Gastronomie

Konzepte an die Kette legen

Cristina Bürgi – 12. April 2017
Die Schweiz ist zu klein, als dass Gastro-Ketten sich ausbreiten können – das die langjährige Meinung. Heute nimmt die Zahl der Gastronomie-Gruppen kontinuierlich zu.

Am deutlichsten fällt es an Schweizer Bahnhöfen auf: Wo sich Reisende früher in traditionellen Buffets eine Mahlzeit gönnten, holen sich die Konsumenten heute in Kettenbetrieben wie Tibits, Starbucks oder Brezelkönig ein Gericht «to go». Gefragt ist hauptsächlich schnelle Verpflegung, die aber möglichst frisch und aus hochwertigen Zutaten bestehen sollte. Diese Nachfrage kommt den Restaurantketten geradezu entgegen, die durch ihre Grösse von Einkaufsvorteilen und Synergien profitieren. Sie weisen in der Regel nicht nur eine höhere Produktivität als ein Kleinbetrieb aus, sondern können sich auch die teureren Zutaten leisten – und nicht zuletzt die lukrativen Lagen in Stadtzentren oder an ­Verkehrsknotenpunkten. Was das für die kleinen, individuellen Betriebe bedeutet? Diese sind zwar gemäss dem aktuellen Branchenspiegel von GastroSuisse auf dem Schweizer Markt am häufigsten vertreten, doch ihre Zahl nimmt Jahr für Jahr ab – das lässt sich beispielsweise an der Anzahl Einzelfirmen ablesen, die 2016 um 6,5 Prozent zurückgegangen ist. Rund 40 Prozent der Schweizer Gastro-Unternehmen sind heute Einzelfirmen. Die restlichen sind grösstenteils GmbHs und AGs (30% bzw. 20%): Rechtsformen, die in der Gastro-Landschaft immer häufiger auftauchen und meistens mehrere Filialen zählen. Zu den grössten und bekanntesten gehören etwa Mc Donald’s, SV Schweiz oder die Eldora AG (siehe Illustration). Wenn ein Restaurant zu einer Gastronomie-Gruppe gehört, ist das aber noch lange kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg: Zwar kann der Betrieb je nach Gruppe von einem guten Image oder starken Marketing profitieren. Doch auch Grossunternehmen stehen vor der Herausforderung, den Bedürfnissen der Konsumenten gerecht zu werden oder dem Kostendruck Stand zu halten. Ein Beispiel dafür ist die Fast-Food-Kette McDonald’s, die in den 1990er-Jahren die Spitze ihres Erfolgs erreichte. Sie gehört zwar immer noch zu den grössten Gastronomie-Gruppen der Schweiz, musste sich aber in den letzten Jahren mit neuem Design, Salatbars und Tischservice neu erfinden, um ihren Erfolg halten zu können. Aktuell gibt sie auch ihren umsatzstarken Standort an der Zürcher Bahnhofstrasse auf – wegen der schwierigen Mietzinsentwicklung. Ein Beweis dafür, dass auch eine Grösse wie McDonald’s sich nicht alles leisten kann und will. Um die Jahrtausendwende waren Branchenkenner noch davon überzeugt, dass die Schweiz für Gastro-Ketten zu klein ist: Damals scheiterten etwa bekannte internationale Marken wie KFC, Subway und Pizza Hut am Markteintritt. Inzwischen sieht die Lage anders aus: Subway hat sich mit rund 40 Filialen erfolgreich etabliert, während KFC mit einem zweiten Versuch in der Schweiz liebäugelt. Auch die fortschreitende Expansion von Marken wie Starbucks, Dean & David oder Holy Cow zeigen, dass das Potenzial in der Schweiz noch nicht ausgeschöpft ist. Dabei fällt auf, dass immer mehr Unternehmen auf sehr unterschiedliche Konzepte setzen. So gehört die Burger-Kette Holy Cow zur Piq Gruppe, welche in der Schweiz auch noch die Funky Chicken- und Burrito Brothers-Filialen betreibt. Die erfolgreiche Sushi-Kette Yooji’s wiederum gehört zur Two Spice AG, die in der Deutschschweiz auch für ihre Konzepte Jack & Jo, Rice Up und Nooba bekannt ist. Diese weisen auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten auf und kommen als individuelle Brands daher – im Hintergrund wird aber vieles standardisiert, etwa die Administration. Auf den Punkt brachte es Rudi Bindella, Inhaber von über 40 Bindella-Lokalen, in einem Interview mit GastroJournal (GJ07/2016): «Wir vereinheitlichen lieber im Hintergrund, wo der Gast es nicht bemerkt, und gestalten dafür das individuell, was der Gast spürt.» Fakt ist: Die Gäste schätzen bei bekannten Restaurantbrands, dass sie genau wissen, was sie dort für ihr Geld erhalten. Dennoch sind sie auf der Suche nach authentischen Konzepten, die es nicht an jeder Ecke gibt. Und davon profitieren wiederum Gastro-Unternehmen mit verschiedenen Brands, wie es bei der Bindella-Unternehmung, Candrian Catering AG oder Remimag AG der Fall ist. Die Illustration (siehe oben) zeigt die 20 grössten Gastronomie-Gruppen der Schweiz, die sich in den letzten zehn Jahren ungefähr auf dem gleichen Niveau bewegt haben. Inzwischen spürt man aber Bewegung auf dem Markt: Der Migros-Genossenschafts-Bund hat den langjährigen Anführer McDonald’s von der Spitze verdrängt, und die Compass Group, die 2010 noch an vierter Stelle gestanden hatte, musste Coop, Eldora und den ZFV-Unternehmungen weichen. Im Hintergrund wachsen weitere Gruppen heran – so mischt die Dieci AG, die auf italienische Pizza und Gelati spezialisiert ist und 34 Standorte besitzt, neuerdings unter den 25 grössten Unternehmen mit. Zudem wagen immer mehr Gruppen die Expansion in die Deutsch- oder Westschweiz: Die Burger-Kette Holy Cow wurde beispielsweise 2009 in Lausanne gegründet, besitzt aber inzwischen mehrere Betriebe in Zürich, Luzern, Winterthur – und demnächst in Thun. Ebenso hat die Genfer Gruppe Gilles Desplanches kürzlich in Bern ihre Konzepte Goodies und The Fitting Room eingeführt. Im Gegenzug wird das deutschschweizerische Tibits eine Filiale in Lau- sanne eröffnen, wo auch die Hitzber- ger-Kette nach Standorten sucht. Für kleinere Betriebe ist die zunehmende Expansion der Grossen eine Chance, sich stärker zu profilieren und mit Einzigartigkeit zu überzeugen. Wer sich ausserdem mit Gleichgesinnten zusammenschliesst, kann ebenfalls von Einkaufsvorteilen profitieren – und trotzdem unabhängig bleiben.