Es war die Leidenschaft für Essen und Landwirtschaft, die Patrick Honauer in die Gastronomie führte. Der 1965 geborene Berner hat seine Kochlehre bei Klaus Künzli im Bären Ostermundigen absolviert, bevor es ihn unter anderem als Koch auf die Botschaft nach Moskau verschlug und als Dozent an die Belvoirpark Hotelfachschule in Zürich. Mit 27 Jahren übernahm Honauer sein erstes Restaurant, den «Neuhof» in Bachs. Anschliessend war er an der Gründung der Dorf- und Quartierläden «BachserMärt» beteiligt sowie an diversen weiteren Projekten, darunter die Institution AxisBildung, der Verein «rundumkultur» und die Food Network Academy. Seit 2015 ist Honauer zudem Co-Verantwortlicher im Hotel Jakob in Rapperswil.
GastroJournal: Sie legen grossen Wert auf nachhaltige Projekte. Das war schon bei Ihrem ersten Restaurant so, das zu den ersten Bio-Restaurants der Schweiz gehörte. Was treibt Sie an?
Patrick Honauer: Als ich Dozent an der Hotelfachschule war, habe ich gemerkt, dass ich nicht über Innovation und nachhaltiges Unternehmertum sprechen kann, ohne diese Dinge selbst zu leben. Aus diesem Grund bin ich mit dem Restaurant Neuhof in die Selbständigkeit getreten. Ich hatte damals die Vision, sowohl etwas Soziales als auch Ökologisches zu machen. Denn so, wie dazumal gewirtschaftet wurde, konnte es meiner Meinung nach nicht weitergehen. Deshalb habe ich eng mit lokalen Bauern zusammengearbeitet und ausschliesslich Produkte verarbeitet, die ich direkt ab Hof kaufen konnte. Der Neuhof wurde dadurch zu einer Alternativbeiz mit Farm-to-Table-Konzept. Und die Leute fanden das spannend.
Heute ist Nachhaltigkeit in aller Munde, damals gehörten Sie mit dieser Einstellung zu den Pionieren.
Das stimmt, aber es fingen bereits viele Institutionen an, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen – auch im sozialen Bereich. Und mein Herzensanliegen war es, den Mensch in den Mittelpunkt des Wirtschaftens zu stellen, und mit ihm die Verantwortung. Also Verantwortung für das, was man tut. Wenn man selbst einen Betrieb führt, dann ist man nicht mehr für sich allein verantwortlich, sondern auch für andere Leute, für einen grösseren Radius. Und es reizte mich, in diesem grösseren Radius Dinge auszuprobieren und dabei neue Lösungen zu finden. Ich bin nicht der Typ, der etwas Bestehendes bekämpfen möchte, sondern der, der neue Modelle entwickeln will.
Wo sehen Sie punkto Nachhaltigkeit die Rolle der Gastronomie?Ich möchte nicht etwas bekämpfen, sondern neue Wege aufzeigen
Bei der Ernährung und Gesundheit allgemein, aber auch bei der Essensproduktion. Wir werfen heute einen Drittel unserer Lebensmittel weg. Das bedeutet, dass Essen eine unglaubliche Professionalität braucht. Unsere Branche sollte hier viel mehr zum Leuchtturm werden und eine Veränderung anstossen. Wir sollten beratend tätig sein und mit den Leuten ins Gespräch kommen, wenn es um Ernährungsfragen geht: Woher kommt unser Essen und was passiert damit, wenn wir es wegwerfen? Was tue ich, wenn ich eine Allergie habe? Diese Unsicherheit, die viele Konsumenten verspüren, stellt ein grosses Potenzial für unsere Branche dar. Wir sollten mehr tun als kochen und servieren, nämlich neue Wege aufzeigen, Inspiration geben und den Mut haben, Dinge auszuprobieren. Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
An der Olympiade in Brasilien haben Massimo Bottura und David Hertz im Refettorio für Bedürftige gekocht – und zwar mit überschüssigen Lebensmitteln. Plötzlich fingen die Medien an, die Überschüsse und soziale Not zu thematisieren. Und das motiviert dann auch die Konsumenten und zeigt auf, welche Massnahmen es gegen Food Waste gibt und wie diese umsetzbar sind. Wichtig ist, dass man selber für diese Lösungen einsteht: Denn je passionierter ein Mensch für einen Ansatz ist, desto mehr springt der Funke über. Und die Gastronomie ist hier ein Tool für Veränderung. Zusammen können wir etwas auf die Beine stellen.
