Heinz Rufibach: «Die Gäste wollen Geschichten hören»

Reto E. Wild – 24. Juli 2024
Executive Chef Heinz Rufibach vom Grand Hotel Zermatterhof gehört zu den erfolgreichsten Schweizer Küchenchefs. Er steigert sich auch jenseits der 60 Lenze Jahr für Jahr. Ein Interview mit dem Berner über Unwetter und andere Herausforderungen.

«Prato Borni Alpine Gourmet Zermatterhof» steht im Eingang zum Restaurant Prato Borni in Zermatt VS, das mit einem Michelin-Stern und 16 GaultMillau-Punkten dekoriert ist. Hier ist das Reich von Heinz Rufibach. Der Berner war bereits von 1996 bis 2002 Küchenchef im Zermatterhof und ist das nun wieder seit Juni 2017. In den letzten Jahren hat sich der 62-Jährige weiter gesteigert: Er entwickelt seine nahbare Gourmetküche immer weiter und in neue Höchstsphären, was sich in den Ratings längst abbilden sollte.

Rufibach arbeitet nach einem bewährten Konzept: Der Gast wählt zwischen dem Menü «Heimat» oder «Fernweh», wobei die vier bis sechs Gänge (ab 150 Franken) gemischt werden können. Wir entscheiden uns zum Auftakt aus der Kategorie «Fernweh» für Gambero Rosso aus Sizilien, die Rufibach bei Dubno Connaisseur einkauft.

Danach gönnen wir uns die heimatlichen Ziger-Gnocchi, dem Spezialgericht des bescheiden gebliebenen Küchenchefs. «Eine Käsesauce zu Gnocchi ist in Italien mit Gorgonzola ganz normal. Ich wollte einen Schritt weitergehen, mit einer Fonduesauce, einem Aufguss mit Geflügelfond, Rahm, Fendant und der hauseigenen Fonduemischung von Saycheese. Man muss nur aufpassen, dass der Käse nicht anbrennt», erklärt er.

Heinz Rufibach, im aktuellen Menü gibt es zum Hauptgang zartes Thurgauer Apfelschwein, das uns begeisterte. Was ist die Geschichte dahinter?
Heinz Rufibach: Diese Schweine werden aus Apfeltrester gefüttert, die bei der Apfelsaftproduktion der Firma Möhl im Kanton Thurgau entstehen. Wir kaufen das Fleisch bei Bianchi ein.

 

Welche Gerichte auf Ihrer Karte sind derzeit am beliebtesten?
Im Moment Gambero Rosso mit Burrata und der AlpenZander aus Susten. Eigentlich arbeite ich nicht gerne mit Süsswasserfischen, denn wenn die Seen und Flüsse warm werden, ist das Fleisch fast schon weich. Aber auch Swiss Salmon zeigt, wie kompakt und frisch Schweizer Fische sein können. Der Zander ist schlicht genial.

 

Was ist denn der Trend bei den Gästen?
Selbst im Winter mögen sie traditionelle Gerichte, aber möglichst leicht. Wir haben in Zermatt sportliche Gäste, die aktiv Skifahren oder wandern und eine bewusste, leichte und nachhaltige Küche bevorzugen. Wir wollen keine Lebensmittelverschwendung und bereiten für die Gnocchi beispielsweise ein Birnenpüree zu. Mit den Birnenschalen produzieren wir ein Pulver, das wir über das Gericht streuen. Bei der Beilage zum Säuli mischen wir unter den Spinat den Stamm des Brokkoli, der früher im Abfall landete. Solche Geschichten wollen die Gäste hören.

 

Zermatt kam unlängst wegen den Unwettern in die Schlagzeilen. Wie weit beeinflussen diese das Geschäft?
Als die Strasse nach Zermatt gesperrt war, wirkte sich das aus. Wir hatten Annullationen. Ich finde es schlimm, wie teilweise die Medien berichtet haben, als ob wir alle im Sterben liegen würden. Die Zermatter Feuerwehr ordnete an, dass wir aus Sicherheitsgründen das Restaurant für einen Abend schliessen mussten, weil sich unsere Küche einen Meter unter dem Bach befindet. Es gab schon Betriebe, die wirklich starke Schäden nach der Naturkatastrophe hatten: Das Hotel Ginabelle ist beispielsweise bis Ende Oktober geschlossen, der Matterhornblick bis Anfang November. Auch das Restaurant von Max Julen ist betroffen.

 

Reden wir über ein erfreulicheres Thema: In Ihrem Team reden viele Deutsch.
Ja, in der Hauptküche habe ich Mirjam, meine Executive Souschefin, sie ist ein Bärner Modi, die Patissière Célina Friedrich auch. Dazu haben wir zwei Italiener, drei Portugiesen und drei Abgänger von der Berufsschule Altmünster bei Gmunden in Österreich. Bei mir kann man in der Küche tatsächlich noch Deutsch reden. Wir bieten zudem für unsere nicht deutschsprechenden Mitarbeitenden kostenlos Sprachkurse an.

 

Sie arbeiteten nun jahrelang mit Peter Zimmermann, dem F&B-Direktor und Sommelier des Jahres 2023. Er hatte zusammen mit Fabian Bombel, General Manager Nord, die Idee der Altitude Wines. Was halten Sie davon?
Ich finde es genial, dass jemand auf so eine Idee kommt. Vor Jahren gab es einen Franzosen, der seine Weine im Atlantik versenkte. Jahre später wurde ich von Ivo Mathier eingeladen, der seine Weine im Rhonegletscher reifen liess. Nun haben wir an verschiedenen Standorten den gleichen Wein einmal im Tal und einmal im Berg Wind und Wetter ausgesetzt. Wie sich der gleiche Wein unterschiedlich entwickelte, ist extrem spannend.

