTG wie auch die HBG verfolgten somit ähnliche Ziele, doch weder die eine noch die andere Gesellschaft verfügte über langfristige finanzielle Mittel, um die Modernisierung der Hotellerie voranzutreiben. Hier kam die SGH ins Spiel. Denn in den 50er-Jahren fand eine Wende statt, die von den Modellen zum Schutz der Hotellerie (SHTG/HGB) zu einem Modell der Erneuerung überging und gesetzlich 1966 durch die Gründung der SGH verankert wurde. Mittels SGH förderte der Bund die Vergabe von Darlehen für Hotels und Kurorte in den touristischen Regionen. In der Folge kam es zu etlichen diversen Revisionen der Gesellschaft. So wurde 1974 unter anderem der Begriff des Hotels erweitert (Motel, Herberge, Jugendherberge etc.), 1986 kam die geografische und zeitliche Ausdehnung der Zinsreduktionen, und 2002 musste das Darlehens- und Bürgschaftsportfolio bereinigt und die SGH gerettet werden. 2011 erhielt die SGH dann im Rahmen der Botschaft vom 31. August 2011 zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eine Er­höhung des Bundesdarlehens um 100 Millionen Franken. Das Parlament hatte in der Herbstsession 2011 diesen Antrag gutgeheissen. Die Laufzeit des befristeten Bundesdarlehens wurde zwischenzeitlich bis 2019 verlängert. Am 1. April 2015 folgte die vorerst letzte Revision der SGH mit der neuen Vergabeordnung. Diese erlaubt ihr neu unter anderem, auch Konzepte sowie Kooperationsvorhaben zu unterstützten sowie Darlehen bis zu 6 Millionen Franken pro Vorhaben zu vergeben. Insgesamt hat die SGH in den letzten 50 Jahren für 836 Millionen Franken Darlehen sowie 613 Millionen Franken Bürgschaften bewilligt, die eine geschätzte Investitionssumme von rund 9,9 Milliarden Franken ausgelöst haben.