«Wir sind eine Destination»

Nicole Steffen – 24. Oktober 2024
Die Gastronomie und ­die Hotellerie können vom Weintourismus profitieren. Damit die Gäste in Vico Morcote TI bleiben, hat es neben dem Tessiner Weingut Tenuta Castello di Morcote auch ein Hotel und zwei ­Restaurants.

Ein nachhaltiges Weinerlebnis schaffen

Auch für Océane Gex (33), Vizedirektorin von Swiss Wine Promotion, steht das Erlebnis im Zentrum. «Die Werbung mit Wein wird immer schwieriger, und der Weinkonsum ist sinkend», erklärt sie. Genau deshalb sei ein authentisches Erlebnis so wichtig. «Konsumentinnen und Konsumenten, die vor Ort waren und den Wein, das Terroir, die Menschen und ihre Arbeit live erlebt haben, gehen eher wieder zurück und kaufen die Weine oder bestellen sie in einem Restaurant», so Gex. Das Erlebnis verankert das Produkt nachhaltig im Gedächtnis und verknüpft damit ein positives Gefühl. Genau deshalb sei Weintourismus so wichtig für die ganze Branche.

«Mit über 250 verschiedenen Traubensorten in sechs Weinregionen bietet die Schweiz eine grosse Vielfalt, die es zu entdecken gilt», erklärt Gex. Jede Region hat einen eigenen Charakter. Knapp 80 Prozent der 1180 Hektaren Rebberge im Tessin sind mit Merlot bestückt. Hohe Niederschläge und viel Sonnenschein sind typisch für das einzige Schweizer Weinbaugebiet auf der Alpensüdseite. Die Tenuta Castello di Morcote baut hauptsächlich Merlot und Chardonnay an. Die nach Parzellen aufgeteilten Trauben werden kalt mazeriert und anschliessend schonend gepresst.

Zwei junge Frauen haben hier das Sagen

Die Önologin Benedetta Molteni (30) aus Como (IT) und ihre Assistentin Kate Gannon (28) aus Kalifornien (US) sind für die Produktion der Weine verantwortlich. Das ist ein seltenes Bild in einem Weinkeller. Gianini erzählt schmunzelnd, dass sie schon oftmals gefragt wurde, wer denn nun die Weine keltere. Wenn sie daraufhin auf Molteni und Gannon zeige, dann sehen die drei Frauen oftmals erstaunte Blicke. Doch davon lassen sich die beiden jungen Frauen nicht einschüchtern. «Unser Ziel ist es, authentische Weine zu produzieren, die eine Geschichte über das Terroir, das Mikroklima und die Traubensorte erzählen», erklärt die Önologin.

Kurz vor unserem Gespräch werden die Chardonnay-Trauben angeliefert. Es herrscht Hochbetrieb auf dem Weingut. Die beiden jungen Frauen und ihre Kollegen sind konzentriert bei der Arbeit und trotzdem ist die Stimmung angenehm freundlich und entspannt. Mittendrin stehen Gaby Gianini und ihr Ehemann Maurizio Merlo. Merlo ist für den operativen Part und die Reben verantwortlich und arbeitet, wie auch seine Frau, tatkräftig auf dem Weingut mit. Die beiden seien sehr präsent, erzählen die Mitarbeitenden. Merlo kümmert sich unter anderem um die Reben, und Gianini begrüsst die spontanen Besucherinnen und Besucher im Degustationsraum des Weingutes. Ein Weingut, dessen Besitzerin und Besitzer vor Ort mit Leib und Seele präsent sind und tatkräftig anpacken. Ein Hotel, das mit viel Liebe zum Detail ruhig und elegant im kleinen Dörfchen integriert ist. Und zwei Restaurants, die mit einer ehrlichen und regionalen Küche überzeugen. Genau so geht Weintourismus.