Stichwort «zusammen»: Ende März haben Sie einen Vortrag an der Fachtagung «Hochgenuss» gehalten und die Anwesenden dazu aufgefordert, ihr Wissen zu teilen und das Konkurrenzdenken zu vergessen. Inwiefern ist letzteres in der Gastronomie vorhanden?Es wird wenig miteinander, aber viel übereinander gesprochen
Die Gastronomie ist eine Branche, in der unglaublich wenig miteinander, aber viel übereinander gesprochen wird. Oft fehlt die Gesprächsbereitschaft, weil sich Gastronomen untereinander beweisen möchten oder nur um ihren eigenen Umsatz besorgt sind. Warum lassen wir dieses Denken nicht und sitzen stattdessen zusammen? Ein Beispiel: Als ich das Hotel Jakob in Rapperswil kennengelernt habe, gehörte es dem heutigen Regierungsrat Martin Klöti. Er bot damals im Betrieb kein eigenes Frühstück an, da das Café nebenan eines der besten von Rapperswil war. Die Gäste konnten also im Hotel Jakob schlafen und abends an die Bar, doch das Frühstück gab es stattdessen im Café nebenan. Diese Zusammenarbeit fand ich sehr schön. Wir haben den Grundstein unserer Vision fürs Jakob mit Freddy Christandl gelegt, dem Botschafter der Bergkartoffel aus dem Albulatal. Wir haben uns mit dem Gemüsepionier Matthias Hollenstein verbündet und aus der Beziehung zu unseren Produzenten das Konzept entwickelt. Der Dialog inspiriert und befruchtet gegenseitig! Wo sehen Sie sonst noch die Vorteile einer Kooperation?
Zum einen sicher in der Kommunikation gegen aussen. Es wirkt ganz anders, ob man als Paar auftritt oder als Gruppe. Kooperationen eignen sich gut für Stories, denn es fliessen verschiedene Sichtweisen hinein – das macht es spannend. Ausserdem schaffen Kooperationen Räume, die über den Betrieb hinausgehen: Ich glaube daran, dass ein freundschaftliches Miteinander, ob im Team oder mit den Nachbarn, ein neues Klima kreiert, das auch die Gäste spüren. Nicht zuletzt können durch Zusammenschlüsse ganz neue Produkte entstehen. Ich habe mal in Zürich an einem «Beizen-Sharing» mitgewirkt: Der Pächter des ehemaligen Restaurants Mühletal wollte nicht mehr mittags und abends den Service machen, also haben ein Kollege und ich den Abend übernommen. Das lief perfekt: Mittags bot der Pächter eine gutbürgerliche Küche an, abends haben wir mit Gastköchen verrückte Dinge ausprobiert. Und für die Gäste war das eine schöne Geschichte, zwei Konzepte in einer Beiz.
Sie sind am Verein «rundumkultur» beteiligt, mit dem Sie weltweit nachhaltige Projekte unterstützen. Was können Sie Jungunternehmern aus der Schweiz für einen erfolgreichen Start empfehlen?Klein anfangen und sich Zeit geben – so entsteht etwas Nachhaltiges
Ich rate ihnen stark, sich in ihrem Umfeld nach Menschen umzuschauen: Wer begegnet ihnen, mit wem können sie sich verbünden? Mir passiert das laufend: Ich trage meine Ideen meist ein halbes Jahr mit mir herum und schaue, wer oder was mir in dieser Zeit begegnet. Ich lese dann auch die Zeitung ganz anders und schärfe meinen Blick für Dinge, die mich weiterbringen. Und genau in diesen Momenten passiert dann das Kooperative: Zum Beispiel meldet sich jemand mit einer ähnlichen Vision, und wir können unsere Idee teilen und gemeinsam weiterentwickeln. Sind auf diese Weise Ihre vielen Projekte entstanden?
Genau, ich war dabei nie alleine. Alles, was ich anpacke, entsteht zusammen mit anderen Leuten: beim BachserMärt waren wir zu dritt, beim Hotel Jakob sind wir zu fünft... Da kommt so viel zusammen, man kann die verschiedenen Ressourcen und Stärken nutzen – es ist ein Geschenk. Und das rate ich jungen Unternehmern ebenfalls: klein anfangen, pröbeln, am besten im Team, und sich Zeit geben. Dann hat man auch den Schnauf, um etwas erfolgreich und nachhaltig umzusetzen. www.patrickhonauer.ch