Jetzt verlässt Peter Zimmermann den Zermatterhof. Aber er hat noch andere Spuren hinterlassen...
Ja, es war sein Wunsch, vor unserem Hotel ein Insektenhotel aufzubauen. Das wurde zu seinem Abschied eingeweiht. Es handelt sich um eine Art Holzhaus, das en miniature dem Zermatterhof nachgebildet ist. So sorgt er für einen speziellen Fussabdruck. Ich hoffe nur, dass sich keine Gäste über Insekten in den Hotelzimmern beschweren.

 

Nachfolgerin von Zimmermann ist Ramona Reich.
Ja, sie arbeitet seit dem 1. Juni 2024 als F&B-Direktorin bei uns und war vorher vier Jahre bei Terravigna in der Beratung. Sie wird für frischen Wind sorgen.

 

Wieso hat eigentlich Ihr Gourmetrestaurant Prato Borni am Dienstag und Mittwoch geschlossen?
In Zermatt sind einige Restaurants am Sonntag geschlossen. Deshalb haben wir dann bewusst geöffnet. Und am Montag kehren bei uns viele Mitarbeitende und Berufskollegen ein. Unser Käserestaurant Say Cheese hat im Sommer an fünf Tagen geöffnet, im Winter an sechs Tagen. Dort arbeiten wir jeweils mit zwei Sitzungen: eine um 18 und eine um 20.30 Uhr. Vergangenen Donnerstag haben wir über 80 Essen geschickt.

 

Bald steht in Zermatt der nächste Anlass an.
Am 30. August findet die «Kitchen Party» mit 23 Spitzenköchen statt. Sie vereint 325 GaultMillau-Punkte. An 23 Stationen werden saisonale und regionale Köstlichkeiten von den Küchenchefs aus Zermatt vor den Augen der Gäste zubereitet. Um 21.30 Uhr kommt es dann im Hotel Mont Cervin Palace zum Dessert und Käsebuffet. Das ist ein genialer Event, um die Gastronomie von Zermatt kennenzulernen.

 

Zum Schluss eine persönliche Frage: Auf Ihrer Kochbluse steht nur «Heinz».
Das habe ich bei Angelo Conti Rossini gesehen, welcher der erste Küchenchef des Tessins mit zwei Michelin-Sternen war. Er war ein richtiger Monsieur und hatte seine Kochbluse nur immer mit «Angelo» beschriftet. Im Suvretta House in St. Moritz durften wir nicht mal die Chef de Partie duzen. Ich habe mir damals geschworen, falls ich einst Küchenchef werde, sind alle per Du mit mir. Seit diesem Moment steht bei mir nur noch Heinz und nichts anderes.

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Wein an der frischen Luft

Fabian Bombel, General Manager Nord der Matterhorn Group AG, und Peter Zimmermann, zuletzt F&B-Direktor im Grand Hotel Zermatterhof in Zermatt VS, hatten, wie sie es formulieren, «eine lustige Idee von zwei Gastronomen». Sie wollten wissen, was mit Schweizer Weinen passiert, wenn man sie 12 Monate im Tal und gleichzeitig im Berg lagert und dort bei Wind und Wetter aussetzt. «Altitude Wines» nannten sie das Projekt.

Für ein Jahr verbringen 72 Flaschen von sechs sehr unterschiedlichen Weinen ihre Reifezeit in der Natur – nicht wie bei anderen Projekten geschützt im Gletscher, sondern unter freiem Himmel in luftiger Höhe. «Dahinter steht kein kommerzieller Gedanke. Aber wir wollten Werbung für Schweizer Wein machen. Für die Burgergemeinde und Zermatt war das ein Leidenschaftsprojekt», erklärt Zimmermann.

Insgesamt wurden jeweils zwölf Flaschen im Tal und im Berg an sechs verschiedenen Standorten eingesetzt, etwa den Syrah Lux Vina 2019 der Domaines Chevaliers, der in einer offenen Holzkiste ein Jahr auf dem gut 3000 Meter hohen Gornergrat lagerte. Das Resultat: Die gleiche Flasche Wein aus dem Tal wirkt bei einem Testbesuch des GastroJournals im Grand Hotel Zermatterhof aromatisch und pfeffrig, der Syrah vom Gornergrat reifer, mit einer schöner eingebundenen Frucht. Das lässt sich belegen: Die Säure im Bergwein bildete sich um sechs, der Schwefel um 22 Prozent zurück. Für das verblüffendste Testergebnis sorgte der Heida 2021 von Thierry Constantin. Der Weisswein alterte im wahrsten Sinn des Wortes ein Jahr lang auf der Station Sunnegga, rund 2300 Meter über Meer. Der «Tal-Heida» zeigt sich ein Jahr später wie ein typischer Heida, der «Berg-Heida» entwickelte in dieser Zeit eine dezente Haselnussnote und präsentiert sich mit einer tiefen Komplexität. Winzer Constantin sagt, der Bergwein zeige sich wie ein Heida, der schon sieben Jahre lang reifte. Zimmermann: «Als Constantin müsste man den Konsumenten raten, den Heida ein Jahr lang auf den Balkon an die Sonne zu legen. Er wird danach deutlich spannender sein.»

Weinliebhaber, die sich ein Bild von diesem Test machen möchten, können die Weine im Zermatterhof bestellen - allerdings nur jeweils im Tandem, also gleichzeitig den Berg- und den Talwein. Achtung: Es gibt nur noch wenige Flaschen.