«Das Widder ist ein Juwel der Stadt Zürich»

Nicole Steffen – 26. November 2024
Benjamin Dietsche (34) übernimmt am 1. Dezember 2024 die Position des General Managers im Widder Hotel in Zürich. Das GastroJournal hat mit dem zukünftigen GM über seine bisherige Karriere und seine Vorstellungen für die Zukunft des Widder Hotels gesprochen.

Benjamin Dietsche war die letzten dreieinhalb Jahre in der Geschäftsleitung im Cervo Mountain Resort in Zermatt VS tätig und prägte davor während fünf Jahre die Führung von Relais & Châteaux. Nun wird der gebürtige Basler Direktor im Widder Hotel in der Zürcher Altstadt.

Benjamin Dietsche, weshalb der Wechsel von den Bergen in die Stadt?
Meine Familie und ich stammen ursprünglich aus dem urbanen Lebensraum der Nordwestschweiz. Während meiner Zeit im Cervo durfte ich unglaublich viel von der Besitzerfamilie des Cervo lernen – echte Visionäre mit einer unbändigen Leidenschaft. Die Jahre in der alpinen Umgebung waren für mich nicht nur besonders schön, sondern auch äusserst bereichernd. Dennoch spürte ich nach einer gewissen Zeit den Wunsch nach einem Wechsel hin zu einem Umfeld mit stärkerem Bezug zum städtischen Leben.

 

Und wie bist du auf das Hotel Widder gekommen?
Marco Zanolari hat mir im Sommer mitgeteilt, dass die Stelle als GM im Widder ausgeschrieben wird. Wir kennen uns noch aus der Zeit, als ich Direktor von Relais & Châteaux war und als er General Manager im Grand Resort Bad Ragaz fungierte. Wir waren uns von Beginn an sympathisch und haben uns gut verstanden. So nahm alles seinen Lauf.

 

Du schmunzelst. Steckt da noch mehr dahinter?
Absolut! Das Widder Hotel hat mich schon früh fasziniert. Während meiner Berufslehre im Parkhotel Weggis LU bewunderte ich unseren damaligen Direktor Peter Kämpfer. Seine Art, das Parkhotel zu führen, berührte mich. Damals hatte das Widder, ebenso ein Swiss Deluxe Hotel, eine moderne und ästhetische Webseite, und ich scherzte mit meinen Kollegen: Eines Tages werde ich dieses Haus führen

 

Und nun geht dieser langersehnte Wunsch in Erfüllung. Wie fühlst du dich?
Ich fühle mich wahnsinnig geehrt, dass ich unter den vielen hochqualifizierten Bewerbungen das Rennen gemacht habe. Ich liebe unsere Branche und freue mich, meine Leidenschaft zukünftig für das Widder Hotel zu leben.

 

Was bedeutet dir die Hotellerie?
Meine Leidenschaft für die Hotellerie wächst mit jedem Tag. Mein Zwillingsbruder ist Arzt - ein Beruf, der sich oft mit Krankheit oder sogar dem Tod auseinandersetzt. Das ist beruflich eine ganz andere Welt und sicherlich nicht immer einfach. Dennoch sehe ich Parallelen: Beide von uns versuchen, unser Gegenüber zu verstehen und herauszufinden, was es in diesem Moment braucht. In meiner Branche stehen Lebensfreude, würdiges Feiern und Erholung im Mittelpunkt. Auch das ist ein erfüllender und wichtiger Teil des Lebens - und einfach etwas Schönes.

 

Und was fasziniert dich am Widder?
Die Geschichte und Ästhetik dieses Hauses sind beeindruckend: Neun teils bis zu 700 Jahre alte Gebäude wurden 1995 zu einem Hotel umgebaut und neu interpretiert. Ein kleines Juwel, mitten in der Stadt, das sowohl für die lokale Bevölkerung wie auch für die internationalen Gästen ein Luxury Hide Away ist. Die Zürcher verbringen gerne einen schönen Abend in der Widder Bar oder geniessen ein feines Nachtessen bei Stefan Heilemann und seinem Team im Widder Restaurant. Ich freue mich riesig darauf, dieses legendäre Haus mit all den tollen Mitarbeitenden in die Zukunft zu führen.

Widder Hotel

Das Hotel Widder in der Zürcher Altstadt. (Bild: zVg)

Und womit fängst du am 1. Dezember an?
Ich werde mir Zeit geben, um zu beobachten und  versuchen zu verstehen. Wer macht was, wie sind die Strukturen, was funktioniert gut und wo kann ich mit meiner Erfahrung ansetzen. Mir ist vor allem das Miteinander sehr wichtig. In einer grösseren Stadt ist die Dynamik innerhalb des Unternehmens oftmals anders als in einem Saisonbetrieb in den Bergen. Mitarbeitende gehen nach der Arbeit ihre eigenen Wege. Deshalb muss ein Zusammengehörigkeitsgefühl aktiv erarbeitet werden. Das ist in den Bergen anders, wo die Mitarbeitenden näher beieinander leben. Man lebt und wohnt sogar oft zusammen und verbringt zudem auch die Freizeit miteinander. Da entsteht das Wir-Gefühl fast schon von selbst.

 

Wie möchtest du das machen?
The Living Circle hat bereits die richtige Richtung eingeschlagen. Mit dem Great Place to Work Label gehört das Unternehmen zu den zwanzig besten grossen Arbeitgebern in der Schweiz. Es gibt ausserdem neu definierte Werte. Eine wertebasierte Führung wird in allen Betrieben von The Living Circle gelebt. Dabei stehen Achtsamkeit, Passion und der Familiengedanke im Vordergrund. Das sind starke Werte und ich kann aus meiner Cervo-Zeit ganz viele kreative Ideen und Massnahmen miteinbringen, sodass wir diese Vision gemeinsam erreichen können. Hier erscheint es mir vor allem wichtig, die Mitarbeitenden zu fördern und ihnen Möglichkeiten zu bieten, innerhalb der Gruppe zu wachsen.

 

Was ist dein wichtigstes Take-away aus der Cervo-Zeit?
In einem Saisonbetrieb kommt vieles auf einmal: In intensiven Phasen ist hohe Performance gefragt, und das Haus ist stark frequentiert. Das erfordert Durchhaltewillen, Disziplin und vor allem Motivation im Team. Wertschätzung spielt dabei eine zentrale Rolle.  Es ist wie im Teamsport - auch in schwierigen Momenten müssen wir gemeinsam durchhalten, denn nur so erreichen wir Grosses. Wenn die Mitarbeitenden motiviert sind, über sich hinauszuwachsen, ist alles möglich. Diesen positiven Teamspirit möchte ich im Widder weiter pflegen.

 

Dein persönlicher Tipp für die Branche?
Die Hotellerie steht vor der Herausforderung, ihre Prozesse zu optimieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Besonders die internen Kommunikationswege bieten ein Potenzial für Effizienzsteigerungen. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass sich manche Mühlen naturgemäss langsamer drehen. Ein wesentlicher Grundsatz, den ich für mich erkannt habe, lautet: «Accept organizational realities». Dieser Ansatz hilft, die strukturellen Gegebenheiten einer Organisation zu verstehen und anzunehmen. Oft sind langwierige Prozesse nicht das Ergebnis von Ineffizienz, sondern spiegeln vielmehr die anspruchsvollen Anforderungen der Branche wider. Dieses Verständnis schafft Gelassenheit im Umgang mit bestehenden Strukturen und fördert ein realistisches Erwartungsmanagement.