Noch vor einigen Jahren gehörten nach dem Essen im Restaurant ein Grappa, Kirsch oder Pflümli zum obligaten Absacker. Diese Zeiten sind weitgehend vorbei – sei es aufgrund der rigiden Promillegrenze, oder weil die traditionellen Brände bei der jüngeren Generation einfach nicht mehr so hoch im Kurs stehen. Doch nicht nur im Konsum sind diese Spirituosen abnehmend. So zeigen die Zahlen der Eidgenössischen Alkoholverwaltung, dass die gesamte inländische Erzeugung von Kernobst- und Spezialitätenbränden seit Jahren stagniert: Der Rückgang vom Brennjahr 1996/97 bis 2015/16 beträgt rund zwei Drittel (siehe Grafik).
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weniger hergestellt und getrunken werden, nehmen das Interesse, die heimische Produktion wie die Einfuhr von Gin, Cognac und Whisky stetig zu (siehe Grafik sowie Interview unten). Eine Entwicklung, die diverse Gastgeber in ihren Betrieben feststellen konnten, unter anderem jener im Hotel Belvédère in Scuol. «Viele unserer Gäste kennen unser Whisky-Angebot, und entsprechend verkaufen wir diese Spirituosen sehr gut. Vor zwei Jahren hatten wir zudem einen Gin-Event, und seither führen wir zusätzlich eine spezielle Gin-Karte. Auch dieses Angebot läuft nach wie vor sehr gut», teilt Robert Amstutz mit, Operativer Direktor/F&B. Weniger hoch im Kurs seien indes die klassischen Grappas. «Ich habe den allgemeinen Eindruck, dass das Hoch dieser Spirituose nachgelassen hat, und der Verkauf rückläufig ist.» Weiter seien klassische Spirituosen wie Armagnac und Brandy ebenfalls seit Jahren stagnierend. Eine Aussage, die von weiteren Betrieben gestützt wird. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel. So teilt Gastgeber Tobias Funke vom Gasthaus zur Fernsicht in Heiden mit: «Wir dürfen so ziemlich alles verkaufen, vom Grappa und Fruchtbrand über den Cognac und Armagnac bis hin zum Whisky, Wodka, Gin und Rum – wobei die letzten vier Spirituosen sicher die beliebtesten sind und bei uns vorwiegend an der Bar genossen werden.» Glücklich ist somit, wer neben dem Restaurationsbereich dem Gast noch einen Besuch an der Bar anbieten kann. Denn diese ist nach wie vor ein «wichtiger Umsatzträger, wenn es um den Verkauf von Spirituosen geht», wie Amstutz bestätigt, der mit der Bar die sinkende Konsumation im Restaurationsbereich wettmacht.
Am Ende sind aber nicht nur ein vorhandenes Angebot sowie eine Bar essenziell, um den Verkauf von Spirituosen anzustossen, sondern auch spezifische Fachkräfte, welche die Getränke an die Frau, den Mann bringen. So setzt Robert Amstutz vom Hotel Belvédère auf einen topausgebildeten Barmann, der sich bei Spirituosen bestens auskennt und die Gäste entsprechend beraten kann. «Er gestaltet ein täglich wechselndes Angebot an alkoholischen Cocktails sowie Drinks.» Das Gleiche mache er mit alkoholfreien Drinks, «was sehr gut ankommt und eine lukrative Alternative bietet». Auch Funke setzt in seinem Betrieb in diesem Bereich auf Fachkräfte. So beschäftigt er neben drei Weinsommeliers noch einen Spirituosensommelier sowie zwei Barkeeper, «die sich alle sehr gut auskennen».
Ein Gespräch mit Arthur Nägele über Trends, Spirituosenkarten und die richtige Ausbildung
Arthur Nägele ist ein Fachmann, wenn es um Spirituosen und Wein geht. Denn der Voralberger ist Betriebsleiter mit Meisterprüfung für das Gastgewerbe in Österreich, Tourismuskaufmann, diplomierter Sommelier, ZHAW Sensorik-Lizenz Spirituosen-Sommelier und Referent beim «Schweizer Spirituosen-Sommelier» von GastroSuisse.
GastroJournal: Bei Spirituosen aus der Schweiz denken die meisten im ersten Moment wohl an Pflümli, Kirsch und Absinth, obwohl inzwischen die hergestellte Spirituosenvielfalt weitaus grösser ist. Wie steht es um die Schweizer Spirituosenlandschaft?
Arthur Nägele: Ich denke, dass noch immer viele die Schweiz als Kirschland sehen. Obwohl sie inzwischen einen guten Namen für internationale Spirituosen hat. Absinth, Whisky und Gin sind der neue Kirsch. Rund 28 Brennereien produzieren Single Malt Whisky!
Wohin gehen die Trends in Sachen Spirituosen, beziehungsweise was sind die Renner national und international?
Die Trends zeichnen sich unverändert ab, Gin ist in und Rum stark auf dem Vormarsch. Einige Brennereien basteln an Destillaten aus Zuckerrübenmelasse, doch das hat weder den Charakter von Rum, noch darf es sich Rum nennen, da Rum aus Zuckerrohr hergestellt werden muss. International ist ein Trend zu Tequila und Mescal zu verzeichnen, aber auch Pisco ist an den internationalen Bars sehr gefragt im Moment. Obwohl immer von einem Trend hin zu Cognac gesprochen wird, hat sich dies meiner Meinung nach noch nicht in der Schweiz gezeigt.
Was darf auf keiner Getränkekarte fehlen, beziehungsweise was sind die grössten Spirituosen No-Gos in der Gastronomie?
Eine Spirituosenkarte kann man nicht verallgemeinern. Diese ist individuell auf das Konzept des Betriebes anzupassen. Ein paar Standards im Apérobereich, Bitterbereich, aber auch Digestif dürfen natürlich nicht fehlen. Whisky, Gin, Cognac und Rum. Ein Angebot sollte so ausgerichtet sein, dass sich Standardqualitäten und ein, zwei Leuchtturm-Produkte aufzeigen. Ein No-Go ist zum Beispiel, die Literware Obstbrände, welche für Kaffeespezialitäten verwendet werden, auch pur, gekühlt aus der Kühlschublade zu verwenden … Obwohl sich das Trinken von Hochprozentigem immer mehr in den privaten Bereich verschiebt, kann der Gastronom mit einem gut ausgewogenen Angebot noch immer punkten. Ein gekonntes Zusammenführen von Speisen und Spirituosen in Form eines Dinners sind immer mehr gefragt.
Warum braucht es einen Spirituosensommelier, und weshalb sollte man als Gastgeber eine solche Ausbildung absolvieren?
Die Ausbildung zum Spirituosensommelier zielt auf die «Bildung» ab. Die Teilnehmer lernen die Grundlagen von Produktion, die Rohstoffe und Eigenarten der verschiedenen Spirituosen weltweit. Sie lernen, ein passendes Angebot für ihren Betrieb zu erstellen, richtig zu kalkulieren sowie Speisen und Spirituosen miteinander zu kombinieren. Es wird viel praktisch degustiert, um die Teilnehmer für die Produkte zu sensibilisieren. Nur was man kennt, kann man auch verkaufen.
www.gastrosuisse.ch
www.spirituosenakademie.ch
Gastronomie
Traditionelle Brände stagnieren
Christine Bachmann – 23. Mai 2018
Sie sind ein interessantes Zusatzgeschäft im Gastgewerbe: Spirituosen. Erkenntnisse aus dem Markt und den Betrieben.